Pionierin des Monats Luisa Gouder

Zwischen Beats und Bib

von Sebastian Paul
22.02.2024
Es ist eine Eigenart, dass ZU-Studierende es immer wieder aufs Neue schaffen, sich gegenseitig zu inspirieren und für unvorhergesehene Dinge zu begeistern.

Luisa Gouder
Pionierin des Monats im Februar
 
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Nicht auszuschließen, dass Luisa Gouder ihre kreative Ader dem Umstand verdankt, dass ihre Eltern im schwäbischen Böblingen eine Modefirma führten. Noch dazu, weil ihre Mutter für das Design und damit für die wechselnden Kollektionen der Modemarke verantwortlich zeichnete. „Alles in allem hatte ich eine glückliche, behütete und abwechslungsreiche Kindheit“, erwähnt Gouder. „Das äußerte sich etwa darin, dass mich meine Eltern auf viele Geschäftsreisen mitnahmen, um mir die Welt zu zeigen und andere Kulturen näherzubringen.“


Fast ihre gesamte Grundschul- und Gymnasialzeit verbrachte Luisa Gouder auf einer Schule in Stuttgart. Weil ihre Eltern beruflich sehr eingespannt waren, blieb sie dort auch nachmittags, was ihr viel Zeit zum Ausprobieren ermöglichte. „Besonders in der Sprache hatte ich ein Ausdrucksmittel gefunden, um meiner Kreativität freien Lauf zu lassen“, bemerkt Gouder. Im Rezitations- und Rhetorikunterricht erlernte sie, wie sie ihre Stimme überzeugend und souverän einsetzt und was es bei der Körperhaltung, Gestik und Mimik zu beachten gilt. Eingeübt wurde das Erlernte nicht nur im Klassenraum, sondern auch auf diversen Bühnen vor öffentlichem Publikum.


Als Kind wollte Luisa Gouder Schauspielerin werden, als Jugendliche erst Autorin und dann Journalistin. Nach Schulpraktika beim SWR und bei der Stuttgarter Zeitung löste sich auch dieser Berufswunsch in Luft auf. „Alle drei Berufsfelder vereint eines: Sie sind mit zu vielen Risiken und Unsicherheiten verbunden“, erklärt Gouder. Da nun auch ausgeschlossen war, auf eine Journalistenschule zu gehen, suchte sie nach einem anderen Ort, an dem sie ihre beiden ureigensten Stärken miteinander kombinieren kann: Kommunikation und Kreativität.


Noch unsicher, was sie studieren soll, fragte sie ihre beste Freundin und Klassenkameradin um Rat. Diese war kurz zuvor bei einem Auswahltag an der ZU und von der Universität rundum begeistert. „Und so kam ich mit einem Verweis auf das CCM-Programm in den Besitz einer silbrig glänzenden Bachelorbroschüre“, erzählt Gouder. Vom Inhalt überzeugt, bewarb sie sich und wurde eingeladen. „Insbesondere der Auswahltag vermittelt und erzeugt eine eindrucksvolle, aber auch exklusive Atmosphäre“, erläutert Gouder, „warum ich mich aber noch mehr aufgehoben fühlte, hatte mit den Menschen und ihrem offenen und wertschätzenden Umgang sowohl mir gegenüber als auch untereinander zu tun.“


Was Luisa Gouder an die Universität mitbrachte, waren Kenntnisse in Layout, Foto- und Videografie sowie Grafik- und Webdesign, die sie sich selbst beigebracht hatte. Ihre Fertigkeiten brachte sie ein, indem sie im Rahmen der Workshop- und Karrieretage ZUtaten 2021 unter anderem bei der Produktion des Aftermovies mitwirkte. Außerdem organisierte sie mitten in der Coronapandemie und aus dem Auslandssemester heraus eine digitale Ausgabe des LitContest mit. Die Idee dahinter: Studierende und Alumni können Texte egal welcher Art zu einem vorgegebenen Thema einreichen, eine eigens zusammengestellte Jury entscheidet über drei Texte, die prämiert und veröffentlicht werden. „Neben all dem organisatorischen Kram ging es auch darum, das Design neu auszurichten, ein Logo, Sticker und Plakate zu entwerfen“, erklärt Gouder, die sich auch in ihrem Auslandspraktikum beim Lifestyle-Magazin „The Forumist“ in Stockholm um die visuelle Kommunikation kümmerte.


Diesen Praxisbezug suchte sie immer auch in ihrem Studium. Daher fiel ihre Wahl vorzugsweise auf Kurse wie Praxis der Unterhaltungsmedien oder Praxis der Nachrichtenmedien. Als Prüfungsleistung musste sie so einen einminütigen Kurzfilm drehen oder verschiedene journalistische Texte verfassen. „Was ich an der ZU zu schätzen weiß, ist, dass man auch Kurse abseits des eigentlichen Studiums belegen kann“, ergänzt Gouder, die ihr zusätzliches Interesse an menschlichen Emotionen und Verhaltensweisen stillte, indem sie alle an der Universität angebotenen Psychologiekurse belegte.


