Bargeldabschaffung

Hat es sich bald ausgedruckt?

von Prof. Dr. Alexander Eisenkopf | Zeppelin Universität
14.07.2021
Zusammen mit anderen Interessengruppen versucht die Politik seit Jahr und Tag auf verschiedensten Wegen, die Nutzung von Bargeld zurückzudrängen und damit die Freiheit der Bürger einzuschränken.

Prof. Dr. Alexander Eisenkopf
ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Verkehrspolitik
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Alexander Eisenkopf Alexander Eisenkopf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion über Just in Time-orientierte Fertigungs- und Logistikstrategien arbeitete und lehrte Eisenkopf in Gießen und Frankfurt. Seit 2003 ist Eisenkopf Professor an der Zeppelin Universität und Gastdozent an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Mobilität und Transportunternehmen.
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Ein Vorstoß der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) von Anfang Mai zur Reglementierung von Bargeldeinzahlungen bei Banken blieb in der Öffentlichkeit angesichts der die Medien dominierenden heftigen Diskussionen um die Corona- und Klimapolitik sowie der politischen Schaukämpfe im Vorfeld der im Herbst anstehenden Bundestagswahl weitgehend unbeachtet. Mittlerweile hat die BaFin ihre Auslegungs- und Anwendungshinweise zu dem im Februar vom Bundestag verabschiedeten „Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche“ in Kraft gesetzt. Mit diesem Gesetz wurde die entsprechende Richtlinie (EU) 2018/1673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 umgesetzt.


Das Gesetz bringt für die betroffenen Akteure besondere (Sorgfalts-)Pflichten bei ihrer Geschäftstätigkeit mit sich, nicht nur im Finanzsektor, sondern auch bei Immobilienmaklern oder Kunstvermittlern. Dabei geht es insbesondere um Meldepflichten, wenn – wie Juristen es ausdrücken – Tatsachen vorliegen, die darauf hindeuten, dass ein Vermögensgegenstand, der mit einer Geschäftsbeziehung im Zusammenhang steht, aus einer strafbaren Handlung stammt, die eine Vortat der Geldwäsche darstellen könnte.


Mit den nunmehr verabschiedeten Ausführungsbestimmungen für die Banken beabsichtigt die BaFin, die entsprechenden Sorgfaltspflichten der Banken im Bargeldverkehr zu konkretisieren. So sollen „regelmäßige Kunden“ der Bank bei Bargeldeinzahlungen ab 10.000 Euro grundsätzlich die Herkunft der Vermögenswerte über geeignete Dokumente nachweisen müssen. Bei Bartransaktionen unterhalb dieser Schwelle haben solche Maßnahmen nur „auf risikobasierter Basis“ zu erfolgen. Bei „Gelegenheitskunden“ würde die Schwelle sogar bei nur 2500 Euro liegen.


Nun wird „Otto Normalverbraucher“ sich die Augen reiben und wundern, wann er zuletzt mit solchen Summen in bar hantiert hat, außer er hat vielleicht gerade privat einen Gebrauchtwagen ge- beziehungsweise verkauft. Da Bargeldgeschäfte in dieser Größenordnung nicht die Lebenswirklichkeit der meisten Deutschen betreffen, wird eine solche Regelung auch regelmäßig nicht als Problem wahrgenommen. Möglicherweise erfährt sie sogar ausdrückliche Zustimmung, da die einschlägige Propaganda gegen das Bargeld schon länger das Bewusstsein der Öffentlichkeit manipuliert hat: Mit großen Summen von Bargeld hantieren doch nur (potenzielle) Verbrecher! Unkontrollierter Bargeldverkehr fördert Kriminalität, Schwarzarbeit, Drogen, Prostitution und Steuerhinterziehung und muss daher unbedingt reglementiert werden.

