Bankensektor

Die neue Strategie der Deutschen Bank

Oder ist es vermessen, überhaupt nach irgendwelchen Gründen für die neue Strategie zu suchen – außer dem, dass die Deutsche Bank wirklich mehr Eigenkapital braucht und der neue Vorstand zeigen muss, dass er auch initiativ sein kann und sich nicht immer nur mit juristischem Ärger herumschlagen muss.

Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard H. Schmidt
Gastprofessor für International Banking
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard H. Schmidt

    Reinhard H. Schmidt, 1946 geboren, ist seit 1998 Professor für Internationales Bank und Finanzwesen an der Goethe Univeristät in Frankfurt am Main, wo er heute die House of Finance-Seniorprofessur innehat. Nach Promotion und Habilitation in Frankfurt zog es ihn zunächst nach Göttingen und Trier, aber auch beispielsweise an die Georgetown University, bevor er nach Frankfurt zurückkehrte. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Institutionenökonomie, Finanzierungstheorie, Internationale Finanzregulierung und Finanzsysteme in Industrie- und Entwicklungsländern. In den letzten Jahren hat er insbesondere Arbeiten über den Vergleich der Finanzsysteme in Europa und zur Entwicklungsfinanzierung veröffentlicht. Seit April 2015 ist Schmidt Gastprofessor für International Banking.

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Lange war eine neue Strategie der Deutschen Bank angekündigt worden. Am vergangenen Montag wurde sie von den beiden Co-Vorsitzenden des Vorstandes, Anju Jain und Jürgen Fitschen, endlich verkündet. Ihr wichtigster Punkt: Die vor etwa fünf Jahren erworbene Aktienmehrheit an der Postbank AG soll wieder verkauft und damit die Postbank aus dem Konzern ausgegliedert werden. Dazu kommt die Absicht, Risiken im Investment Banking abzubauen und in fast allen Teilen der Bank die Kosten zu senken. Nach einer dynamischen, expansiven Strategie klingt das nicht gerade, eher nach Rückzug, nach einem bewussten Schrumpfen. Und das ist es ja auch. 


Letztlich zielen alle geplanten Maßnahmen darauf ab, die Eigenkapitalausstattung der Deutschen Bank zu verbessern: im Vergleich zu dem, was die Bankenaufseher angesichts der Risikoposition der Bank fordern, und dem, was „der Kapitalmarkt“ erwartet. Der Verkauf der Postbank – wenn er denn gelingt – brächte der Deutschen Bank in der Tat Eigenkapital ein. Die Verringerung von Risiken würde – wenn sie denn erreicht wird – tatsächlich den regulatorischen Bedarf an Eigenkapital senken, also die relative Kapitalausstattung verbessern. Und auch die allgemeine Kostensenkung würde – wenn sie denn gelingt – den Gewinn steigern und das Eigenkapital erhöhen.

Die Deutsche Bank AG ist das nach Bilanzsumme und Mitarbeiterzahl größte Kreditinstitut Deutschlands und gilt als eine der prestigeträchtigsten und einflussreichsten Banken der Welt. Neben dem Sitz in Frankfurt am Main unterhält die Universalbank Niederlassungen in London, New York City, Singapur, Hongkong oder Sydney und ist mit einem Marktanteil von etwa 21 Prozent der größte Devisenhändler der Welt. Die Bank wurde 1870, ein Jahr vor der Gründung des Deutschen Kaiserreiches, in Berlin, wo sie auch bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ihren Sitz hatte, gegründet. Sie entwickelte sich im 20. Jahrhundert unter anderem durch Übernahmen und Fusionen zur Großbank.
Die Deutsche Bank AG ist das nach Bilanzsumme und Mitarbeiterzahl größte Kreditinstitut Deutschlands und gilt als eine der prestigeträchtigsten und einflussreichsten Banken der Welt. Neben dem Sitz in Frankfurt am Main unterhält die Universalbank Niederlassungen in London, New York City, Singapur, Hongkong oder Sydney und ist mit einem Marktanteil von etwa 21 Prozent der größte Devisenhändler der Welt. Die Bank wurde 1870, ein Jahr vor der Gründung des Deutschen Kaiserreiches, in Berlin, wo sie auch bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ihren Sitz hatte, gegründet. Sie entwickelte sich im 20. Jahrhundert unter anderem durch Übernahmen und Fusionen zur Großbank.