Ganz anderen Themen dagegen widmete sie sich in zwei Vertiefungsseminaren. Zum einen setzte sie sich mit Sugardaddys auseinander und wie sie gegenwärtige soziale und patriarchalische Strukturen widerspiegeln, zum anderen designet sie zusammen mit ihren Mitstudierenden zehn mobile Aufsatztische für die Universitätsbibliothek, die ein bequemeres Lernen ermöglichen. „Es ist eine Eigenart, dass ZU-Studierende es immer wieder aufs Neue schaffen, sich gegenseitig zu inspirieren und für unvorhergesehene Dinge zu begeistern“, erwähnt Gouder, „bis man selbst diese offene und unbekümmerte Haltung verinnerlicht.“


Einen solchen Aha-Moment erlebte Luisa Gouder während ihres Auslandssemesters an der Örebro universitet. Neben den Seminarräumen besuchte Luisa Gouder regelmäßig die Techno-Tanzfläche des universitätseigenen Clubs, in dem verschiedene DJs auftreten. Eigentlich nur zum Spaß fragte sie einen befreundeten DJ, ob er ihr nicht mal das Auflegen beibringen könnte. Eine Woche später war sie um einen alten geliehenen DJ-Controller reicher. „Nachdem er mir einige Basics gezeigt hatte, war ich zwar im ersten Moment überfordert, aber mehr noch angespornt“, erinnert sich Gouder.


Immer häufiger sah man sie abseits der Tanzfläche am Pult, wo sie dem DJ über die Schultern schaute. Und immer, wenn sie die Zeit dazu hatte, übte und tüftelte sie. Während zunächst im kleinen Freundeskreis nach den ersten Versuchen als DJ nicht gerade Jubelarien ausbrachen, gelang eines Tages wie von Zauberhand der Durchbruch. „Wieder allein in meinem Zimmer spielte ich ein Set mit ein paar Techno-Songs, und auf einmal hatte ich den Dreh mit den Übergängen raus“, beschreibt Gouder. Eine Woche vor Ende ihres Auslandssemesters legte Luisa Gouder voller Lampenfieber und Adrenalin und mit Support des befreundeten DJs im Campusclub auf. „Es war ein unfassbar tolles Erlebnis, das sich wie ein Runner's High anfühlte“, bemerkt Gouder.


Nicht nur als Luisa Gouder, sondern nun auch als DJ LGnius zurückgekehrt nach Friedrichshafen, kaufte sie sich einen eigenen DJ-Controller, den sie bei einem Barabend an der ZU einweihte. Von den tiefen, schnellen und treibenden Rhythmen der (Remix-)Tracks und dem neuen DJ bass erstaunt und mitgerissen, folgte ein Auftritt nach dem anderen – mittlerweile sind daraus einige Dutzend geworden. Unter anderem bei Einführungswochen, Sommerfesten und Graduierungsfeiern, bei Events von verschiedenen studentischen Initiativen und bei Seekult-Festivals brachte sie mit ihren Beats die Menge zum Tanzen. Auch auf Festivals und Clubs in Stuttgart, Stockholm und Brandenburg war sie als DJ aktiv. „Es mag kitschig klingen, aber mitverantwortlich zu sein, dass andere Menschen glücklich sind und Raum und Zeit vergessen, ist unbeschreiblich. Zugleich ist es aber auch die größte Herausforderung für einen DJ, diesen positiven Vibe auf der Tanzfläche aufrechtzuerhalten“, erzählt Gouder, die inzwischen nischiger und grooviger geworden ist. Heißt: Neben Warehouse Techno kann sie Genres wie UK Garage, Hard Groove oder Jungle auflegen.


„Feiern dem Abgrund entgegen?“: Das war kein Partymotto, sondern das Thema ihrer Bachelorarbeit. Darin analysierte sie die Berliner Clubkultur in Gegenwart multipler Krisen und Transformationen. Neben Experteninterviews führte sie Feldforschung durch in zwei Berliner Clubs, um sich ein Bild und Notizen vor Ort zu machen. „Die Berliner Clubkultur steht an einem Wendepunkt. Insbesondere kleine Clubs stehen kurz vor dem Aus, weil die laufenden Kosten nicht mehr tragbar sind. Eine Clubkultur wie die in Berlin muss aber erhalten bleiben, denn Clubs sind Orte, die Zuflucht und Schutz bieten, die das Gemeinschaftserlebnis fördern und die auch mal dazu einladen, soziale Normen und Konventionen aufzubrechen“, erläutert Gouder. Die Bachelorarbeit ist begutachtet, die Disputation bestanden. Fest steht, dass Luisa Gouder auch in nächster Zeit – und egal an welchem Ort – ihr Doppelleben weiterführen möchte: tagsüber als Masterstudentin und nachts als DJ LGnius.

Titelbild

| Jil Tischer/Niklas Ehret

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