Die Corona-Krise hat modernen Bezahlmethoden einen Schub verliehen: 56 Prozent der Bundesbürger begleichen Rechnungen bereits kontaktlos mit ihrer Bankkarte, mit dem Smartphone oder mit beidem. Im Vorjahr waren es noch 47 Prozent, vor fünf Jahren sogar nur zehn Prozent. Dies sind Ergebnisse der repräsentativen Postbank Digitalstudie 2021. Beide Technologien nutzen die Deutschen vor allem aus Bequemlichkeit. Jeder zweite Mobile-Payment-Anwender und zwei von drei Kartennutzern finden die verwendete Methode einfacher und schneller als Bargeld. Ein weiterer Vorteil ist das geringere Infektionsrisiko: 39 Prozent der Mobile-Payment-Anwender und 47 Prozent der Kartennutzer bezahlen so, weil sie Corona-bedingt weniger mit Scheinen und Münzen hantieren möchten. „Die Deutschen werden auch nach Corona kontaktlos bezahlen“, sagt Thomas Brosch, Leiter Digital Vertrieb der Postbank. „Die Vorteile sind zu offenkundig. Wer sich daran gewöhnt hat, im Portemonnaie nicht mehr nach Münzen zu kramen, der will das auch dann nicht mehr tun, wenn die Infektionsgefahr gebannt ist.“
Die Corona-Krise hat modernen Bezahlmethoden einen Schub verliehen: 56 Prozent der Bundesbürger begleichen Rechnungen bereits kontaktlos mit ihrer Bankkarte, mit dem Smartphone oder mit beidem. Im Vorjahr waren es noch 47 Prozent, vor fünf Jahren sogar nur zehn Prozent. Dies sind Ergebnisse der repräsentativen Postbank Digitalstudie 2021. Beide Technologien nutzen die Deutschen vor allem aus Bequemlichkeit. Jeder zweite Mobile-Payment-Anwender und zwei von drei Kartennutzern finden die verwendete Methode einfacher und schneller als Bargeld. Ein weiterer Vorteil ist das geringere Infektionsrisiko: 39 Prozent der Mobile-Payment-Anwender und 47 Prozent der Kartennutzer bezahlen so, weil sie Corona-bedingt weniger mit Scheinen und Münzen hantieren möchten. „Die Deutschen werden auch nach Corona kontaktlos bezahlen“, sagt Thomas Brosch, Leiter Digital Vertrieb der Postbank. „Die Vorteile sind zu offenkundig. Wer sich daran gewöhnt hat, im Portemonnaie nicht mehr nach Münzen zu kramen, der will das auch dann nicht mehr tun, wenn die Infektionsgefahr gebannt ist.“

Räuberpistolen wie die Geschichte von der Großrazzia gegen einen Leverkusener Clan bieten genügend Anschauungsmaterial. Allerdings liegt das Bargeld von Kriminellen nicht zwangsläufig unter der Fußmatte eines Autos wie in diesem Fall oder wird im Garten vergraben, wo allerdings in Leverkusen erfolgslos gesucht wurde. Eine auch am Bodensee aktive Bande von kalabrischen Drogendealern hat dagegen das Geld aus ihren kriminellen Geschäften wohl in sogenannten Erdbunkern in ihrer Heimat vergraben und auch nicht bei einem Kreditinstitut ihres Vertrauens eingezahlt.


Zurecht haben die Verbände der betroffenen Kreditinstitute gegen die Neuregelung der Nachweispflichten bei Bargeldeinzahlungen protestiert. Sie verweisen darauf, dass Bargeld stigmatisiert werde, ohne dass dem ein entsprechender Mehrwert bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gegenüberstehe. Terroristen und Schwerverbrecher zahlen ja nicht typischerweise ihr Geld am Bankschalter ein. Zudem seien die Banken im Geschäftsverkehr regelmäßig vertraglich dazu verpflichtet, Bareinzahlungen auf Konten anzunehmen. Es gibt zudem auch noch Einzelhändler, die täglich ihre Einnahmen bei ihrer Hausbank abliefern. Die Banken fürchten allerdings primär die potenziellen Auseinandersetzungen mit ihren Kunden sowie den erheblichen Aufwand für die Umsetzung und Dokumentation ihrer Kontroll- und Sorgfaltspflichten – ein Erfüllungsaufwand, den man in der Gesetzesbegründung zur Reform des Geldwäschegesetzes wie so oft einfach negiert hat.