Vergleicht man die Deutsche Bank mit anderen international tätigen Großbanken, dann sieht man schnell: Ja, die Eigenkapitalausstattung ist einfach schlecht und deshalb muss etwas passieren. Was jetzt als neue Strategie verkündet worden ist, würde durchaus diesem Zweck gerecht, sie geht insofern also in die richtige Richtung. Die von der Bankenaufsicht festgelegten Bedingungen zu erfüllen ist natürlich wichtig. Aber das allein macht noch keine „neue Strategie“ aus, jedenfalls keine, deren Verkündung den Aktienmarkt zu Beifallskundgebungen veranlassen könnte. 


Aber einmal abgesehen von Eigenkapitalanforderungen der Aufseher: Was bedeutet das, was als neue Strategie verkündet wird, aus strategischer Perspektive? Ist die neue Strategie wirklich neu und ist sie gut? Stärkt sie die Marktstellung der Deutschen Bank, eignet sie sich dazu, den Gewinn zu steigern? Was bedeutet sie für Kunden und Mitarbeiter, und würde sie auch zu der dringend notwendigen Verbesserung der Börsenbewertung der deutschen Bank führen? Auf all diese Fragen hätten die Betroffenen und die Öffentlichkeit gern Antworten – und von der Deutschen Bank bekommen sie sie nicht.

Das Wichtigste ist der geplante Verkauf der Anteilsmehrheit an der Postbank. Was ist davon zu halten? Als die Deutsche Bank vor etwas mehr als fünf Jahren, kurz nach der Finanzkrise, unter ihrem damaligen Chef Josef Ackermann die schon bestehende Beteiligung an der Postbank aufstockte, erwartete man sich davon zwei Vorteile für den ganzen Konzern: eine Risikominderung und eine Ertragssteigerung: Das Risiko sollte geringer werden, weil man erwartete, dass das eher biedere und stabilere Retail-Banking-Geschäft der Postbank den Gesamtertrag der zu investment-banking-lastig gewordenen Deutschen Bank stabiler und risikoärmer machen würde. Die Aktionäre würden dies positiv bewerten, weil sie – durchaus mit Recht - die Deutsche Bank schon lange für zu riskant gehalten hätten. Ob diese Überlegung damals richtig war, weiß man nicht, aber abwegig war sie keinesfalls.

Die Deutsche Post kann mehr als Briefe und Päckchen zustellen - denn seit 1995 kann die Post auch Banking. In diesem Jahr wurde die Deutsche Postbank AG gegründet, die aus der zweiten Postreform im Vorjahr als Geschäftsbank hervorging. Heute ist das Kreditinstitut mehrheitlich im Besitz der Deutschen Bank und tritt unter dem Kurznamen Postbank in der Öffentlichkeit auf. Nach gut zehn Geschäftsjahren wurde im September die Suche nach einem Fusionspartner erfolgreich beendet. Die Deutsche Bank hatte angekündigt, innerhalb von drei Jahren 50 Prozent des Unternehmens zu erwerben. Der Kauf wurde damals mit 8 Milliarden Euro bewertet. Im Jahr 2011 führte die Postbank 5,01 Millionen Privatgirokonten, betrieb 1.100 eigene Filialen, 3000 mobile Berater und 4.500 Partnerfilialen. Sie beschäftigt knapp 20.000 Mitarbeiter und verfügt über eine Bilanzsumme von 193,82 Milliarden Euro.
Die Deutsche Post kann mehr als Briefe und Päckchen zustellen - denn seit 1995 kann die Post auch Banking. In diesem Jahr wurde die Deutsche Postbank AG gegründet, die aus der zweiten Postreform im Vorjahr als Geschäftsbank hervorging. Heute ist das Kreditinstitut mehrheitlich im Besitz der Deutschen Bank und tritt unter dem Kurznamen Postbank in der Öffentlichkeit auf. Nach gut zehn Geschäftsjahren wurde im September die Suche nach einem Fusionspartner erfolgreich beendet. Die Deutsche Bank hatte angekündigt, innerhalb von drei Jahren 50 Prozent des Unternehmens zu erwerben. Der Kauf wurde damals mit 8 Milliarden Euro bewertet. Im Jahr 2011 führte die Postbank 5,01 Millionen Privatgirokonten, betrieb 1.100 eigene Filialen, 3000 mobile Berater und 4.500 Partnerfilialen. Sie beschäftigt knapp 20.000 Mitarbeiter und verfügt über eine Bilanzsumme von 193,82 Milliarden Euro.

