Nahrungsmittel-Spekulationen

Kleine Fonds und große Player

Es gibt keine eindeutigen Erkenntnisse, ob Investoren, oder wenn Sie so wollen ‚Spekulanten‘, tatsächlich für die Preissteigerungen verantwortlich sind.

Professor Dr. Marcel Prokopczuk
 
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    Zur Person
    Professor Dr. Marcel Prokopczuk

    Seit Mitte 2012 ist Prokopczuk Inhaber des ZU-Lehrstuhls für Empirische Kapitalmarktforschung & Ökonometrie. Professor Dr. Marcel Prokopczuk beschäftigt sich in seiner Forschung hauptsächlich mit der Analyse und Bewertung von Rohstoffderivaten. Zuvor war er an der Henley Business School der University of Reading (UK) tätig. Er hat Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Karlsruhe sowie der University of California in Santa Barbara studiert und an der Universität Mannheim promoviert.

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    Factbox
    Spekulanten im Fadenkreuz

    Laut dem Arbeitspapier der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben die Preissteigerungen von Lebens- und Agrarmitteln andere Gründe als die der Spekulation von Finanzinvestoren.

    Die Gegenposition zur OECD Studie nimmt der „Hungermacher“ Report der Verbraucherorganisation Foodwatch ein. Hier wird außerdem der Versuch unternommen, zu erklären, wie Investitionen in Nahrungsmittel an der Börse funktionieren und wie sie mit der Realwirtschaft verbunden sind.

    (Texte: Dossier)

    Kühe und Kapitalmärkte

    In seiner Antrittsvorlesung „Kühe und Kapitalmärkte“ gibt Professor Dr. Marcel Prokopczuk einen Überblick über seine Forschung zur Analyse und Bewertung von Rohstoffderivaten. Kühe sind dabei der Platzhalter für alle Rohstoffe, denn „davon gibt es in direkter Nachbarschaft zur Zeppelin Universität einige. Denen begegnet man auch regelmäßig auf dem Weg ins Büro.“ 


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    Dossier
    Foodwatch: Die Hungermacher
    Thilo Bode (Hrsg.)
    The Impact of Index and Swap Funds on Commodity Future Markets
    Scott H. Irwin, Dwight R. Sanders
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    Mehr ZU|Daily
    Immer schneller, immer besser?
    Der Hochfrequenzhandel soll nun per Gesetz entschleunigt und die Händler gebremst werden. Das ist populär. Doch Professor Dr. Marcel Prokopczuk stellt die Frage, ob dies wirklich sinnvoll ist.
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Säcke voller Reis nach der Ernte in Kenia.
Säcke voller Reis nach der Ernte in Kenia.
Antrittsvorlesung von Professor Dr. Marcel Prokopczuk auf iTunesU


Commerzbank und LBBW sind aus den Spekulationsgeschäften mit Nahrungsmitteln ausgestiegen. War das ein philanthropischer Akt?


Professor Dr. Marcel Prokopczuk: Aus meiner Sicht eher nicht. Natürlich kenne ich die Beweggründe der Commerzbank und LBBW Manager nicht, vermute aber, dass es sich primär um einen Marketingschritt zum Abwenden von Imageschäden handelt. Im Übrigen haben auch die DekaBank, das heißt, die Sparkassen, und die Landesbank Berlin angekündigt, auf Agrarinvestments zu verzichten. Es bleibt abzuwarten was die großen „Player“ in Deutschland, die Deutsche Bank und auch der Allianz Konzern, entscheiden.


Inwiefern werden die bisherigen Schritte denn auf den internationalen Finanzmärkten überhaupt spürbar sein?


Prokopczuk: Ohne genaue Zahlen zu kennen, würde ich spontan sagen: Gar nicht. Es handelt sich ja nur um relativ „kleine“ Investmentfonds oder Zertifikate für Privatanleger. Das große Geld kommt aus anderen Quellen, wie Pensionskassen oder Hedgefonds. Von denen kennt natürlich niemand die genauen Zahlen. Außerdem hat die Commerzbank meines Wissens nach nur angekündigt, keine Agrarinvestments in den eigenen Fonds zu tätigen. Das bedeutet, die Bank vertreibt nach wie vor solche Fonds anderer Anbieter. Wer Agrarinvestments tätigen will, wird auch bei der Commerzbank noch fündig.

Spekulanten im Fadenkreuz


Zwei Positionen


Wetten auf Lebensmittelpreise, ob als Absicherung oder Spekulation, gibt es seit einigen hundert Jahren. Warum schreien plötzlich alle gegen derivative Finanzinstrumente auf?


Prokopczuk: In der Tat gab es bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts einen organisierten Derivatehandel für Reis an der „Dōjima Rice Exchange“ in Osaka. Außerbörslich wurden Agrarderivate schon viel früher gehandelt, auch in Europa. Derivate werden oft pauschal als „Wetten“ bezeichnet - das suggeriert direkt etwas Negatives. Es ist aber zumindest unter Ökonomen unbestritten, dass ein gut funktionierender Derivatehandel wichtige Aufgaben für die reale Volkswirtschaft übernimmt. Er erlaubt zum Beispiel Rohstoffherstellern Risiken an andere Marktteilnehmer, sogenannte „Spekulanten“, zu übertragen. Das hat schon John M. Keynes Anfang des letzten Jahrhunderts erkannt. Dass das Thema aktuell so stark diskutiert wird, liegt wahrscheinlich an den jüngsten Preissteigerungen. Ob diese aber tatsächlich auf „Spekulanten“ zurückgehen, ist umstritten.


Von Oxfam bis zur UN – viele fordern einen Ausstieg von Finanzinstituten aus Geschäften mit Agrarderivaten. Angenommen, alle Banken folgen der Forderung – wäre dann alles gut?


Prokopczuk: Das ist die alles entscheidende Frage. Wie schon erwähnt, gibt es keine eindeutigen Erkenntnisse, ob Investoren, oder wenn Sie so wollen „Spekulanten“, tatsächlich für die Preissteigerungen verantwortlich sind. Es gibt einige Studien, die zu diesem Ergebnis kommen. Es gibt aber auch andere Meinungen. So existiert beispielsweise eine Studie der OECD, die als Ergebnis verneint, dass Finanzinvestoren der Grund für die Preissteigerungen sind. Zum einen gibt es zahlreiche fundamentale Gründe, wie die aktuelle Dürre in den USA oder die wachsende Weltbevölkerung, die dafür gesorgt haben, dass die Preise steigen. Das sind elementare Beziehungen von Angebot und Nachfrage. Zum anderen muss man im Hinterkopf behalten, dass in der Regel nicht direkt in Rohstoffe, sondern in Rohstoffderivate, genauer „Futures“ investiert wird. In diesen Kontrakten muss es für  jede Person die auf steigende Preise „wettet“, eine andere Person geben, die auf sinkende Preise „wettet“. Dies sind zum Teil natürlich Rohstoffhersteller, die Absicherungsgeschäfte tätigen. Aber nicht nur. Es gibt selbstverständlich auch Finanzinvestoren, die auf sinkende Preise spekulieren. Dieser Aspekt wird in der Diskussion häufig ausgeblendet.



Bilder: Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO)

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