Damit greift ihre Kritik aber letztlich zu kurz und reicht nicht an den Kern des Problems: Dass die Politik zusammen mit anderen Interessengruppen seit Jahr und Tag auf verschiedensten Wegen versucht, die Nutzung von Bargeld zurückzudrängen und damit die Freiheit der Bürger einzuschränken. Aktuell sind Pläne bekannt geworden, dass die EU-Kommission ein Limit für Bargeldzahlungen von 10.000 Euro auf dem Verordnungswege einführen will, wovon etwa Deutschland betroffen sein wird, wo es eine solche Bargeldobergrenze noch nicht gibt. Auch eine neue EU-Behörde zum Kampf gegen Geldwäsche ist geplant. Bereits heute gilt die Regelung, dass Barmittel über 10.000 Euro bei der Ein beziehungsweise Ausreise in/aus der EU unaufgefordert schriftlich anzumelden sind; innerhalb der EU gilt nur eine mündliche Anzeigepflicht nach etwaiger Befragung durch den Zoll.


Man muss nicht gleich Verschwörungstheorien der Art anhängen, dass die Regierungen planen, über eine Digitalisierung des Geldsystems zusammen mit Social Scoring die Menschen gefügig zu machen, um die sich an verschiedenen Indizien ablesbare Entwicklung zu missbilligen. Vorgänge wie die Einflussnahme der chinesischen Regierung auf den (geplatzten) Börsengang des Fintech Ant (Alipay) und Planspiele im Bundesforschungsministerium könnten einen ja durchaus auf solche Ideen kommen lassen. Aber nein, ein Blick auf die Fakten und deren Einordnung in das Gesamtbild des aktuellen Wirtschafts- und Währungssystems zum Beispiel in Europa sollte genügen, um sine ira et studio vor einer weiteren Diskriminierung des Bargeldes zu warnen.

„Bargeld ist gedruckte Freiheit“ – dieses Zitat wird heute verschiedenen, zum Teil „umstrittenen“ Protagonisten zugeschrieben. Völlig unverdächtig ist in diesem Kontext allerdings Johannes Beermann, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank und dort auch für Zahlungsverkehr und Bargeld zuständig. Er spricht in einem Zeitungsinterview gerade diesen treffenden Satz aus und betont die Entscheidungsfreiheit der Bürger hinsichtlich der Wahl ihrer Zahlungsmittel. Außerdem verweist er auf die bekannte Tatsache, dass das Bezahlen mit Bargeld mehr „Schmerzen“ verursache als das Zücken einer Kreditkarte, bei der ja nur virtuelles Geld abgebucht wird, was zu einer selbstverständlichen Ausgabenkontrolle und Disziplinierung führt. Diesen Effekt machen sich umgekehrt alle Anbieter zunutze, die den Bezahlvorgang für den Kunden so einfach wie möglich machen. So hat Amazon das „Einkaufen ohne Kassen“ erstmals auf Supermarktgröße etabliert. In diesem einer Totalüberwachung unterliegenden „Selbstbedienungsladen ohne Kasse“ wird nach dem Verlassen einfach per App abgebucht. Man soll am besten gar nichts mehr vom Geldausgeben spüren, auch wenn am Ende des Kontos noch so viel Monat übrig ist.


