ZU-artsprogram mit Nils Landgren

„Do your own thing“

Musik bewegt sich, lebt und lässt sich von anderen inspirieren.

Nils Landgren
Schwedischer Posaunist und Sänger
 
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    Zur Person
    Nils Landgren

    Nils Landgren wurde am 15. Februar 1956 im schwedischen Degerfors, Värmland, geboren und ist schwedischer Posaunist und Sänger. Er gilt aktuell als einer der erfolgreichsten europäischen Jazzmusiker. Seine bekannteste Formation ist die Nils Landgren Funk Unit. Wegen seiner roten Posaune trägt er den Spitznamen „Mr. Red Horn“. Landgren wurde für zahlreiche seiner Alben mit dem German Jazz Award des Bundesverbandes Musikindustrie ausgezeichnet, erreichte Spitzenplätze in den Jazzcharts und erhielt mehrfach den schwedischen Grammy. 2012 wurde Landgren in Schweden mit dem Sir George Martin Music Award und bei den schwedischen Grammys mit dem Ehrenpreis für sein Lebenswerk geehrt. 

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Nils Landgren, einer der bekanntesten Jazzmusiker Europas, füllt das altertümliche Kino Studio 17 mit seinen Worten und nicht mit der Posaune. Fest steht, dass die plüschigen, roten Kinositze und das gedämmte Licht das Publikum mit auf die Reise Landgrens und dessen Liebe zum Jazz nimmt. Er ist ein schwedischer Musiker, der die Welt des Jazz geprägt und verändert hat. Seit 40 Jahren zählt er zu Europas bekanntesten Posaunenspielern und begeistert Menschen weltweit. Er sieht Jazz als Ausdruck von Power genauso wie von Zaghaftigkeit. Gemeinsam mit dem Kulturjournalisten Oliver Hochkeppel verrät Nils Landgren beim 4. Jazz & More Festival in Friedrichshafen, warum Jazz bei der Kommunikation über Staatsgrenzen hinweghelfen kann und wieso der Musikstil fest zur schwedischen Kultur gehört.

„Jeder schreit so laut wie er kann, wenn er rauskommt!“ – Mit diesen Worten beschreibt Nils Landgren seine Geburt, die er wohl gleich auch als die Geburtsstunde für die Liebe zur Musik sieht. „Mein Vater war für mich ein großes Idol als Musiker.“ Schon früh erlernt Landgren ein erstes Instrument – schwingt sich ans Schlagzeug. Doch er muss zugeben, dass das nicht zu den Glanzzeiten seiner musikalischen Karriere gehörte: „Die 60 Kühe auf unserem Bauernhof sind Amok gelaufen, wenn wir im Hinterhof geübt haben.“ Der Reiz des Schlagzeugs lag für ihn eher darin, das Orchester beim Marsch anzuführen. An dieser Stelle schmunzelt und lacht Nils Landgren und offenbart, dass er schon immer ganz vorne mit dabei sein wollte. Landgrens Herz aber schlägt bis heute nicht fürs scheppernde Schlagzeug, sondern für die Posaune – das einzige Instrument, das er je verstanden habe und das ihn sogar zum Musikstudium brachte.

Kinositze, Leinwand und ganz viel Jazz: Nils Landgren sprach beim 4. Jazz & More Festival in Friedrichshafen mit Kulturjournalist Oliver Hochkeppel. Damit gastierte einer der bekanntesten europäischen Jazzmusiker am Bodensee. Landgren wurde am 15. Februar 1956 im schwedischen Degerfors geboren und ist weltweit mit seiner Formation, der Nils Landgren Funk Unit, unterwegs. Wegen seiner roten Posaune trägt er den Spitznamen „Mr. Red Horn“. Landgren wurde für zahlreiche seiner Alben mit dem German Jazz Award des Bundesverbandes Musikindustrie ausgezeichnet, erreichte Spitzenplätze in den Jazzcharts und erhielt mehrfach den schwedischen Grammy. 2012 wurde Landgren in Schweden mit dem Sir George Martin Music Award und bei den schwedischen Grammys mit dem Ehrenpreis für sein Lebenswerk geehrt.
Kinositze, Leinwand und ganz viel Jazz: Nils Landgren sprach beim 4. Jazz & More Festival in Friedrichshafen mit Kulturjournalist Oliver Hochkeppel. Damit gastierte einer der bekanntesten europäischen Jazzmusiker am Bodensee. Landgren wurde am 15. Februar 1956 im schwedischen Degerfors geboren und ist weltweit mit seiner Formation, der Nils Landgren Funk Unit, unterwegs. Wegen seiner roten Posaune trägt er den Spitznamen „Mr. Red Horn“. Landgren wurde für zahlreiche seiner Alben mit dem German Jazz Award des Bundesverbandes Musikindustrie ausgezeichnet, erreichte Spitzenplätze in den Jazzcharts und erhielt mehrfach den schwedischen Grammy. 2012 wurde Landgren in Schweden mit dem Sir George Martin Music Award und bei den schwedischen Grammys mit dem Ehrenpreis für sein Lebenswerk geehrt.

