Wirtschafts-Wissen

Mehr Bretto vom Nutto!

Kaum etwas ist so motivierend wie das Gefühl, die Welt ein Stück weit besser zu verstehen.

Professor Dr. Peter Kenning
 
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    Zur Person
    Professor Dr. Peter Kenning

    Professor Dr. Peter Kenning ist seit 2007 Inhaber des Lehrstuhls für Marketing an der Zeppelin Universität. Kenning promovierte und habilitierte an der Universität Münster und ist einer der Begründer der neuroökonomischen Forschung. Als erster deutscher Ökonom schaffte es Kenning, Artikel in sowohl wirtschafts- als auch neurowissenschaftlichen Zeitschriften zu veröffentlichen. Seine grundlegenden Kenntnisse der Hirnforschung erarbeitete sich Kenning unter anderem an der Harvard Medical School.

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    Dossier
    Minimales Wirtschaftswissen: Zweite Erhebungsrunde
    Prof. Dr. Peter Kenning
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Viele Zuhörer gehen davon aus, ein witziges Comedy-Format zu hören. Doch nicht nur gefühlt, sondern auch belegbar ist es um das deutsche Wirtschaftswissen schlecht bestellt. Peter Kenning ist Professor für Marketing an der Zeppelin Universität und untersucht zusammen mit Kollegen aus Dresden und Berlin seit 2010 das wirtschaftliche Wissen der Deutschen. Vor kurzer Zeit erschienen die Ergebnisse der zweiten Datenerhebung über das minimale Wirtschaftswissen der Bevölkerung. Im Vergleich zur Vorstudie ist das Wissen erneut gesunken. Die Autoren sprechen von „schwerwiegenden Wissenslücken“: Dass Dänemark eine eigene Währung hat, wusste nur die Hälfte der Teilnehmer. Dass deutsche Staatsanleihen sicherer sind als Aktien und Fonds, wussten noch weniger.

Die Studienergebnisse im Überblick


Schnell kommt die Frage nach dem Schuldigen für die Wissensmisere auf. Der Fingerzeig auf die Schulen liegt nahe, doch Kenning warnt: „Generell denke ich, dass wir unsere Schulen zum großen Teil auch überfordern. Immer mehr in die oft knappen zeitlichen Ressourcen hinein zu drängen, und den Schulen dann die Schuld zu geben, wenn es nicht funktioniert, ist nicht nur unfair sondern auch nicht zielführend.“ Unabhängige Akteure als Vorbilder und zivilgesellschaftliches Engagement sind für Kenning der Schlüssel. Das könnten Lehrer sein, aber auch andere kompetente und engagierte Akteure der Zivilgesellschaft. Den ortsansässigen Steuerberater oder den Wirtschaftsprüfer hält Kenning für denkbar.

Das bloßen Einführen eines Schulfachs „Wirtschaft“ hält Kenning nur bedingt für zielführend. Denn mit Fragen nach dem Namen des Wirtschaftsministers oder der Arbeitslosenquote kann man Schüler kaum zum Mitdenken zwingen: „Unter Zwang lernen Menschen zwar, sie lernen dann aber nicht gerne. Das gilt auch für die ökonomische Bildung.“ Kenning plädiert für die Verwendung von konkreten Beispielen, und ist überzeugt, dass sich dadurch die Wahrscheinlichkeit eines motivierenden Erkenntnisgewinns zum Teil dramatisch erhöhen könne. Kurz: Beispiele sind wichtig für den Lernerfolg, oder wie Kenning formuliert: „Kaum etwas ist so motivierend, wie das Gefühl, die Welt jetzt ein Stück weit besser zu verstehen.“
Dass aber nicht unbedingt die deutschen Schulstrukturen für die schlechten Ergebnisse verantwortlich sind, zeigt ein Blick ins Ausland. Auch wenn Kenning betont, dass es sich bei seinen Zahlen um nationale Werte handele, die international kaum vergleichbar seien, ist doch eine deutliche Tendenz erkennbar. Viele Studien zeigten, dass die ökonomische Bildung weltweit eher lückenhaft sei.

Aber nicht nur Schüler könnten mehr über Wirtschaft wissen. Auch Erwachsene wissen häufig wenig über die Zusammenhänge. Angesichts von Bankencrash, Eurokrise und Globalisierung geben selbst Wirtschaftsexperten zu, dass sie der Fülle von Fragen teils hilflos gegenüberstehen. Für Kenning ist das vor allem ein Problem der Motivation: „Im Kern geht es darum, Menschen stärker für das Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge zu motivieren und sie so zu befähigen, Fehlentscheidungen zu vermeiden“. Ob dies durch Vorbilder oder Anerkennung geschehe, sei dabei zweitrangig. Denn solche Instrumente würden momentan ohnehin kaum genutzt werden. „Die Menschen wissen zwar, wer der beste Fußballspieler in der Nachbarschaft ist, nicht aber, wer vor Ort vielleicht der beste Wirtschaftsexperte ist oder wen man in der Nachbarschaft am ehesten bei wirtschaftlichen Entscheidungen um Rat fragen sollte.“, gibt Kenning zu bedenken. Auch so genannte Wirtschaftsexperten in den Medien seien häufig Journalisten, die ihre Erfahrungen oftmals unreflektiert und rasch weitergeben müssten.

Im Zugang zum Wirtschaftswissen scheint das Problem aber kaum zu liegen. Schließlich hat sich die Menge an verfügbarem Wissen durch die neuen Medien in den letzten Jahren vervielfacht. Das eigene Wissen konnte im gleichen Umfang nicht mithalten. „Wir sollten Wissen allerdings nicht mit Informationen und Daten verwechseln“, mahnt Kenning, denn „Wissen kann man nie genug haben, Daten aber schon.“ Kenning versteht Wissen als Fähigkeit, Probleme zu lösen und betont die Bedeutung dieser Fertigkeit. Denn gerade in der Vielfalt der Informationen stecken bereits neue Probleme: „Alleine schon deswegen, weil die sinnvolle Nutzung der entsprechenden Informationsquellen an sich schon wieder ein Problem darstellen kann zu dessen Lösung Wissen erforderlich ist“, erklärt Kenning.

Im Vergleich zur Vorstudie im Jahr 2010 konnten die Teilnehmer ihr Wissen nun zwar besser einschätzen, der von Kenning berechnete Wert fiel allerdings um zwei Punkte. Lediglich 14 der 24 Fragen konnten die rund 1.000 Teilnehmer, ein buntgemischtes Feld zwischen 16 und 86 Jahren aus allen Bevölkerungssichten, im Test beantworten. In zwei Jahren will Kenning den Test mit seinen Kollegen wiederholen. Eine Prognose sei schwer, erklärt er. Die Entwicklung des Wirtschaftswissens hänge schließlich von vielen Variablen ab. Dramatisch verbessern wird sich der Indikator aber wohl kaum.


Foto: fcstpauligab via flickr.com

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