Der Satz „Bargeld ist gedruckte Freiheit“ ist aber auch grundsätzlicher zu diskutieren. Zunächst ist festzuhalten, dass die frühere nationale und auch die heutige europäische Währungsverfassung Bargeld beziehungsweise Banknoten als ausschließliches gesetzliches Zahlungsmittel definieren. So sagt § 14 Abs. 1 Satz 2 Bundesbankgesetz ausdrücklich: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel“. Und selbst die deutsche Wikipedia formuliert: „Die ausgegebenen Euro-Banknoten sind das einzige unbegrenzte gesetzliche Zahlungsmittel und werden auf der Passivseite der Zentralbank-Bilanz ausgewiesen. Das verdeutlicht, dass Banknoten eine Forderung an das Zentralbanksystem darstellen. Für den Gläubiger ist in allen Staaten mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel ein Annahmezwang verbunden (man spricht auch von Annahmepflicht oder schuldbefreiendem Annahmezwang). Er muss EU-weit Eurobanknoten als Erfüllung seiner Geldforderung akzeptieren, da ,die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten die einzigen Banknoten sind, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten‘“.


Jeder Versuch, die Nutzung von Bargeld mit Einschränkungen oder Erschwernissen zu belegen – und davon gibt es mittlerweile zahlreiche, wie noch zu besprechen sein wird – ist damit ein Versuch, die Rolle des Bargeldes als alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel zu behindern, zu begrenzen oder gar zu diskreditieren. Warum ist das potenziell für die Bürger so gefährlich und daher kritisch zu sehen?

K.o. für Krypto-Währungen? Im Kampf gegen Geldwäsche will die EU-Kommission nicht nur eine Bargeldobergrenze einführen, sondern auch eine neue Überwachungsbehörde aufbauen – und die könnte auch neue Bezahlmethoden und Vermögenswerte ins Visier nehmen. Dokumenten zufolge, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen, soll die „Anti-Money Laundering Authority (AMLA)“ bei Verstößen gegen EU-Regeln sogar eigenständig Finanzsanktionen verhängen können. Zudem ist vorgesehen, dass sie die nationalen Aufsichtsbehörden koordiniert und sie dabei unterstützt, ihre Wirksamkeit bei der Durchsetzung des europäischen Regelwerks zu erhöhen. Zuvor war bereits bekannt geworden, dass die EU-Kommission für Zahlungen eine einheitliche Bargeldobergrenze von 10.000 Euro einführen will. Zudem beinhaltet das geplante Maßnahmenpaket gegen Geldwäsche auch den Vorschlag, die Vorschriften für Anbieter von Krypto-Dienstleistungen zu verschärfen. Dazu wird zum Beispiel die Zahlungsabwicklung gezählt.
K.o. für Krypto-Währungen? Im Kampf gegen Geldwäsche will die EU-Kommission nicht nur eine Bargeldobergrenze einführen, sondern auch eine neue Überwachungsbehörde aufbauen – und die könnte auch neue Bezahlmethoden und Vermögenswerte ins Visier nehmen. Dokumenten zufolge, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen, soll die „Anti-Money Laundering Authority (AMLA)“ bei Verstößen gegen EU-Regeln sogar eigenständig Finanzsanktionen verhängen können. Zudem ist vorgesehen, dass sie die nationalen Aufsichtsbehörden koordiniert und sie dabei unterstützt, ihre Wirksamkeit bei der Durchsetzung des europäischen Regelwerks zu erhöhen. Zuvor war bereits bekannt geworden, dass die EU-Kommission für Zahlungen eine einheitliche Bargeldobergrenze von 10.000 Euro einführen will. Zudem beinhaltet das geplante Maßnahmenpaket gegen Geldwäsche auch den Vorschlag, die Vorschriften für Anbieter von Krypto-Dienstleistungen zu verschärfen. Dazu wird zum Beispiel die Zahlungsabwicklung gezählt.

Grundsätzlich meint „Bargeld ist gedruckte Freiheit“, dass die Nutzung von Bargeld für wirtschaftliche Aktivitäten genau diese Freiheit manifestiert, insbesondere wenn Freiheitsrechte als Abwehrrechte gegen den Staat verstanden werden. Transaktionen können nach Belieben anonym vollzogen werden, wenn die Bürger dies wünschen und keine anderen zwingenden gesetzlichen Vorschriften dagegensprechen. Der Bürger muss sich insbesondere nicht rechtfertigen, wenn er Bargeld nutzt – es ist ja – wie gesagt – ausschließliches gesetzliches Zahlungsmittel.


