Interview mit Felix Cramer von Clausbruch

Wie das ist, Bürgermeister zu sein

Von Lara Kipper
11.04.2023
Da bekommt man natürlich auch mit, was gut läuft, was nicht so gut läuft und was man ändern könnte.

Felix Cramer von Clausbruch
Bürgermeister
 
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Herr Cramer von Clausbruch, Sie haben an der Zeppelin Universtität studiert und sind jetzt Bürgermeister von Rietheim-Weilheim. Herzliche Gratulation dazu. Allerdings haben Sie Ihr Abitur nicht auf dem klassischen Weg gemacht, sondern berufsbegleitend nachgeholt. Warum haben Sie sich dafür entschieden, das noch nachzuholen und zu studieren, und wie sind Sie in dem Zuge zur Zeppelin Universität gekommen?

Felix Cramer von Clausbruch: Sagen wir so, meine Pubertät oder Sturm und Drang Jahre haben ein bisschen länger angehalten. Eigentlich war ich ganz normal auf dem Gymnasium und bin dann mit Pauken und Trompeten durchs Abitur durchgerasselt. Danach war zumindest die Erkenntnis da, dass das im zweiten Anlauf wahrscheinlich nicht besser werden würde.

Deswegen habe ich erstmal Militärdienst gemacht und hatte danach "nur" die Mittlere Reife, weshalb ich eine Ausbildung machen musste. Ich habe Einzelhandelskaufmann im Lebensmittelbereich gelernt und ein paar Jahre bei Kaufland im Vertrieb, Neueröffnungen und Reorganisation von Märkten gearbeitet.

Irgendwann ging es nicht so schnell voran, wie ich mir selber zugetraut oder auch erhofft hätte. Dann habe ich gedacht, vielleicht klappt es ja ein paar Jahre später, beim zweiten Anlauf besser und habe deswegen am Abendgymnasium in Radolfzell das Abitur nachgeholt.
Danach dachte ich, ich bin ja jetzt schon Kaufmann, also mit Finanzen und Geld umgehen, das kann ich schon, dann studiere ich mal die andere Seite: Politik und Verwaltung.

Ich habe dann geschaut, wo man sehr gut Verwaltungswissenschaften oder Politik studieren kann und da ich im süddeutschen Raum bleiben wollte, kam ich auf Konstanz und die Zeppelin Universität. Nachdem ich einmal an der ZU war, war ich sehr begeistert und wollte da hin, was auch geklappt hat.

Wie war diese Zeit an der ZU für Sie und wie würden Sie Ihr Studium rückblickend beschreiben?

Felix Cramer von Clausbruch: Insgesamt als unglaublich bereichernd und eine Horizonterweiterung in alle Richtungen. Zum einen fand ich die Personen dort toll, die Professoren, die Mitarbeiter, aber auch die Studierenden. An der ZU waren auch die Leute, mit denen du eigentlich gar nichts anfangen konntest, irgendwie cool, weil die schon irgendwas gemacht, besondere Interessen, oder eine spannende Ansicht hatten. Auch mit den Leuten, mit denen man nicht direkt eine Verbindung hatte, konnte man sich super unterhalten und austauschen. 

Und auch diesen Aspekt des Seitenlernens fand ich sehr bereichernd, dass man viel aus der Theorie und von den Dozenten gelernt hat, aber auch untereinander. Dadurch, dass jeder eine andere Perspektive mit eingebracht hat. 

Ich fand es spannend, dass man nicht Frontalunterricht hatte, sondern versucht hat, sich ein Thema selber zu erarbeiten, um Bezüge untereinander herzustellen. Nicht mit Scheuklappen auf eine Disziplin in einer Dimension zu denken, sondern immer Scheuklappen weg und dann den Blick über den Tellerrand zu richten. Was ich auch mitgenommen habe ist, dass man Sachen immer grundsätzlich erst mal hinterfragt. Wenn jemand sagt, das geht nicht, dann versuche ich immer mit der 360 Grad Perspektive die unterschiedlichen Blickwinkel einzunehmen, das ist bis heute auch sehr bereichernd.