Eine Ertragssteigerung sollte daraus entstehen, dass zumindest einige Investment-Banking-Produkte zumindest an einige Postbankkunden verkauften werden könnten und – innerhalb regulatorischer Grenzen – Spargelder der Postbank zur Finanzierung anderer Geschäfte der Deutschen Bank genutzt werden könnten. Auch diese Überlegung war vielleicht nicht zwingend, aber wer das Geschäftsmodell der Deutschen Bank kennt, wird sie auch als recht plausibel einstufen: Die Deutsche Bank ist keine reine Investment-Bank wie Goldman-Sachs, sondern eine Universalbank, in der sich das traditionelle „commercial banking“ und das eher neue „investment banking“ gegenseitig ergänzen und unterstützen sollten. Soweit die damaligen Überlegungen. 


Gemessen an der deutlichen Gewichtsverschiebung hin zum Investmentbanking in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts war der Kauf der Postbankmehrheit am Ende des Jahrzehnts ein Schritt zurück zu dem Modell der Universalbank. Folgt jetzt, fünf Jahre später, erneut ein Schritt zurück, diesmal wieder eher hin zur einseitigen Orientierung auf das Investment Banking? Ja, so scheint es zumindest, denn was genau den Vorstand dazu bewogen haben man, diesen Schritt vorzusehen, bleibt weitgehend im Dunkeln. Ich will drei mögliche Erklärungen ansprechen.

1. Möglicherweise zeigt der „Strategieschwenk“, dass die Argumente, die in der Zeit von Josef Ackermann dafür sprachen, die Postbank zu beherrschen und zu integrieren, auf einmal nicht mehr gelten. Aber welche Argumente sollen eigentlich aus welchen Gründen nicht mehr gelten? Vielleicht sieht es der heutige Vorstand ja so, aber er scheint es nicht nötig zu finden, seine Gründe öffentlich zu nennen und zu erläutern. Strategiewechsel ohne eine genaue Begründung kommen selten gut an. Es spricht nicht gerade für die Führung der Deutschen Bank, dass heute nicht mehr gelten soll, was gestern noch galt. 


2. Ein zweiter möglicher Grund, warum man die Integration der Postbank jetzt abgeblasen hat, obwohl daran seit Jahren mit enormem Aufwand gearbeitet worden ist, ist ganz einfach: Es gelingt nicht, das Mindestmaß an Integration zu erreichen, das erforderlich ist, um die erhofften Vorteile zu erreichen. Einfach gesagt: Die Integration gelingt nicht. Viele Millionen, die bisher allein für die Entwicklung einer einheitlichen IT-Plattform aufgewendet wurden, müssen wohl nun abgeschrieben werden. Wenn das der Grund für den Strategiewechsel ist, dann ist er wohl wirklich nötig gewesen. Freilich ist es besser, einen Fehler später zu korrigieren als nie. Aber warum hat man denn nicht viel früher erkannt, dass die Integration unmöglich oder zumindest viel zu teuer geworden wäre?