Weder staatliche Institutionen noch Wirtschaftsunternehmen sind bei der Verwendung von Bargeld in der Lage, vollständige Nutzungsprofile von Bürgern beziehungsweise Kunden zu erstellen und gegebenenfalls gegen deren Willen für andere Zwecke einzusetzen, wie das bei ausschließlich bargeldlosen Zahlungen im Bankensystem möglich ist. Bargeld bietet sozusagen „kostenlose Datensicherheit“, wenn man von den selbstverständlichen vorhandenen üblichen Transaktionskosten der Bargeldnutzung abstrahiert. Es kann auch nicht passieren, dass in einem „Überwachungskapitalismus“ Menschen entsprechend der Historie ihrer digitalen Zahlungsströme etwa unterschiedliche Preise für Hotels oder Reisen zahlen müssen beziehungsweise gegebenenfalls von bestimmten Dienstleistungen ausgeschlossen werden könnten, auch wenn sie grundsätzlich liquide und solvent sind.


Wichtig ist, dass Bargeld die Option schafft, solch unerwünschte Entwicklungen erst gar nicht eintreten zu lassen. Anbieter von digitalen Bezahlsystemen sind ja nicht unterwegs, um den Kunden etwas Gutes zu tun, sondern um Geld zu verdienen. Auch den Banken ist die Bargeldnutzung schon immer ein Dorn im Auge, weil sie für sie kostenträchtig ist und insbesondere die Schöpfung von Geld im Bankensystem (Giralgeldschöpfung) behindert. Die propagierte höhere Bequemlichkeit digitaler Zahlungen für den Kunden wird an anderer Stelle bezahlt. Wie bei vielen digitalen Geschäftsmodellen wird selbstverständlich mit „Daten“ bezahlt. Wer das nicht möchte, weil er den Paternalismus des Staates oder die Lenkung seiner Konsumwünsche durch moderne Internetgiganten fürchtet, hat mit Bargeld eine solide Alternative.


Der besondere Stellenwert des Bargeldes in unserer Gesellschaft zeigt sich in Krisen und Ausnahmezeiten. So war im Zuge des ersten Corona-Lockdowns zu beobachten, dass die Bargeldnachfrage massiv gestiegen ist, ähnlich wie während der Lehman-Brothers-Krise im Herbst 2008. Die Europäische Zentralbank (EZB) bewertet dies als Ausdruck der Gewohnheit, Bargeld als Sicherheitsmaßnahme zu horten, um die Liquidität für einen „schlechten Tag“ in der Zukunft sicherzustellen. Gleichzeitig wurde in den Medien zeitweise die Sorge geweckt, dass das Coronavirus durch Bargeld übertragen werden könne. Im Ergebnis nahm die Bargeldnutzung allerdings ab; dies vor allem wegen der Verlagerung wirtschaftlicher Transaktionen ins Internet. Es dürfte aber fest in den Köpfen der Menschen verankert sein, dass man mit Bargeld jederzeit liquide ist, auch wenn Banken zusammenbrechen, Geldautomaten wegen eines Blackouts nicht mehr funktionieren oder Konten ohne Angabe von Gründen gesperrt beziehungsweise gekündigt werden.

Umgekehrt kann es natürlich ohne Bargeld nicht zu einem Bankrun kommen, wie er auch in der Eurozone bereits zu beobachten war. Ein fragiles und instabiles Finanz- und Währungskonstrukt wie die Eurozone wäre damit zumindest nach innen abgesichert; die äußere Flanke kann dann ergänzend über Kapitalverkehrskontrollen stabilisiert werden. Außerdem ist es möglich, ohne Bargeld problemlos negative Zinsen für alle festzusetzen, da für Bürger und Unternehmen keine Ausweichmöglichkeit mehr besteht. Mit ausschließlich digitalem Geld wäre sogar die Einführung eines sogenannten „Schwundgeldes“ vorstellbar, bei dem die Menschen Anreize haben, das Geld aufgrund des systematisch vorgesehenen Wertverlustes sofort auszugeben und auf diesem Wege angebliche Störungen des Wirtschaftskreislaufs durch das Horten von Geld verhindert werden.


