Trump auf Twitter

Der Maskenträger

von Prof. Dr. Andrea Schneiker | Zeppelin Universität
11.01.2021
So absurd seine Beleidigungen anderer und sein unbegrenztes Selbstlob erscheinen mögen, sie sind Teil eines konsistenten Narrativs von Donald Trump als Anti-Politiker und Superheld, ja gar Erlöser.

Prof. Dr. Andrea Schneiker
Lehrstuhl für Global Governance
 
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    Prof. Dr. Andrea Schneiker

    Andrea Schneiker, aufgewachsen in der Nähe von Kassel, studierte Politikwissenschaft und Soziologie mit Schwerpunkt Europastudien an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und dem Institut d‘Etudes Politiques de Lille. Nach dem deutsch-französischen Doppeldiplomstudium promovierte sie am Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zur Selbst- und Koregulierung von Privaten Sicherheits- und Militärfirmen. Anschließend arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politische Wissenschaft der Leibniz Universität Hannover und am Institut für Interkulturelle und Internationale Studien der Universität Bremen, bevor sie eine Juniorprofessur für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen an der Universität Siegen übernahm. Aufenthalte als Gastforscherin führten sie unter anderem an das Center for European and Mediterranean Studies der New York University und an die Nijmegen School of Management der Radboud University. 

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In der politischen Kommunikation Donald Trumps, für die er insbesondere den US-amerikanischen Kurznachrichtendienst Twitter nutzte, zeigen sich verschiedene Muster, von denen eines ganz besonders deutlich ist: Trump stellt sich kontinuierlich als Anti-Politiker dar, der nichts mit dem „Establishment“ in Washington, D.C., zu tun hat, sondern ein gewöhnlicher Bürger ist. Gleichzeitig präsentiert sich Trump durchgehend als Superhelden, der die alltäglichen Probleme der US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner lösen kann. Dies ist kein Widerspruch, wie ich im Folgenden zeigen werde. Hierzu habe ich die Tweets des Accounts @realDonaldTrump zwischen März 2016 und Juli 2019 analysiert hat.


Donald Trump präsentiert sich als Anti-Politiker. Er benutzt den Begriff „Politiker“ als Schimpfwort und synonym für einerseits Unfähigkeit und andererseits Establishment. Seine Konkurrentinnen und Konkurrenten und/oder Parteigenossinnen und Parteigenossen werden von ihm als inkompetent angeklagt und als Teil der korrupten Elite des Landes degradiert, die keinerlei Ahnung davon hat, welche Probleme normale US-Bürgerinnen und US-Bürger haben, und die das Land in eine tiefe Krise gestürzt hat. Daher sei er, Donald Trump, ausgezogen, um „den Sumpf trockenzulegen“. Dazu ist Donald Trump seiner Darstellung nach wie keiner sonst in der Lage, denn er sei eben kein Politiker und somit nicht Teil des Establishments, sondern ein „outsider“ (7. November 2016) – gleichwohl er zumindest auf Basis seines Vermögens und Netzwerkes zur wirtschaftlichen Elite des Landes zu zählen ist. Trump gibt sich bürgernah, stellt sich als liebenden Familienvater und stolzen Ehemann dar, der weiß, worüber sich die Durchschnittsamerikanerin und der Durchschnittsamerikaner Sorgen machen und diese in ihrer Not nicht allein lässt. In diesem Sinne twitterte er zum Beispiel „I see you & I hear you. I am your voice” (27. Oktober 2016) sowie „I will fight for you” (25. Oktober 2016).

