In unserer Gegenwart der eifersüchtig-engen Identitätsansprüche, des Vertrauens auf allgemeinverbindlich ,ethische‘ Lösungen aller offenen Probleme und der Verschanzung hinter den Denkverboten politischer Korrektheit haben wir den Mut zu Diderot-artig zentrifugaler Dynamik, zu tabubrechender Taktlosigkeit und zur Risikofreudigkeit des Denkens fast verloren.

Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht
Gastprofessur für Literaturwissenschaften
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht

    Der gebürtige Würzburger Professor Dr. Hans Ulrich Gumbrecht ist ständiger Gastprofessor für Literaturwissenschaften an die Zeppelin Universität. Er studierte Romanistik, Germanistik, Philosophie und Soziologie in München, Regensburg, Salamanca, Pavia und Konstanz. Seit 1989 bekleidete er verschiedene Professuren für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften der Stanford University. Einem breiteren Publikum ist er bereits seit Ende der 1980er-Jahre durch zahlreiche Beiträge im Feuilleton vor allem der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Neuen Zürcher Zeitung sowie durch seine Essays bekannt. Darin befasst er sich immer wieder auch mit der Rolle des Sports. Gumbrecht ist bekennender Fußballfan und Anhänger von Borussia Dortmund.  

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Tägliches Glück war es, über mehrere Monate des letzten Gymnasialjahrs in Paris zur Schule gehen zu können, wo 1967 die Fronten der Gebäude noch nicht vom einheitlichen Schwarzgrau gereinigt waren, ein silberhaariger Lehrer aus dem Elsass uns mit ebenso viel Enthusiasmus wie Geduld in die Werke der französischen Philosophen einführte und, was in meiner bayerischen Heimatstadt ganz undenkbar gewesen wäre, einer seiner Kollegen als Mitglied der Kommunistischen Partei Geschichte aus entschiedener „Klassenkampf“-Perspektive lehrte. Bildung war ein Prozess von weltoffener Wachheit.


Auf dem Weg zum Lycée Henri IV gegenüber dem Panthéon kam ich regelmäßig an der grünlich verwitterten Statue von Denis Diderot vorbei, der im Philosophieunterricht als einer der „drei großen Intellektuellen der nationalen Aufklärung“ abgehandelt wurde, ohne viel Profil zu gewinnen, während mir sein Metallgesicht besonders sympathisch war – und rätselhaft. Dies muss der Grund gewesen sein, warum ich beim Münchner Studienbeginn im folgenden Herbst neben allen möglichen Veranstaltungen über „linke“ Themen, wie es sich damals gehörte, auch ein Proseminar zu Diderots „Ästhetischen Schriften“ belegte, ein kurzes Referat zu seiner überschwänglichen Lobrede auf den englischen Romancier Samuel Richardson hielt und immer noch nicht recht wusste, warum mich dieser Autor so faszinierte. Voltaires Lebensleistung, das war klar, lief in seinen Beiträgen zur Ausbildung der Öffentlichkeit zusammen, vor allem in Zehntausenden von Briefen, die, von den Zeitgenossen abgeschrieben und laut verlesen, noch die Politiker des 19. Jahrhunderts inspirierten. Jean-Jacques Rousseau galt den Radikalen der Französischen Revolution wie den totalitären Ideologen des 20. Jahrhunderts als Meisterdenker der Gleichheit.


Diderot hingegen ist bis heute bloß ein Lieblingsautor der verschiedenen Nachwelten geblieben, für dessen Bedeutung es nie eine kompakte Formel oder einen besonderen historischen Ansatzpunkt gab.

Auf dem Landsitz der Schwiegermutter von d’Holbach, dem Château du Grand Val im heutigen Pariser Außenbezirk Sucy-en-Brie, verbrachte Diderot häufig die Sommer. Er wohnte in der ersten Etage des rechten Flügels. Das Gebäude wurde 1949 zerstört, eine Postkarte aus dem Jahr 1907 zeigt den Ort.
Auf dem Landsitz der Schwiegermutter von d’Holbach, dem Château du Grand Val im heutigen Pariser Außenbezirk Sucy-en-Brie, verbrachte Diderot häufig die Sommer. Er wohnte in der ersten Etage des rechten Flügels. Das Gebäude wurde 1949 zerstört, eine Postkarte aus dem Jahr 1907 zeigt den Ort.

Deshalb wohl hat das Handbuchwissen die zweieinhalb Jahrzehnte nach 1747, als er Herausgeber der großen und Maßstäbe setzenden „Encyclopédie“ der Aufklärung war, ins Zentrum seines Lebensprofils gerückt und ihn damit zu einem Helden beflissener Wissensvermittlung gemacht, der er nicht sein konnte und wollte. Heute wissen wir, dass Diderot die tägliche Mühe des Schreibens und Korrigierens der siebzehn Bände füllenden Artikel auf den Chevalier Jaucourt als sein Faktotum abgeladen hatte und mit seiner brillanten Präsenz dem Projekt in den Pariser Salons eine Aura gab, die prominente Autoren zur Mitarbeit motivierte.