Bereits heute wird die Schlinge bei diesem Thema enger gezogen, wie aktuelle Pressemeldungen nahelegen. So müssen alle Neukunden, die ein Privatkundenkonto bei der Deutsche-Bank-Marke „Postbank“ eröffnen, ab dem 21. Juni schon ab einem Guthaben von 50.000 Euro auf Girokonten und ab 25.000 Euro auf Tagesgeldkonten minus 0,5 Prozent „Verwahrentgelt“ zahlen. Ähnliche Regelungen sind bei vielen anderen Banken bereits etabliert oder werden aktuell vorbereitet, so auch bei der im Markt für Tagesgelder sehr stark vertretenen ING-Diba. Solche Negativzinsen lassen sich viel besser durchsetzen, wenn die Aufbewahrung von großen Bargeldbeträgen erschwert oder unmöglich gemacht wird.


Wir alle wissen, dass das Eurosystem aufgrund seiner Konstruktionsfehler fragil und krisenanfällig ist. Mit Negativzinsen und dem massiven Ankauf von Staatsanleihen versucht die EZB, Staatspleiten und Zusammenbrüche von Unternehmen zu verhindern beziehungsweise zu verzögern. Da sie die Zinsen nicht erhöhen kann, ohne aller Voraussicht nach einen Kollaps des Euroraums und eine veritable Wirtschaftskrise auszulösen, bleibt am Ende nur die Durchsetzung eines Negativzinses für alle Guthaben. Dem kann man sich nur schwer entziehen, wenn die Bargeldnutzung erschwert und Bargeldtransaktionen begrenzt oder sogar unmöglich gemacht würden.


Die Einstellung der Ausgabe von 500-Euro-Scheinen Ende 2018 war nur ein erster Schritt in diese Richtung. Niedrige Grenzen für Bar-Transaktionen in mehreren europäischen Ländern sprechen eine ähnliche Sprache. Und auch die Absenkung des Schwellenwertes für den anonymen Kauf von Gold oder Goldmünzen auf 2.000 Euro lässt sich dahingehend interpretieren, dass dem Bürger Fluchtmöglichkeiten für sein Vermögen vor der finanziellen Repression durch Inflation, Negativzins und Steuererhöhungen verstellt. Auf die Erklärungspflicht von Barmitteln jenseits von 10.000 Euro beim Verlassen der EU wurde bereits hingewiesen. Es sei daran erinnert, dass es auch in der modernen Wirtschaftsgeschichte private Goldbesitzverbote gab – nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland.


Ein Lerneffekt der handstreichartigen Außerkraftsetzung von Grundrechten im Zuge der Corona-Pandemiepolitik könnte sein, dass auch in einer schweren Wirtschafts- und Währungskrise der nicht mehr mögliche Zugriff das gesamte Fiatgeld zeigt, was eben dieses Geld ist: „Money out of thin air“.