Rathaus von Rietheim-Weilheim
Rathaus von Rietheim-Weilheim

Sie haben offensichtlich eine enge Verbindung zu Rietheim-Weilheim. Was bedeutet Ihnen der Ort, in dem Sie jetzt wohnen? Warum haben Sie sich dazu entschieden, dorthin zurückzuziehen und dann eben auch dort Bürgermeister zu werden?

Felix Cramer von Clausbruch: Das ist witzig, weil ich bin eigentlich gar nicht hier aufgewachsen. Ich bin hier geboren und dann sind meine Eltern aus beruflichen Gründen in die Nähe von Stuttgart gezogen, aber meine Oma hat hier gewohnt. Von daher waren das immer sehr coole Kindheitserinnerungen. Gerade mit Familie ist es sehr schön, wenn du Platz und ein großes Angebot an ehrenamtlichen Engagement hast. So sind wir dann hierhergezogen, zur Familiengründung sozusagen. 

Von meiner Seite aus, gibt es hier viele Bezüge an die Kindheit, heute ist hier für mich Heimat, wo ich mich wohl und verbunden fühle.
Es war dann die Frage, wo engagiert man sich? Ich bin nicht der Typ Übungsleiter beim Handball oder der Typ Feuerwehr, das habe ich nie gemacht. 

Deswegen wurde ich vor vier Jahren in den Gemeinderat gewählt und dann waren es mehrere Faktoren. Zum einen war ich beruflich Referatsleiter, zum anderen war ich Gemeinderat. Da bekommt man natürlich auch mit, was gut läuft, was nicht so gut läuft und was man ändern könnte. Letztendlich war es jetzt auch eine einmalige Gelegenheit, dass der Amtsinhaber in Pension geht und nicht mehr kandidiert. Ich habe im Wahlkampf immer gesagt, für mich macht es einen Unterschied, ob das jemand aus dem Ort macht oder jemand von außerhalb. Weil du siehst, was funktioniert und was nicht funktioniert. Du bekommst Rückmeldung von den Projekten und Rückkopplung von den Bürgern. 

Ich glaube, dass es auch ganz wichtig ist, wenn du Teil von etwas bist, also dich selbst als ein Vereinsmitglied oder als überzeugter Mitarbeiter einer Firma begreifst, dann gehst du noch mal ganz anders an die Dinge ran. Du weißt, warum und für wen du es machst, wenn du die Leute kennst.

Was genau macht ein Bürgermeister eigentlich den ganzen Tag? Wie sieht Ihr zukünftiger Alltag aus?

Felix Cramer von Clausbruch: Ich versuche das mal ein bisschen mit einer Firma oder einem Kulturbetrieb zu vergleichen. Wenn man sich das so vorstellt, bist du wie ein Geschäftsführer einer Firma. Das heißt, du hast zum einen das Tagesgeschäft mit deinen Mitarbeitern. Das sind die Reinigungskräfte, die Hausmeister, der Bauhof, die Erzieher in der Schulbetreuung, die Erzieher im Kindergarten und natürlich die Mitarbeiter aus dem Rathaus in der Verwaltung. Mit denen musst du das Tagesgeschäft abstimmen.

Der zweite Punkt ist, gemeinsam mit dem Gemeinderat, politische Leitlinien und Rahmenbedingungen zu schaffen. Also Entscheidungen wie beispielsweise, ob das alte Schulhaus jetzt saniert oder abgerissen wird, um Senioren gerechtes Wohnen dahin zu bauen.

Das Dritte ist das Projektmanagement von den Themen, die nicht zum Tagesgeschäft gehören. Zum Beispiel, wenn eine neue Halle gebaut und ein neues Baugebiet erschlossen wird. Die Dinge, die man eben nicht täglich macht.

Der letzte Punkt ist die Repräsentation der Gemeinde nach außen. Das beginnt beim 90. Geburtstag und der goldenen Hochzeit. Gestern war zum Beispiel auch Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Grünen, im Landratsamt und hat dort den Kreistag und alle Bürgermeister zum Austausch getroffen. Dann kann man die Themen platzieren, die einen vor Ort gerade umtreiben und man kann die zuständigen Abgeordneten ein bisschen herausfordern, warum sie immer nur reden und nicht machen.


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