Sein aus heutiger Sicht erstaunlichster inhaltlicher Beitrag ist das auf eine Werbe-Ankündigung zurückgehende Stichwort „Encyclopédie“, in der Diderot konstatierte, dass man auf eine der Weltwahrheit entsprechende Einheitsstruktur des Wissens als Grundlage des Unternehmens nicht setzen könne – und zugleich ironisch, wie im Blick auf die Zensur, vorsichtig hinzufügte, dass sie, „wenn überhaupt, wohl allein im Geist Gottes existiere“.


Hingegen schreiben seine bis heute hochgepriesenen Artikel zu den politischen Begriffen der eigenen Zeit eigentlich nur die bis 1789dominierende Aufklärungsmeinung fort, dass Monarchen und Aristokraten nun geneigt seien (oder geneigt sein sollten), „ihre eigene Macht zurückzunehmen, um dem Volk einen Spielraum zur Beteiligung an der Gestaltung von Gesellschaft einzuräumen“. Diderots intellektuelle Leidenschaft aber, darauf nimmt das Wort Métiers im Untertitel der „Encyclopédie“ Bezug („Dictionnaire Raisonné des Sciences, des Arts et des Métiers“), galt der praktischen Welt der Berufe und Werkstätten, die er in Tausenden von Stichen für die elf Illustrationsbände („Planches“) dokumentieren ließ und deren implizites Wissen er in Besuchen vor Ort und in Gesprächen mit den Handwerkern zum ersten Mal auf Begriffe brachte, „um über prägnante Beschreibungen am Ende auch die Praxis derer zu verbessern, die unsere Welt in Wirklichkeit hervorbringen“. Eher als politische Machtträume der Bourgeoise seiner Zeit auszubuchstabieren, nahm er so das kapitalistische 19. Jahrhundert vorweg.

Die Biografen freilich haben Diderot einen symbolischen Lorbeerkranz vor allem aus den vier Monaten gewunden, die er 1749 in einer (tatsächlich wenig beengenden) Festungshaft verbrachte, weil die Zensurbehörde zu Recht geschlossen hatte, dass in den materialistischen Reflexionen seines „Briefs über die Blinden“ für einen Gott kein Platz mehr sei. Dort hatte er etwa dem damals berühmten, blindgeborenen britischen Mathematiker Nicholas Saunderson eine Sterbeszene angedeihen lassen, in der er sich „nach Ruhe ohne Bewusstsein“ sehnte. Andererseits scheint es den Aufklärungsforschern fast peinlich zu sein, dass Diderot die letzten achtzehn Jahre seines Lebens ohne finanzielle und politische Sorgen arbeiten konnte dank der Unterstützung der ihn bewundernden russischen Zarin Katharina der Großen. Sie kaufte 1766 seine Bibliothek, bezahlte ihm fünfzig Jahresgehälter im Voraus für deren Erhaltung und verfügte, dass die Bücher nach seinem Tod nach Sankt Petersburg übergeführt werden sollten.


Dort verbrachte Diderot, der nicht gerne reiste, die Monate von Oktober 1773 bis März 1774, traf sich wöchentlich mehrfach mit der Monarchin, extemporierte über Themen und Fragen, die sie ihm vorgab (etwa zur „Zukunft der Erziehung von Frauen“), und fasste bis zum jeweils nächsten Treffen seine Ausführungen in elegant geschriebenen, wenn auch naturgemäß nicht immer innovativen Dossiers zusammen (was zum Beispiel die Frauenerziehung anging, so blieb es bei der Betonung ihres Anrechts auf Bildungsgleichheit). Nicht nur von seinem Intellekt war die aller Männlichkeit zugewandte Zarin beeindruckt, wie sie an eine französische Aristokratin schrieb, sondern auch von seiner robusten Lebhaftigkeit: „Euer Diderot ist ein außergewöhnlicher Mann. So stark gestikuliert er, dass meine Schenkel nach unseren Gesprächen blaue Flecken haben und ich mich verpflichtet sah, einen kleinen Tisch zwischen uns stellen zu lassen, um mich und meine Körperteile zu schützen.“