„Nur Bares ist Wahres“: So lautete viele Jahre lang ein eisernes Sparcredo der Deutschen. Doch das könnte überholt sein, wenn sich die Schlinge um Münzen und Scheine enger zieht. Eine Alternative: Die Flucht in Rohstoffe, zum Beispiel ins Gold. Die neue Goldstudie der Reisebank und des „Research Center for Financial Services“ der Steinbeis-Hochschule Berlin zeigt, dass das Vertrauen in das beliebteste Edelmetall in diesem Jahr nochmals gewachsen ist. Vor allem die jungen Deutschen haben das Gold für sich entdeckt. Die Deutschen besitzen inzwischen mehr als 9.000 Tonnen Gold und damit 2,7-mal so viel wie die Bundesbank, deren Bestand nahezu gleichgeblieben ist. Deutsche (Privathaushalte und Bundesbank) halten damit 6,2 Prozent der weltweiten Goldvorräte – zu einem Gegenwert von derzeit mehr als 616 Milliarden Euro. Der Anteil der Deutschen (ab 18 Jahren), die Gold in Barren- oder Münzform als physische Wertanlage besitzen, ist auf 41,7 Prozent gestiegen (28,9 Millionen). Die Reisebank-Studie zeigt dabei erstmals, dass Gold gerade auch bei der jüngeren Generation als Anlageobjekt und Wertspeicher verstanden wird.
„Nur Bares ist Wahres“: So lautete viele Jahre lang ein eisernes Sparcredo der Deutschen. Doch das könnte überholt sein, wenn sich die Schlinge um Münzen und Scheine enger zieht. Eine Alternative: Die Flucht in Rohstoffe, zum Beispiel ins Gold. Die neue Goldstudie der Reisebank und des „Research Center for Financial Services“ der Steinbeis-Hochschule Berlin zeigt, dass das Vertrauen in das beliebteste Edelmetall in diesem Jahr nochmals gewachsen ist. Vor allem die jungen Deutschen haben das Gold für sich entdeckt. Die Deutschen besitzen inzwischen mehr als 9.000 Tonnen Gold und damit 2,7-mal so viel wie die Bundesbank, deren Bestand nahezu gleichgeblieben ist. Deutsche (Privathaushalte und Bundesbank) halten damit 6,2 Prozent der weltweiten Goldvorräte – zu einem Gegenwert von derzeit mehr als 616 Milliarden Euro. Der Anteil der Deutschen (ab 18 Jahren), die Gold in Barren- oder Münzform als physische Wertanlage besitzen, ist auf 41,7 Prozent gestiegen (28,9 Millionen). Die Reisebank-Studie zeigt dabei erstmals, dass Gold gerade auch bei der jüngeren Generation als Anlageobjekt und Wertspeicher verstanden wird.

Ein weiteres offizielles Projekt zur Marginalisierung der Bargeldnutzung ist der digitale Euro. Während es um das maßgeblich von Facebook betriebene Projekt der privaten Kunstwährung Libra (beziehungsweise heute Diem) schon lange sehr ruhig geworden ist, arbeitet die EZB kontinuierlich an der Einführung eines digitalen Euro als Zahlungsmittel, über dessen Einführung bald entschieden werden soll.


Zwar ist digitales Geld faktisch nichts Neues. Der Bargeldumlauf in der Eurozone macht aktuell nur knapp 10 Prozent der Geldmenge M3 aus. Der große Rest ist letztlich digitales Geld, das vom Bankensystem geschaffen wird. Privathaushalte und Unternehmen halten Bankeinlagen, also von den Geschäftsbanken geschaffenes digitales Geld, über das die Haushalte und Unternehmen wiederum bei ihren (digitalen) Zahlungen verfügen. Einen direkten Zugang zur Zentralbank in Form von Guthaben bei der Zentralbank haben derzeit allerdings nur die Geschäftsbanken, während private Haushalte und Unternehmen außen vor bleiben müssen. Der digitale Euro würde auch ihnen den Zugang zu einem Konto bei der EZB eröffnen. Kontoguthaben wären dann genauso sicher und einfach einsetzbar wie Bargeld und eine breite Nutzung dieser Fazilität vermag die Transaktionskosten der Bargeldnutzung zu verringern und damit Wohlfahrtssteigerungen zu ermöglichen.

 
Soweit so gut, wenn damit nicht die institutionellen Rahmenbedingungen des europäischen Bankensystems fundamental verändert würden. Wenn der private Sektor direkt auf Zentralbankgeld dieser Art zurückgreifen kann, um Zahlungen zu tätigen, wird die Funktion der Geschäftsbanken als Intermediäre tendenziell kannibalisiert, da kurzfristige Bankeinlagen als wichtige Refinanzierungsquelle immer weniger zur Verfügung stehen. Unternehmen und Haushalte werden diese in verstärktem Maße bei der EZB halten. Auch wenn die Auswirkungen im Detail heute kaum absehbar sind, ist klar, dass sich die Funktionsmechanismen des europäischen Geschäftsbankensystems massiv verändern werden. Damit kann die Marktmacht der Zentralbank zu Lasten der Geschäftsbanken weiter gestärkt und eine umfassende Kontrolle der Finanzströme abgesichert werden. Der Ökonom Richard Werner vergleicht die EZB bereits heute mit der Deutschen Reichsbank, weil ihre Politik den Geschäftsbankensektor systematisch kannibalisiere. Das würde sich mit einem digitalen Euro zusätzlich verschärfen.