Mit mehr als 88 Millionen Anhängern und zehntausenden Tweets war wohl kaum ein Präsident so „zwitscherfreudig“ wie US-Präsident Donald Trump. Jetzt ist seine Präsenz im sozialen Netzwerk verschwunden; dauerhaft gesperrt. Damit fehlt dem scheidenden US-Präsidenten eine wichtige Kommunikationsplattform. Als Grund nannte Twitter das „Risiko einer weiteren Anstiftung zur Gewalt“. Trump warf Twitter daraufhin vor, sich mit den Demokraten verschworen zu haben, um ihn und seine Anhänger zum Schweigen zu bringen. Die Bundesregierung sieht die Sperrung des Kontos kritisch. Die Betreiber sozialer Netzwerke trügen zwar Verantwortung dafür, dass die politische Kommunikation nicht mit Hass und Anstiftung zur Gewalt vergiftet werde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Die Meinungsfreiheit als Grundrecht von elementarer Bedeutung könne aber nur durch den Gesetzgeber und nicht nach der Maßgabe von Unternehmen eingeschränkt werden. Deswegen sehe Kanzlerin Angela Merkel (CDU) es als problematisch an, dass die Konten des US-Präsidenten dauerhaft geschlossen worden seien.
Mit mehr als 88 Millionen Anhängern und zehntausenden Tweets war wohl kaum ein Präsident so „zwitscherfreudig“ wie US-Präsident Donald Trump. Jetzt ist seine Präsenz im sozialen Netzwerk verschwunden; dauerhaft gesperrt. Damit fehlt dem scheidenden US-Präsidenten eine wichtige Kommunikationsplattform. Als Grund nannte Twitter das „Risiko einer weiteren Anstiftung zur Gewalt“. Trump warf Twitter daraufhin vor, sich mit den Demokraten verschworen zu haben, um ihn und seine Anhänger zum Schweigen zu bringen. Die Bundesregierung sieht die Sperrung des Kontos kritisch. Die Betreiber sozialer Netzwerke trügen zwar Verantwortung dafür, dass die politische Kommunikation nicht mit Hass und Anstiftung zur Gewalt vergiftet werde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Die Meinungsfreiheit als Grundrecht von elementarer Bedeutung könne aber nur durch den Gesetzgeber und nicht nach der Maßgabe von Unternehmen eingeschränkt werden. Deswegen sehe Kanzlerin Angela Merkel (CDU) es als problematisch an, dass die Konten des US-Präsidenten dauerhaft geschlossen worden seien.

Doch Donald Trump zeigt sich nicht nur als bürgernaher Anti-Politiker. Er stellt sich gleichzeitig auch als eine Art Superheld dar. Trump reklamiert für sich, nicht nur die Probleme der Menschen zu erkennen, sondern auch – im Unterschied zu Politikerinnen und Politikern – in der Lage zu sein, sie zu lösen – und zwar besser als jede/r andere. Dabei inszeniert sich Trump als quasi omnipotenter Retter, der für die Menschen eintritt und sie erlöst, egal, um was es geht: „Nobody will protect our Nation like Donald J. Trump“ (26. März 2016); „I will be the best by far in fighting terror” (23. März 2016); „I will bring our jobs back to the U.S., and keep our companies from leaving. Nobody else can do it” (15. März 2016); „I know our complex tax laws better than anyone who has ever run for president and am the only one who can fix them” (2. Oktober 2016). Die Ergebnisse seines Handelns stellen dabei aus seiner Sicht alles Bisherige in den Schatten: „We have the Best Economy in History, the Best Employment Numbers in History, Most People Working in History, Highest Stock Market in History, Biggest Tax and Regulation Cuts in History.“ (23. Juli 2019) Entsprechend bezeichnet Trump sich als „great looking and smart, a true Stable Genius!” (11. Juli 2019) Dieses Genie hätte sogar die USA vor den Anschlägen des 11. September bewahrt: „I pointed him out in my book just BEFORE the attack on the World Trade Center. President Clinton famously missed his shot” (19. November 2018).

Dabei generiert sich Donald Trump nicht nur – ähnlich wie Superman – als gewöhnlicher Bürger, der seine einzigartigen Superkräfte nutzt, um das Volk und das ganze Land zu retten. Er nimmt sich dabei – wie James Bond – auch das Recht heraus, bestehende Regeln zu brechen, zum Beispiel mit Blick auf den Umgang mit anderen Politikerinnen und Politikern oder diplomatische Gepflogenheiten. Zudem präsentiert er sich und sein Handeln als einzige Option, um Amerika wieder groß(artig) zu machen.


So absurd seine Beleidigungen anderer und sein unbegrenztes Selbstlob erscheinen mögen, sie sind Teil eines konsistenten Narrativs von Donald Trump als Anti-Politiker und Superheld, ja gar Erlöser. Dieses Narrativ, regelmäßig wiederholt während der vergangenen vier Jahre, hat auch Implikationen für die Demokratie. Es beinhaltet ein Verständnis politischer Entscheidungsprozesse, das das autoritative Setzen von alternativen Fakten als Wahrheiten als den Königsweg proklamiert und den deliberativen Austausch und den Pluralismus von Ideen als falsch und als Irrweg degradiert. Es kann also nicht verwundern, dass seine Anhängerinnen und Anhänger für Donald Trump sogar das Herz der US-amerikanischen Demokratie stürmen, wenn dieses nun nicht mehr im Rhythmus ihres vermeintlichen Erlösers schlägt.


Dieser Beitrag ist eine Kurzfassung eines bereits 2018 erschienen Artikels. Andrea Schneiker: Telling the Story of the Superhero and the Anti-Politician as President: Donald Trump’s Branding on Twitter, in: Political Studies Review 17 (3), 210-223.

Titelbild: 

| Rod Long / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Bild im Text: 

| John Cameron / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Andrea Schneiker

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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