Statt sich an feste institutionelle Strukturen und Hierarchien zu halten, füllte Diderot energisch die Gegenwart jener neuen Lebenssituation aus. Hatte er über Jahre neben der Arbeit an der „Encyclopédie“ seinen Lebensunterhalt vor allem durch Beiträge für die „Correspondance littéraire“ bestritten, mit der sein Freund Melchior Grimm eine Handvoll europäischer Hochadliger über die kulturellen Ereignisse in Paris auf dem Laufenden hielt, so kümmerte er sich als Gehaltsempfänger der russischen Botschaft in Paris kaum noch darum, seine Texte zu publizieren. An manchen Manuskripten arbeitete er über viele Jahre mit immer neuen, manchmal gegenläufigen Akzentuierungen – „Rameaus Neffe“ zum Beispiel wurde als Satire auf die kirchennahen Intellektuellen-Feinde („les anti-philosophes“) aufgenommen und geriet am Ende zu einem ironischen Kommentar über die Aufklärerkonventionen. Andere Texte ähnlicher Länge, wie etwa „D’Alemberts Traum“, gelangen ihm in wenigen Tagen und ließen ein Temperament zum Vorschein kommen, dessen Effekte nicht wenige Leser für „taktlos“ hielten.

Das Gemälde „Un dîner de philosophes“ von Jean Huber aus dem Jahr 1772: Dargestellt ist ein imaginäres Abendessen in Ferney, das so nie stattgefunden hat, Voltaire in der Mitte mit erhobener Hand, Diderot rechts außen. Diderot war lange ein Bewunderer Voltaires, so lobte er dessen Verhalten in der Affäre Jean Calas. Das Verhältnis wurde später distanzierter. Im Februar 1778 weilte Voltaire zur Uraufführung seines Stücks Irène in Paris. Ob er dabei auch Diderot traf, ist umstritten.
Das Gemälde „Un dîner de philosophes“ von Jean Huber aus dem Jahr 1772: Dargestellt ist ein imaginäres Abendessen in Ferney, das so nie stattgefunden hat, Voltaire in der Mitte mit erhobener Hand, Diderot rechts außen. Diderot war lange ein Bewunderer Voltaires, so lobte er dessen Verhalten in der Affäre Jean Calas. Das Verhältnis wurde später distanzierter. Im Februar 1778 weilte Voltaire zur Uraufführung seines Stücks Irène in Paris. Ob er dabei auch Diderot traf, ist umstritten.

In drei fiktionalen Dialogen zwischen dem Mathematiker Jean-Baptiste le Rond d’Alembert, seinem Mitherausgeber während der ersten Jahre des „Encyclopédie“-Projekts, ihm selbst als selbstironisch trockenem Philosophen, d’Alemberts Geliebter, Mademoiselle de Lespinasse, und dem Arzt de Bordeu, der als Entdecker der diagnostischen Relevanz des Pulsschlags in die Medizingeschichte eingegangen ist, spekulierte Diderot nicht nur den Materialismus als ein neues Weltbild aus, in dem Leben und Geist allein aus Atomen entstehen sollten. Er breitete vor den Lesern auch die Geschichte von der Geburt d’Alemberts als Kind einer Äbtissin und eines adligen Vaters aus, erfand eine erotische Romanze zwischen seiner Geliebten und dem Doktor de Bordeu und beschrieb den als linkisch bekannten Mathematiker, wie er, im Fiebertraum masturbierend, sexuelle Befriedigung findet: „Er atmete mit wachsender Intensität“, notierte beinahe neidisch Mademoiselle de Lespinasse, „bäumte sich für einen Moment auf, kam dann auf seine rechte Seite zu liegen, atmete ruhiger und schlief mit dem Ausdruck glücklicher Erschöpfung ein.“


Von einem Salonbesucher auf den Text und solche Passagen aufmerksam gemacht, verlangteverlangte d’Alembert die Zerstörung des Manuskripts. Diderot entschuldigte sich, versprach, der Aufforderung nachzukommen – und ließ die Dialoge wenige Jahre später (noch vor d’Alemberts Tod) in der „Correspondance littéraire“ zirkulieren. Trotzdem hielt er sich selbst erstaunlicherweise für scheu und reagierte immer wieder mit Panik auf die Befürchtung, Freunde zu verlieren. So war er mit fast allen Protagonisten der Salonwelt von Paris verbunden, die er nur ab und an für wenige Tage verließ, um die orthodox-katholischen Mitglieder seiner Ursprungsfamilie in Langres, nordöstlich der Hauptstadt, zu besuchen. Die Beziehung zu seiner brillentragenden Geliebten, Sophie Volland, lebte er nach gedämpft erotischen Anfängen in einem über Jahrzehnte höchst lebendigen Briefwechsel aus, in dem Diderot buchstäblich litt, wenn nicht jede seiner eigenen Botschaften eine schnelle und begeisterte Antwort fand.