All diese Entwicklungen wirken zusammen und komplementär, aber es ist nicht zu erwarten, dass die Politik in absehbarer Zeit den Deutschen die Bargeldnutzung komplett verbieten wird. Zudem verändern sich faktisch die Zahlungsgewohnheiten, allein, weil die nachwachsende Generation den Sirenengesängen der Digitalwirtschaft aufgeschlossener gegenübersteht als ihre Vorgänger. Eine aktuelle Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI sagt, dass der Anteil der Barumsätze im stationären Einzelhandel im Jahr 2020 um rund 5 Prozentpunkte auf 40,9 Prozent gesunken ist.

Insgesamt mehren sich jedoch die Anzeichen, dass die Daumenschrauben der finanziellen Repression auch beim Bargeld enger angezogen werden. Bei diesem Prozess sind nicht nur die Politik, sondern auch die Banken und die Wissenschaft beteiligt. Während der Vorschlag von Wolfgang Schäuble von Anfang 2016, eine Obergrenze für Bargeldzahlungen von 5.000 Euro einzuführen, bei den bargeldverliebten Deutschen noch für einen Aufschrei sorgte, blieb die eingangs angesprochene Pflicht zur Vorlage eines Herkunftsnachweises bei Bargeldeinzahlungen in der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet. Auch gegen die erwähnte geplante europaweite Obergrenze von 10.000 Euro für Barzahlungen wird sich kaum Widerstand regen. Vergegenwärtigen sollte man sich auch, dass der seinerzeitige Vorstandschef der Deutschen Bank bereits beim Weltwirtschaftsforum des Jahres 2016 in Davos prophezeite, dass es in zehn Jahren kein Bargeld mehr gebe. Und in der Wissenschaft wird die Abschaffung des Bargeldes als zentrale Voraussetzung angesehen, um über Negativzinsen die Geldpolitik zum Abbau des Sparüberhangs wirksam werden zu lassen (Savings glut-Hypothese). Der amerikanische „Starökonom“ Kenneth S. Rogoff plädierte bereits 2015 in einem Handelsblatt-Interview für die Abschaffung des Bargeldes.


Mit dem Herkunftsnachweis bei Bargeldeinzahlungen wird die Nutzung von Bargeld wieder ein bisschen schwerer gemacht – eine Politik der Nadelstiche. Die Wirkung ist eher eine langfristig zermürbende und besonders perfide, weil Bargeldbesitzer mit dieser Regelung systematisch unter einen Generalverdacht gestellt werden. Nicht der Staat muss ihnen nachweisen, dass sie ihr Geld gegebenenfalls unrechtmäßig erworben haben, sondern sie selbst müssen lückenlos belegen, dass die Herkunft des Geldes „sauber“ ist. Mit einer solchen Umkehr der Beweislast wird aber unsere freiheitliche Wirtschaftsverfassung in einem wesentlichen Bereich auf den Kopf gestellt. Dabei tröstet es nicht, dass auch in anderen Ländern ähnliche Praktiken Standard sind. Ob die bisher noch nicht erwähnten Kryptowährungen wie der Bitcoin einen möglichen Ausweg aus dieser Misere bieten, ist dann noch ein ganz anderes Thema – auch hier zeichnen sich massive staatliche Eingriffe ab, von den absurd hohen täglichen Wertschwankungen einmal abgesehen.

Titelbild: 

| geralt / Pixabay.com (CC0 Public Domain) | Link


Bilder im Text: 

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Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Alexander Eisenkopf

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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