Gesellschaft

Wie verantwortlich handeln Unternehmen?

Ob Unternehmen zu viel oder zu wenig gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, ist eine der großen Streitfragen dieser Zeit, und sie ist nicht eindeutig beantwortbar.

Professor Dr. Patrick Bernhagen
 
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    Zur Person
    Professor Dr. Patrick Bernhagen

    Seit dem Herbstsemester 2012 ist Dr. Patrick Bernhagen Professor für Politikwissenschaft an der Zeppelin Universität. Bernhagen studierte Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft und Medienwissenschaft an der Phillips-Universität Marburg, dem Trinity College Dublin und der Duke University (USA). Er promovierte 2005 am Trinity College Dublin und wurde anschließend zunächst Lecturer und dann Senior Lecturer an der University of Aberdeen. Seine wichtigsten derzeitigen Arbeitsgebiete sind Fragen der politischen Beteiligung von Bürgern und Unternehmen an den politischen Prozessen verschiedener Staaten und internationaler Organisationen.

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    Factbox
    Forbes-Liste und Fortune 500

    Die beiden US-amerikanischen Wirtschaftsmagazine Forbes und Fortune sind Konkurrenten und veröffentlichen beide Unternehmensrankings. Unter "Forbes Global 2.000" werden die 2.000 größten Firmen der Welt, unter "Fortune Global 500" die 500 umsatzstärksten unternehmen der Welt veröffentlicht.



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Der Titel Ihrer Antrittsvorlesung „Unternehmen als Bürger: Zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und Interessenpolitik" beschreibt das Spannungsverhältnis, in dem sich Unternehmen befinden. Sind Unternehmen heutzutage die wichtigeren Bürger, die sich aber vor gesellschaftlicher Verantwortung drücken?

Professor Dr. Partrick Bernhagen: Unternehmen sind tatsächlich die wichtigeren Bürger, das kann in gewissem Sinne so formuliert werden. Überlegen Sie sich einfach, was es für Implikationen hat, ob Sie persönlich eine Entscheidung treffen, oder ob der Vorstand bei Siemens eine Entscheidung trifft. Die letztere wird auf jeden Fall mehr Menschen betreffen. Insofern sind Unternehmen äußerst wichtige Bürger oder Akteure im politischen System. Ob Unternehmen zu viel oder zu wenig gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, ist eine der großen Streitfragen in dieser Zeit, und sie ist nicht eindeutig beantwortbar. In jedem Fall kann man sagen, dass sich Unternehmen zunehmend – und zunehmend sichtbar – auf gesellschaftliche Verantwortung einlassen. Die spannende Frage dabei ist, machen die das hauptsächlich, um einen positiven Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme zu leisten, oder machen sie es, weil es ihre anderen politischen Strategien, wie z.B. Lobbying, gut ergänzt. Meine Vermutung auf der Basis von Anekdoten und zunehmend auch Daten ist, dass beides zutrifft und sich nicht gegenseitig ausschließt.

In welchem Zusammenhang steht dies mit ihrer aktuellen Forschung?

Bernhagen: Ich schaue mir exakt diese Frage an, die in der Literatur gerade in den letzen Jahren sowohl von Politikwissenschaftlern als auch von Betriebswirtschaftlern häufig aufgeworfen wurde. Ein typisches größeres Unternehmen hat zum Beispiel eine Public Affairs-Abteilung, wo die Lobbyisten sitzen und häufig davon separat eine sogenannte Corporate Social Responsibility-Abteilung, wo die Weltverbesserer sitzen. Selten sind diese beiden Abteilungen organisationell miteinander verknüpft. Eventuell kann man von einem Trend der Verknüpfung dieser Bereiche sprechen, das kann ich aber noch nicht quantitativ ausdrücken. Das ist eine der Fragen, der ich ich in einem jetzt beginnenden Projekt mit meiner Glasgower Kollegin Kelly Kollman und anderen Wissenschaftlern nachgehen werde.

Wie gehen Sie diese Forschung konkret an, auf welche Datengrundlage werden Sie sich stützen?


Bernhagen: In den vergangenen Jahren habe ich mich auf größere bereits bestehende Datensätze verlassen. Ich habe zum Beispiel die Forbes-Liste der weltweit 2.000 größten börsennotierten Unternehmen als ein erstes Sample genommen. Diese und andere Listen, wie die Fortune 500, sind das Standardmaterial der Politikwissenschaftler, die an diesem Thema forschen. Bisher beschäftigte ich mich daher mit Riesenunternehmen wie Siemens und Microsoft, weshalb sich die gewonnenen Erkenntnisse nicht unbedingt auf alle Unternehmen übertragen lassen. Der ganze Mittelstand fällt da zum Beispiel raus. In dem neuen Projekt werden wir genau diesen Missstand beheben. Wir werden dazu von einer sehr großen Datenbank von Standard & Poor‘s ausgehen, die relevante Informationen zu über 1 Millionen Unternehmen aus der ganzen Welt enthält.

Forbes-Liste und Fortune 500


Welche Aussagen könnten mit dem größeren Datensatz präzisiert werden?


Bernhagen: Unser Ziel ist es, herauszufinden, ob die bislang gewonnenen Erkenntnisse robust sind und ob sie auf das breitere und realistischere Spektrum von Unternehmen übertragbar sind. Und wir werden bewusst der Frage nachgehen, inwiefern Unternehmen bei spezifischen Themen wie etwa dem Umweltschutz durch Corporate Social Responsibility-Aktivitäten, CSR, gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und gleichzeitig in denselben Bereichen Lobbyismus betreiben. Dabei werden wir schauen, ob diese Aktivitäten in die selbe Richtung gehen oder ob sie sich möglicherweise gegenseitig widersprechen.


Der Vorwurf des Greenwashings ist schnell gemacht...


Bernhagen: Der Vorwurf ist immer da, aber ob er gerechtfertigt ist, das kann man höchstens in Einzelfällen sagen, und das wird sehr schnell politisiert. Ich würde den Unternehmen nicht gleich absprechen, dass sie nicht versuchen würden, ernsthaft zur Problemlösung beizutragen. 



Bild: Yvonne von Hunnius

Audiobeitrag: Unternehmen als Bürger: Zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und Interessenpolitik | Patrick Bernhagen


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