Tatsächlich hatte Nils Landgren mit Funk angefangen, da Jazz in Teilen Europas verboten war. Doch das Verbot reizte ihn, und die Leidenschaft seines Vaters zu Jazz prägte ihn nachhaltig. Ob es damals nicht mutig war, diese Art von Musik zu spielen – und das auch noch in Deutschland, will Hochkeppel wissen. „Oder war es dumm?“, entgegnete ihm Landgren. Seinen ersten Auftritt hatte er mit seiner Band „Unit“. „Niemand wollte was von uns wissen, mit uns zu tun haben. Nur ein verrückter Schweizer“, erinnert er sich. Fazit: Ein Publikum aus 40 anstatt 2000 Menschen; Bierbedarf der eigenen Band höher als die tatsächlichen Einnahmen - „wir kamen mit Schulden zurück“. Einen positiven Beigeschmack hat der Schuldentrip aber trotzdem: Mit seiner Band wird Landgren beim Konzert entdeckt und mit einer Einladung zu einem Champagnerfrühstück sowie einem Angebot Siegfried Lochs, Gründer des Jazzslabels ACT, beehrt. Für Landgren ist klar, dass dies das Beste war, was ihm hätte passieren können: „Das konnte ich doch nicht ablehnen?“ Das Treffen eröffnet ihm die Chance, die er im Laufe seiner Karriere wahrnehmen konnte – und so zu einem angesehenen Jazzmusiker der heutigen Zeit wurde. Auch seinen Entschluss, nach Deutschland auszuwandern, sieht er heute als einen Meilenstein auf dem Weg zum Erfolg.

Der Zauber des Jazz schwappt in den 60er-Jahren auch nach Schweden und Norwegen über. Anders als die Vorstellung heutiger Jazzmusik hatten damalige Künstler ihre ganz eigene Interpretation von Jazz und vermischten diese mit der ihnen vertrauten Volksmusik. Daraus entwickelte sich die heute bekannte „skandinavische Jazzmusik“, welche auch unter dem Namen „Nordic Sound“ bekannt ist. Landgren beteuert, dass er zwar kein Volksmusiker sei, aber irgendwie doch ein Volksmusik-Gen in sich trägt. Er ist der Meinung, dass sich im Laufe der Zeit die Jazzmusik als Kommunikationsmittel eines Landes entpuppt und zur Aufrechthaltung der jeweiligen Kultur beiträgt. Landgren freut es, dass auch die Politik Jazzmusik zunehmend mit öffentlichen Mitteln unterstützt. Dies verlieh der Jazzszene Aufschwung und Größe. In den vergangenen 15 Jahren hat es eine entscheidende Entwicklung in der Jazzszene gegeben. Amerika gilt zwar stets als Begründer und Traditionsträger des Jazz – doch die europäischen Künstler interpretieren Jazz auf eine ganz eigene Weise. Landgren betont: „Deutschland gilt zwar als Land der Klassischen Musik, jedoch sollte auch die Jazzszene nicht unterschätzt werden!“ Junge amerikanische Künstler sollten daher auch einen Blick nach Europa wagen und auch dort ihr Glück versuchen. Trotzdem beteuert Landgren, ein großer Fan des amerikanischen Jazz zu sein und zitiert wie zum Beweis ein Sprichwort aus der italienischen Jazzszene: „Sie haben uns den Jazz gebracht und den geben wir auch nicht mehr her“.

