Adventskalender | Türchen 11

Sandra Hofhues über „Medienbildung"

Das Gleiche passiert, wenn ich auf Twitter poste und Studierende auf meinen Tweet antworten. Dort ergibt sich eine Kommunikationsebene, die sich nicht ausschließlich auf die Lehrveranstaltung bezieht.

Dr. phil. Sandra Hofhues
Akademische Mitarbeiterin Lehrstuhl für Hochschuldidaktik
 
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    Zur Person
    Dr. phil. Sandra Hofhues

    Nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau studierte Dr. Sandra Hofhues sowohl im Bachelor- als auch im Masterstudium "Medien und Kommunikation" an der Universität Augsburg. Später promovierte sie zum Thema "Lernen durch Kooperation: Potenziale der Zusammenarbeit von Schulen und Unternehmen am Beispiel eines Schule-Wirtschaft-Projekts" an der Universität der Bundeswehr in München. Es folgten Beratungs- und Lehrtätigkeiten u.a. in Wien, Hamburg und Heidelberg. Seit Oktober 2013 arbeitet Hofhues als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Hochschuldidaktik der Zeppelin Universität in Friedrichshafen.

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    Dossier
    Positionspapier des Lehrstuhls für Hochschuldidaktik (Zeppelin Universität) für den Einsatz digitaler Medien in der Lehre
    Lehrstuhl für Hochschuldidaktik, Zeppelin Universität Friedrichshafen (2013)
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    Mehr ZU|Daily
    Mehr Raum für Medienpädagogik
    Laptop, Online-Recherche, Powerpoint-Präsentationen - die Uni wird zum medialen Bildungsraum. Dr. Sandra Hofhues möchte diesen gestalten und zu einem kritisch-reflexiven Diskurs über Medien und Medienvielfalt anregen.
    Neue Medien verstehen lernen
    Das Mohammed-Schmähvideo mit seinen Folgen ist ein Phänomen der mediatisierten Moderne. Professor Dr. David L. Altheide sagt, Medien vereinfachten die Realität so sehr, bis ein falsches Bild entstehe.
    Marian Adolf über „Mediatisierung"
    Mit dem Handy überwachen wir unseren Schlaf, per Computer kommunizieren wir rund um die Welt und der Fernseher heißt jetzt SmartTV. Medien sind dort angelangt, wo man sie nicht vermutet hat. Hinter dem ersten Türchen des Adventskalenders berichtet Jun.-Prof. Dr. Marian Adolf über „Mediatisierung".
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    Hä...?
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Was kann man sich unter dem Begriff „Medienbildung“ vorstellen?

Dr. Sandra Hofhues: Medienbildung als Begriff stammt ursprünglich aus dem Umfeld von Schulen. Mit ihm verbunden ist die Forderung, Medien als Unterrichtsfach neben den klassischen Fächern wie Deutsch, Mathematik oder Informatik einzusetzen. Auch im Hochschulbereich gibt es mittlerweile Überlegungen für eine strukturierte Förderung der Mediennutzung. Wobei man die Begriffe „Medien“ und „Bildung“ eigentlich getrennt betrachten muss: Bildung als Grundidee der Universität zielt zunächst darauf, Individuen zu befähigen, eigene Ziele zu erreichen und so zu selbstbestimmten Personen zu werden – also die eigene Persönlichkeit als solche (aus-) zu bilden. Medienbildung meint dann die Übertragung dieses Bildungszieles auf die Medienaneignung und -nutzung in und für den Hochschulkontext. Man muss sich meiner Meinung nach aufgeklärt „in, mit und durch“ Medien bewegen können. Neben der Fähigkeit, einzelne Geräte (be-)nutzen zu können, gilt es dann insbesondere mediale Zusammenhänge zu erkennen. Ein gutes Beispiel ist Facebook: Durch die sich verbreitende Nutzung des sozialen Netzwerks ist das Thema Datenschutz viel stärker auf die Agenda gekommen.

Sogenannte "Smartboards", wie hier an der kanadischen Queen's University in Kingston, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit im täglichen Lehrbetrieb. Mit ihnen lassen sich Inhalte interaktiv erstellen und verarbeiten, weshalb sie besonders in technischen wie künstlerischen Bereichen stark verbreitet sind. Doch nur selten ist das zuständige Lehrpersonal der digitalen Herausforderung gewachsen, obwohl es rein technisch in der Lage wäre, die Geräte zu benutzen. Hier sieht Dr. Sandra Hofhues einen hohen Bedarf kollegialen Coachings um die teils vorherrschende Abneigung gegenüber digitalen Medien abzubauen.
Sogenannte "Smartboards", wie hier an der kanadischen Queen's University in Kingston, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit im täglichen Lehrbetrieb. Mit ihnen lassen sich Inhalte interaktiv erstellen und verarbeiten, weshalb sie besonders in technischen wie künstlerischen Bereichen stark verbreitet sind. Doch nur selten ist das zuständige Lehrpersonal der digitalen Herausforderung gewachsen, obwohl es rein technisch in der Lage wäre, die Geräte zu benutzen. Hier sieht Dr. Sandra Hofhues einen hohen Bedarf kollegialen Coachings um die teils vorherrschende Abneigung gegenüber digitalen Medien abzubauen.