Jürgen Fitschen. Co-Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Bank, aufgewachsen in Hollenbeck bei Harsefeld, Abitur 1967. Danach Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann und Studium der Wirtschaftswissenschaften in Hamburg. 1987 fand er seinen Weg zur Deutschen Bank und stieg über Stationen in Hamburg, Bangkok und Tokio in die frankfurter Führungsetage auf. 2011 gab die Bank bekannt, dass Fitschen gemeinsam mit Anshu Jain ab 2012 den Vorsitz des Vorstandes übernahm und beide als "Doppelspitze" die Nachfolge von Josef Ackermann antraten. Aktuell steht er wegen versuchten Prozessbetrugs im Verfahren um Schadenersatz für die Erben des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch in München vor Gericht. Neben ihm auf der Anklagebank sitzen übrigens seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie zwei weitere Manager.
Jürgen Fitschen. Co-Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Bank, aufgewachsen in Hollenbeck bei Harsefeld, Abitur 1967. Danach Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann und Studium der Wirtschaftswissenschaften in Hamburg. 1987 fand er seinen Weg zur Deutschen Bank und stieg über Stationen in Hamburg, Bangkok und Tokio in die frankfurter Führungsetage auf. 2011 gab die Bank bekannt, dass Fitschen gemeinsam mit Anshu Jain ab 2012 den Vorsitz des Vorstandes übernahm und beide als "Doppelspitze" die Nachfolge von Josef Ackermann antraten. Aktuell steht er wegen versuchten Prozessbetrugs im Verfahren um Schadenersatz für die Erben des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch in München vor Gericht. Neben ihm auf der Anklagebank sitzen übrigens seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie zwei weitere Manager.

3. Wenn die beiden genannten Erklärungen nicht greifen, drängt sich eine dritte auf: Der Verkauf der Mehrheit an der Postbank ist ein Schritt zurück zur Dominanz der Investment-Bänker in der Deutschen Bank. Dem steht gegenüber, dass manche Teile des Investment-Banking zurückgefahren oder sogar ganz aufgegeben werden – und dass dadurch die Boni der Investmentbänker sinken. Man weiß es doch: In der Deutschen Bank gibt es seit Jahren einen Machtkampf zwischen denen, die das Investment-Banking stärken oder gar alles andere abschaffen wollen, und den „Traditionalisten“. Es gibt zwei Lager und zwei Vorstellungen davon, was für die Bank gut ist und wohin sie sich entwickeln soll. Postbank-Mehrheit verkaufen und einige besonders riskante und besonders umstrittene Investment-Banking-Aktivitäten zurückzufahren – das klingt nach einem Machtkampf zwischen den beiden Lagern, der nach der Devise vertagt wird, dass halt jede Seite ein bisschen nachgeben muss: „One for you, one for me“ – und insgesamt eher weiter wie bisher! 


Oder ist es vermessen, überhaupt nach irgendwelchen Gründen für die neue Strategie zu suchen – außer dem, dass die Deutsche Bank wirklich mehr Eigenkapital braucht und der neue Vorstand zeigen muss, dass er auch initiativ sein kann und sich nicht immer nur mit juristischem Ärger herumschlagen muss.

Titelbild: Andreas Wecker / flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)

Bilder im Text: Björn Láczay / flickr.com (CC BY-SA 2.0)

2014-07-24 Zentrale Deutsche Postbank AG,

Friedrich-Ebert-Allee 114-126, Bonn-Gronau IMG 2178

von © Eckhard Henkel, Lizensiert unter CC BY-SA 3.0 DE

über Wikimedia Commons.

Bankenverband - Bundesverband deutscher Banken / flickr.com (CC BY-ND 2.0)


Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard H. Schmidt

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm und Alina Zimmermann

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