Podiumsdiskussion

Es braucht mehr Vorbilder: Fünf Rathauschefs diskutieren die Zukunft von Stadtverwaltungen

Von Lara Kipper | Fotos: Lena Reiner & Michael Scheyer
08.05.2023
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Wie engagiert das Publikum an der Zeppelin Universität sein kann, stellen die fünf Rathauschefs fest, als sich ein Student meldet, und mit einer durchaus provozierenden Aussage Schwung in die Diskussion bringt: „Es gibt eine ganz interessante Parallele zu all den Diskussionen, die es an der ZU in meiner Zeit hier bisher gab, bei den Themen, die hier gerade diskutiert werden: Es sind immer alle anderen Schuld.“ Warum Menschen nicht in der Kommunalverwaltung arbeiten wollen, ist seiner Meinung nach klar: „Da brauchen wir uns nichts vormachen. Das ist einfach, weil der Job langweilig und nervig ist. Aber Sie sind die Chefs von diesen Menschen.“ Sie könnten doch etwas ändern.

Seine Kritik wird in erster Linie von Claudia Alfons, der Oberbürgermeisterin von Lindau, aufgegriffen: „Ich kann Ihnen da teilweise zustimmen, das hilft uns nicht weiter, wenn wir uns gegenseitig nur beklagen. Widersprechen will ich Ihnen bei der Aussage, dass der Job nervig und langweilig ist. Er ist auf jeden Fall nervig, aber er ist nicht langweilig.“ Genau das ist auch der Kernpunkt der Diskussion: Warum gilt der Job als Bürgermeister nervig und wie schafft man es, dass er attraktiver wird? Auch für junge Menschen.


Dass es in Zukunft massiv an Personal in der Verwaltung mangeln wird, ist allen klar. Was man dagegen tun kann, wird bei einer Podiumsdiskussion an der Zeppelin Universität (ZU) diskutiert. Sie trägt den Titel „Global Politics is Local: Wie wir genügend gute Menschen für die Kommunalpolitik und unser demokratisches Gemeinwesen gewinnen können“. Veranstaltet wird der Abend vom Lehrstuhl für Public Management und Public Policy und moderiert von Lehrstuhlinhaber Prof. Ulf Papenfuß.

Claudia Alfons, Oberbürgermeisterin von Lindau
Claudia Alfons, Oberbürgermeisterin von Lindau

Alle Beteiligten sind sich zunächst einmal einig, dass der Job als Kommunalpolitiker in seiner Bedeutung unterschätzt wird. Claudia Alfons, Oberbürgermeisterin der Stadt Lindau, versucht mit einem Vergleich zum Fußball deutlich zu machen, dass ihre Arbeit in Gegensatz zur Politik auf Bundesebene, einen direkten Einfluss auf das Leben der Menschen hat: „In der Stadt oder der Kommune, ist man auf dem Platz, während man in Berlin und Brüssel darüber redet, wie der Ball beschaffen sein muss und welche Spielregeln es gibt“.


Mit ihrer positiven Ausstrahlung bringt sie Leichtigkeit und einen anderen Blickwinkel in die Diskussion. Im Gegensatz zu Ihren Kollegen, die sich größtenteils auf die Probleme ihres Berufes konzentrieren, möchte sie die Menschen davon überzeugen, der Kommunalpolitik eine Chance zu geben. Dass junge Menschen oft keinen Zugang dazu haben, kann sie gut nachvollziehen. „Ich wär selber nie auf die Idee gekommen, wenn ich nicht darauf angesprochen worden wäre“. Das Problem sieht sie unter anderem in fehlenden Vorbildern, beispielsweise in Kinderbüchern oder Fernsehshows. Im Fernsehen bekämen Bürgermeister oft ein negatives Image verpasst.

Jan Rothenbacher, OB von Memmingen
Jan Rothenbacher, OB von Memmingen

Jan Rothenbacher, Oberbürgermeister von Memmingen, betrachtet seine Arbeit recht bodenständig. Er hat das Gefühl, mit seiner Arbeit das Leben der Menschen wirklich zu bewegen. 


Und er sieht in seinem Job die Möglichkeit, Ergebnisse liefern zu können: „Es ist etwas ganz Besonderes, dass man am Ende eines Quartals auch mal etwas sieht, was fertig wurde“. Als er von der Erfüllung spricht, die er in seinem Beruf findet, stimmen ihm dabei alle zu.

Michael Salomo, OB von Heidenheim
Michael Salomo, OB von Heidenheim

Der Oberbürgermeister von Heidenheim, Michael Salomo, ist in der Diskussion ziemlich engagiert und betont mehrfach, dass die Entscheidungswege und Prozesse zu lang seien und die Bürokratie ein großes Hindernis im Berufsalltag. 


Salomo plädiert dafür, diese Prozesse zu vereinfachen und erinnert daran, dass Stadtpolitik auch eine Frage des Gemeinwesens sei „Politik plant für die Gemeinschaft, da werden wir nicht jeden Einzelnen abholen können“. Um den Bürgermeister-Beruf einfacher zu machen, habe er einen konkreten Vorschlag: Sinnvoll sei eine klarere Abgrenzung davon, wofür die Kommunen zuständig seien und wofür der Bund.

Wolfram Bernhard, Bürgermeister von Adelsheim
Wolfram Bernhard, Bürgermeister von Adelsheim

Wolfram Bernhardt, Bürgermeister von Adelsheim und Absolvent der ZU, bringt eine philosophische Sicht in die Diskussion ein und malt nicht nur für die Zukunft der Stadtverwaltung, sondern der ganzen Welt das düstere Bild der Apokalypse: „Wie Ihr alle wisst, geht es heute um nichts weniger als um die Rettung der Welt“. 


Er habe sich mit der drohenden Katastrophe jedoch abgefunden und sehe das Positive darin: „Ich werde in dem Wissen der Katastrophe morgens weiter aufstehen und gucken, wo kann ich trotzdem noch was machen“. Dem Amt des Bürgermeisters komme eine große Verantwortung zu. Die müsse auch jemand übernehmen.

Felix Cramer von Clausbruch, Bürgermeister von Rietheim-Weilheim
Felix Cramer von Clausbruch, Bürgermeister von Rietheim-Weilheim

Auch Felix Cramer von Clausbruch, Bürgermeister von Rietheim-Weilheim und ebenfalls Absolvent der ZU, ist überzeugt, dass das Berufsbild des Bürgermeisters zu unklar und nicht nahbar genug ist. Auch er denkt, dass Vorbilder helfen würden, um die Bedeutung des Berufs für das politische Gesamtgefüge besser zu vermitteln. „Alle EU und Bundesabgeordneten sollten immer erst einmal Gemeinderat sein“, sagt er, um die Probleme an der Basis, zu verstehen, bevor sie Gesetze verabschieden.


Das zweistündige Gespräch verläuft äußerst intensiv. Auch dank des fachlich kompetenten Publikums, das immer wieder kritische Fragen einwirft. Moderator Prof. Ulf Papenfuß gibt Raum für Diskussionen und lenkt den Fokus immer wieder auf mögliche Lösungsansätze. 


Dabei nimmt er auch das junge Publikum in die Pflicht und betont, dass die Zukunft der Stadtverwaltungen auch von den jungen Generationen abhänge. Ganz sicher haben alle ein paar Denkanstöße mitgenommen. Und vielleicht saß ja auch die nächste Oberbürgermeisterin oder der nächste Oberbürgermeister in den Reihen.

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