Warum haben Sie sich gerade für diese Begriff entschieden?

Hofhues: Seit Jahren begleitet mich die Frage, wie man Medien an und in der Hochschule nutzen kann. Viele der frühen Konzepte sind dabei rein auf den Gebrauch von technischen Geräten oder digitalen Werkzeugen ausgerichtet. Ich bin aber der Meinung, dass man eine umfassende Perspektive einnehmen sollte und spreche daher auch lieber von Bildung. Neben die bloße Mediennutzung oder Medienrezeption rücken dann beispielsweise auch die gemeinsame Medienproduktion in studentischen Medienprojekten wie ZU|Daily oder die Entwicklung einer kritischen Haltung zu aktuellen medialen Phänomenen. Letzteres wären z.B. MOOCs ("Massive Open Online Courses" / Online-Kursangebote für große Teilnehmerzahlen; Anm. d. Red.), die zuletzt in aller Munde waren und eigentlich Lernprozesse nur digitalisiert, nicht grundlegend verändert haben. Interessant ist zudem, dass sich mein Medienhandeln als Dozentin und Ihres als Student grundlegend unterscheiden, aber auch weitgehend gleichen könnten. Wichtig ist immer, vom Subjekt und seinem Handeln her zu denken und zu fragen, wie wir unter bestimmten Umweltbedingungen in, mit und durch Medien agieren. Auch lässt sich seit Jahren empirisch zeigen, dass die Mediennutzung im Privaten eine andere ist als in Bezug auf das Studium.

Positionspapier für den Einsatz digitaler Medien in der Lehre


Sie sagten ja bereits, dass sie das Prinzip der Lehrveranstaltungen für nicht zeitgemäß halten. Wie bewerten Sie mit Blick auf den schulischen Bereich die vielfach geäußerte Kritik, Lehrer seien nicht kompetent genug im Umgang mit Medien?

Hofhues: Wahrscheinlich muss man auch hier das Lehrpersonal differenziert betrachten: Es gibt ein sehr breites Spektrum von technikaffinen bis hin zu kritischen Lehrenden. Wobei die Kritiker nicht unbedingt diejenigen sein müssen, die nicht in der Lage sind, digitale Medien zu benutzen. Viele Kolleginnen und Kollegen aus dem wissenschaftlichen Umfeld wollen beispielsweise nicht bloggen oder twittern, weil sie meinen, sie hätten nichts zu sagen, oder ihnen die permanente Öffentlichkeit nicht liegt. Dennoch wären sie aber jederzeit in der Lage ein Tool wie Twitter zu benutzen. Aber zurück zur Schule: In der Lehrerausbildung haben Medien aktuell keinen Platz, da man in der Regel ein spezifisches Fach studiert und dazu eine pädagogische Ausbildung erfährt. Sowohl in den Fächern als auch in der Allgemeinen Pädagogik spielen Medien eine untergeordnete Rolle. Es liegt daher nahe, dass schon der Gebrauch von Geräten vom Interesse und Willen der Lehrerin oder des Lehrers abhängt und Schulentwicklung bis heute oft am „trojanischen Pferd“ Medien festgemacht wird. In Sachen Hochschule ist es übrigens ganz ähnlich. Die Entscheidung, ob man Hochschuldozent wird, hängt primär von den fachlichen Leistungen ab und nicht davon, wie gut man lehrt. Durch verstärkte Forderungen nach hochschuldidaktischen Kompetenzen hat sich das ein Stück weit gewandelt. Langfristig brauchen wir aber auch hier eine aufgeklärtere Mediennutzung, am besten entlang der schon vorgestellten Bildungsidee.