Doch die manchmal stumme, manchmal zeternde Mitte seiner Existenz blieb bis zum Tod die vier Jahre ältere, streng religiöse Gattin „aus niederem Stand“, mit der ihn permanent schlechte Laune und Angélique verband, das einzige überlebende ihrer vier Kinder. Niemanden liebte Diderot so sehr wie diese Tochter. Ihre Bildung war das ihm wichtigste Lebensanliegen: „Ich frage Dich und ich frage alle meine Freunde“, schrieb er an Sophie Volland, „ob es wohl richtig war, mit Angélique über die intimen Kontakte zwischen Frauen und Männern zu reden – sie jedenfalls hat mit so erstaunlicher Reife reagiert.“ Seinen von der Zarin ermöglichten Reichtum verwandelte Diderot in eine Mitgift, die Angéliques Heirat mit einem Aristokraten möglich machte. Zwei Kinder gingen aus ihrer Ehe hervor, die im Kontext jener Zeit „glücklich“ zu nennen war – und weil die Familie dem alternden Diderot einen nicht mehr fassbaren Schmerz ersparen wollte, starb er, ohne zu wissen, dass ihm seine Enkelin im Tod vorausgegangen war.

Ein ähnlich festes Zentrum wie seine Familie lässt sich für das Werk nicht ausmachen, denn eigentlich war kein Phänomen vor Diderots Interesse sicher, und jede Wahrnehmung oder Erfahrung gab er der Welt, um neue Töne oder Einsichten verändert, zurück. Als es nach 1750 zu einem Habitus für Intellektuelle wurde, sich selbst beim Weltbeobachten zu beobachten, was zu einem Bewusstsein von potenziell unendlicher Perspektiven-Vielzahl führte, reagierten die meisten der heute kanonisch gewordenen Aufklärer auf die daraus entstehende Weltkomplexität mit einem Diskurs, der die Welt in permanenter, aber „notwendiger“ und mithin prognostizierbarer („geschichtsphilosophischer“) Bewegung sehen wollte. Diderot hingegen genoss es, sich der neuen Weltkomplexität auszusetzen (auf ihr zu „surfen“, wie wir heute sagen würden). Davon handelt der Dialog zwischen „Jacques, dem Fatalisten, und seinem Herrn“, in dem er sich – was in seiner Gegenwart durchaus die Ausnahme war – über den Diener (nicht den Herrn) lustig machte, der an die Vorbestimmung allen Geschehens „in einer höheren Sphäre und ihrem Text“ glaubte.


Aber auch an der geschichtsphilosophischen Obsession war Diderot kaum gelegen, die Erfahrung und das Erleben der materiellen Welt – hegelianisch – in Begriffen und in Wissen „aufzuheben“. Dafür war ihm die Welt der konkreten Dinge zu wichtig.


Wenn Geschichtsphilosophen à la Hegel und Marx mit dem Gedanken, dass Revolutionen einer „Vorbereitung“ bedürfen, das 18. Jahrhundert am Ende zu einer solchen Vorbereitung gemacht und als „Aufklärung“ kanonisiert haben, so stand – und steht –Diderots Denken an der Peripherie dieser Bewegung. Statt eine spezifische Form oder gar eine Methode der Reflexion zu begründen, die aus der Analyse der Vergangenheit durch die Gegenwart in die fortgesetzte Bestimmung der Zukunft führen soll, hat er eine in viele verschiedene Richtungen strebende intellektuelle Energie freigesetzt, von der inspiriert, Autoren wie Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche und Martin Heidegger, aber auch Albert Camus, Jacques Derrida oder Gilles Deleuze seit mehr als zwei Jahrhunderten immer wieder die existierenden philosophischen Systeme herausgefordert und zum Kollabieren gebracht haben, um zu neuen Ansätzen des Denkens zu gelangen.


In unserer Gegenwart der eifersüchtig-engen Identitätsansprüche, des Vertrauens auf allgemeinverbindlich „ethische“ Lösungen aller offenen Probleme und der Verschanzung hinter den Denkverboten politischer Korrektheit haben wir den Mut zu Diderot-artig zentrifugaler Dynamik, zu tabubrechender Taktlosigkeit und zur Risikofreudigkeit des Denkens fast verloren – vielleicht nirgends mehr als in der europäisch-intellektuellen Mittelschicht. Eine solche Atmosphäre aber braucht unbekümmerte intellektuelle Energie, den Impuls zum Risiko – und vielleicht sogar zur Taktlosigkeit – des Denkens, um lebendig und produktiv zu bleiben. Sollte unsere Zeit endlich ein Diderot-Moment sein?


Dieser Beitrag ist am 18. Juli unter dem Titel „Intellektuelle Explosion“ in der Wochenzeitung „Die Weltwoche“ erschienen.

Titelbild: 

Louis-Michel van Loo (Public Domain) | Link


Bilder im Text: 

| B.F. Paris / Société Historique et Archéologique de Sucy-en-Brie (Public Domain) | Link

Jean Huber / Stanislasurbietorbi.com (Public Domain) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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