Jazz, ausweislich seiner ersten Plattenaufnahme grad 100 geworden, lebt seit 70 Jahren auch in Deutschland. Von den Nazis verschmäht und verfolgt, kam er durch den Äther über den Kanal. Glenn Miller ließ unerschrockene Deutsche in ihren Wohnzimmern vor dem Volksempfänger tanzen, während ringsherum die Bomben fielen. In der Nachkriegszeit fasste der junge, deutsche Jazz richtig Fuß – vor allem in den Hochburgen Berlin, Bremen und Frankfurt. Seit den 1980er-Jahren kann man Jazz in Deutschland sogar studieren. Vom Jazz leben, das können viele Künstler trotzdem – oder gerade deshalb – nicht. 2016 veröffentlichte die „Bundeskonferenz Jazz“ eine Studie zu Lebens- und Arbeitsbedingungen deutscher Jazzmusiker. 40 Prozent der selbstständigen Jazzmusiker nahmen teil. Das Ergebnis: Jazzmusiker leben in prekären Verhältnisse. Die Hälfte der Befragten kam auf ein Jahreseinkommen unter 12.500 Euro.
Jazz, ausweislich seiner ersten Plattenaufnahme grad 100 geworden, lebt seit 70 Jahren auch in Deutschland. Von den Nazis verschmäht und verfolgt, kam er durch den Äther über den Kanal. Glenn Miller ließ unerschrockene Deutsche in ihren Wohnzimmern vor dem Volksempfänger tanzen, während ringsherum die Bomben fielen. In der Nachkriegszeit fasste der junge, deutsche Jazz richtig Fuß – vor allem in den Hochburgen Berlin, Bremen und Frankfurt. Seit den 1980er-Jahren kann man Jazz in Deutschland sogar studieren. Vom Jazz leben, das können viele Künstler trotzdem – oder gerade deshalb – nicht. 2016 veröffentlichte die „Bundeskonferenz Jazz“ eine Studie zu Lebens- und Arbeitsbedingungen deutscher Jazzmusiker. 40 Prozent der selbstständigen Jazzmusiker nahmen teil. Das Ergebnis: Jazzmusiker leben in prekären Verhältnisse. Die Hälfte der Befragten kam auf ein Jahreseinkommen unter 12.500 Euro.

„Jazz hat in den vergangenen 35 Jahren eine große Entwicklung durchgemacht“, betont Oliver Hochkeppel – doch verweist dabei auch auf die Schattenseiten dieser Tendenz. Denn der Markt ist überfüllt von jungen Künstlern mit Bachelor- oder Masterabschluss sowie von subventionierten Konzerten und Bands. Landgren wünscht sich deshalb, dass die Studierenden in ihrer Ausbildung breiter aufgestellt werden, um ihnen so eine Zukunft als Musiker zu ermöglichen. Sein Credo: „Es gibt immer einen Platz für einen, man muss ihn nur suchen und finden, denn die Welt ist nicht da für dich, wenn du dafür nichts tust!“ Jedoch solle die „Crème de la Crème“ weiterhin ihre Stellung beibehalten und nicht an die breite Masse abtreten. Vielmehr versteht er es als seine Aufgabe, die Musik und Ausbildung auf jeder Stufe wachsen zu lassen. Kultur sei eine der wertvollsten Errungenschaften, die ein Land niemals verlieren dürfe. Denn eben durch Bücher, Filme und die Musik werden Werte weitergetragen und gelebt, die nicht messbar seien, die aber ein Land auszeichnen.

„Musik bewegt sich, lebt und lässt sich von anderen inspirieren“, fasst Nils Landgren lächelnd zusammen. Eben diese Dynamik möchte er anderen Künstlern weitergeben, indem er ihnen mit Hilfe seines Festivals „Jazz Baltica“ die Möglichkeit gibt, sich auf dem Markt zu zeigen und möglichst viele Menschen anzusprechen, die offen für neue Musik sind. Zudem ist er Produzent, Leiter einer Big Band und Stiftungsgründer. „Ich bin neugierig, will ständig Neues lernen und finde es toll, dass ich all das probieren darf – und meist sogar mit Erfolg“, gibt Nils Landgren zu und verweist gleichzeitig auf ein bekanntes Künstlerphänomen: „Ein Büro macht mich fertig.“ Gerade deshalb braucht Landgren Mitarbeiter um sich herum, denen er blind vertrauen kann – etwa bei der Gründung seiner Stiftung „Funk for life“. Seine Stiftung ermöglicht die Musik auch an Orte zu bringen, die von Leid, Armut und dem ständigen Kampf ums Überleben geprägt sind. Musik soll Kindern erlauben, durch sie Freude und Leidenschaft zu entwickeln und dabei das Geschehen um sie herum zu vergessen.

Nils Landgren ist ein Mensch, der durch seine Leidenschaft zu Jazz Menschen inspiriert und begeistert. Diese Begeisterung hat er auch nach Friedrichshafen getragen und dem Publikum Lust gemacht, seinen darauffolgenden Film „Do your own thing“ anzusehen und im Anschluss bei seinem Auftritt die Hüften schwingen zu lassen. Landgren hinterlässt einen Eindruck, der Mut macht, das Leben anzupacken und zu verändern. Sein Aufruf ist deutlich: „Man muss nur anfangen, etwas zu tun.“

Titelbild: 

Carstor / Taken by Carstor (CC BY 3.0) | Link


Bilder im Text: 

| Lea Schipniewski / Zeppelin Universität

Jimmy Baikovicius from Montevideo, Uruguay / 19° International Jazz Festival of Punta del Este | 150111-2052-jikatu (CC BY-SA 2.0) | Link


Redaktionelle Umsetzung: CvD

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