Facebook-CEO Mark Zuckerberg bei der Präsentation der erwarteten Unternehmensentwicklung auf der f8-Entwickler-Konferenz im September 2011. Trotz deutlicher werdender Kritik an Datenschutz und Privatsphäre ist das soziale Netzwerk aus dem studentischen Alltag kaum mehr wegzudenken. Über die gemeinsame Nutzung durch Studierende und Dozenten entsteht eine neue Kommunikationsplattform, die über den Kontakt in Seminaren und Vorlesungen hinausgeht - mit deutlichen Vor- und Nachteilen.
Facebook-CEO Mark Zuckerberg bei der Präsentation der erwarteten Unternehmensentwicklung auf der f8-Entwickler-Konferenz im September 2011. Trotz deutlicher werdender Kritik an Datenschutz und Privatsphäre ist das soziale Netzwerk aus dem studentischen Alltag kaum mehr wegzudenken. Über die gemeinsame Nutzung durch Studierende und Dozenten entsteht eine neue Kommunikationsplattform, die über den Kontakt in Seminaren und Vorlesungen hinausgeht - mit deutlichen Vor- und Nachteilen.

Wie können es Dozenten schaffen, ihre Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien zu verbessern?

Hofhues: Derzeit wird oftmals versucht, über Schulungen und Workshops einen umfassenderen Medieneinsatz zu erzeugen. Ich glaube aber, dass man Dozierende besser mit Coaching oder kollegialer Beratung erreicht. Man guckt dem anderen Lehrenden über die Schulter und schaut, wie sie oder er mit digitalen Medien z.B. in einer Lehrveranstaltung umgeht. Ich finde es hilfreich, wenn es immer einen konkreten Anlass oder ein herausforderndes Problem gibt, anhand dessen man etwa den Medieneinsatz diskutieren kann: Wie lässt sich beispielsweise die Interaktion zwischen oder die Begleitung von Studierenden gestalten, wenn vier Wochen lang keine Präsenzsitzung stattfindet? Dafür gibt und braucht es entsprechende didaktische Szenarien, die auch mit digitalen Medien angereichert werden können.


Was ist für Sie persönlich der größte Vorteil von Mediennutzung im Bildungsbereich?

Hofhues: Mich begeistert am meisten, dass ich über das Klassenraum-Setting hinaus mit Studierenden kommunizieren kann. Das reine Bereitstellen von Informationen ist schön und gut, aber für mich liegt der Schwerpunkt ganz klar in der sozialen Komponente: auf Kommunikation und Unterstützung bei der Selbstreflexion durch Lehrende und Peers. Dass dies nicht immer einfach ist, zeigt ein Beispiel: Wie gehe ich z.B. damit um, wenn Studierende mich auf Facebook anschreiben und ein Feedback zu ihrer Abschlussarbeit einfordern, die sie bereits morgen abgeben müssen? Aus meiner professionellen Haltung könnte ich sagen, dass eine E-Mail mit einigen Tagen Vorlauf angemessener wäre. Gleichzeitig könnte ich diese kurzfristige Form der Kommunikation aber auch akzeptieren, wenn ich mich auf ein technisches System wie Facebook und die Kommunikation über dieses Medium einlasse. Dadurch wird ein Interaktionsprozess mit Studierenden angestoßen, der ohne Medieneinsatz anders ausgeprägt ist. Das Gleiche passiert, wenn ich auf Twitter poste und Studierende auf meinen Tweet antworten. Dort ergibt sich eine Kommunikationsebene, die sich nicht ausschließlich auf die Lehrveranstaltung bezieht. Dort agiere ich nicht per se in meiner Rolle als Lehrende – es entsteht eine andere Beziehung zwischen meiner Person und der des Studierenden. Das ist für mich das Spannende, wenn wir über Vorteile reden.



Wenn Sie die Vorteile so betonen, welche Nachteile gibt es bei der verstärkten Mediennutzung?


Hofhues: Häufig wird davon ausgegangen, dass Lehre durch Mediennutzung oder durch den Einsatz digitaler Medien effizienter wird und dass man bestimmte Szenarien kostengünstiger produzieren kann. Das halte ich – wenn überhaupt – nur für einen kurzfristigen Effekt. Auf lange Sicht hin wird Lehre sogar eher teurer, da man mehr Planungsaufwand hat: Wenn wir auf vielen verschiedenen Wegen miteinander kommunizieren, dann werden uns neben normalen Planungs- und Vortragstätigkeiten vor allem Zeit und damit Ressourcen für die Begleitung und Interaktion mit Studierenden abverlangt.

Titelbild: Christmas Ball Background / www.vectorbackground.net (CC-BY 3.0)
Pierre Lognoul / flickr.com (CC-BY-NC-ND 2.0)
Fotos im Text: Queen’s University / flickr.com (CC-BY-NC-ND 2.0)
Niall Kennedy / flickr.com (CC-BY-NC 2.0


Redaktionelle Umsetzung: Felix Lennart Hake

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