2012 wurde Professorin Dr. Anja Achtziger auf den Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftspsychologie der Zeppelin-Universität berufen. Sie verstärkt dabei neben der Forschung auch die Studienprogramme im Bereich der Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaften an der ZU. Zuvor vertrat sie an der Uni Konstanz mehrfach die Professur für Sozialpsychologie und Motivation. Im Jahr 2008 habilitierte sie sich zum Thema „Erfolgreiches Handeln aus einer sozialkognitiven Perspektive: Rubikonmodell, Vorsatztheorie und mentales Kontrastieren“.
Was ist eigentlich der beste Weg zu einer Entscheidung? Schnell und intuitiv zu reagieren oder doch eher überlegt und vernünftig – Bauch oder Kopf also. Das hat ZU-Professorin Anja Achtziger, Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftspsychologie, gemeinsam mit Prof. Carlos Alós-Ferrer vom Lehrstuhl für Mikroökonomie an der Universität zu Köln untersucht. Mit der Studie unter dem Titel “Fast or Rational? A Response-Times Study of Bayesian Updating”, die demnächst im Journal „Management Science“ erscheinen wird, betraten sie forscherisches Neuland.
In der Managementforschung stellen sich immer wieder Fragen wie diese: „Macht es für gestresste Führungskräfte Sinn, in der täglichen Hektik schnell intuitiv Entscheidungen zu treffen?“ Und: „Ist es sinnvoll, auch für komplexe Entscheidungen nur wenig Zeit zu investieren, um dadurch psychologische Ressourcen für andere Arbeiten freizuschaufeln?“ Achtziger und Alós-Ferrer wollten zur Klärung einen wissenschaftlichen Beitrag leisten. Das Vorgehen war dabei interdisziplinär: Es wurde Forschung (theoretisch und methodisch) zu menschlichem Entscheidungsverhalten aus Psychologie und Mikroökonomie integriert. Auf dieser Basis wurde ein komplexes Entscheidungsexperiment im Bereich begrenzte Rationalität durchgeführt und ein mathematisches Modell entwickelt, um die Forschungsergebnisse formal darzustellen. Diese interdisziplinärere Entscheidungsforschung ist Teil eines Projektes der DFG-Forschergruppe Psychoeconomics, das von Alós-Ferrer geleitet wird und angesiedelt ist an den Universitäten Köln, Konstanz und ZU.
Das Problem der Studie: Eine wissenschaftlich fundierte Diskussion über die Vorzüge verschiedener Entscheidungsstile von Managern (intuitives vs. wohldurchdachtes Vorgehen) erfordert ein formal-mathematisches Konzept von Intuition. Eine solche Definition jedoch fehlt derzeit in der Ökonomie, weil diese (noch) zu sehr von der Annahme eines voll rationalen Entscheiders ausgeht. Die Psychologie hingegen hat Modelle und Techniken entwickelt, die es ermöglichen, die intuitiven Anteile von Entscheidungen zu untersuchen. Einen möglichen theoretischen Hintergrund bilden dabei die sogenannten Dual-Prozesstheorien. Diese nehmen an, dass Entscheidungen durch zwei Prozesse bestimmt werden: nämlich einem automatischen und einem kontrollierten Prozess. Der automatische Prozess ist eher impulsiv, schnell, anstrengungsfrei und läuft unbewusst ab. Der kontrollierte Prozess ist eher reflektiv, langsam, läuft bewusst ab und erfordert eine anstrengende bewusste Kontrolle des Denkens.
Die Forscher nahmen in der Publikation an, dass Intuition als eine ganze Reihe von automatischen Prozessen zu betrachten ist, die einem Entscheider in einem gegebenen Moment zur Verfügung stehen. Diese können ganz subtile, automatisierte Prozesse darstellen, die auf vielen Jahren Managererfahrung basieren. Auf der anderen Seite kann es sich bei automatischen Prozessen aber auch um sogenannte Heuristiken („Daumenregeln“) handeln, die manchmal zu korrekten, manchmal jedoch auch zu völlig falschen Entscheidungen führen. Ob eine Entscheidung mehr oder weniger intuitiv getroffen wurde, haben die Forscher anhand von Reaktionszeiten gemessen. Dies war in der ökonomischen Forschung zu Entscheidungen unter Unsicherheit ein Novum.
Eine provokante Interpretation der Arbeit betrifft die Debatte um den Wert intuitiver Entscheidungen in Firmenalltag. Denn man selbst kann intuitive Entscheidungen oft nicht erklären. Die Ergebnisse von Achtziger und Alós-Ferrer liefern aber eine mögliche Erklärung für das, was Intuition sein könnte. Und das Ergebnis hierbei ist fast erschreckend: Wenn man bei komplexen Entscheidungen frei nach Bauchgefühl schnell handelt und sich dabei gut fühlt, macht man häufig nichts anderes als völlig unüberlegt die Entscheidung zu wiederholen, die in ähnliche Situationen früher einmal erfolgreich war. Dies ist zwar dann vernünftig, wenn die Situation, in der die Entscheidung getroffen werden muss, dieselbe ist wie die früheren Entscheidungssituationen. Dieses Entscheidungsverhalten kann sich aber als geradezu gefährliche Gewohnheit entpuppen, wenn die Welt sich immer schneller ändert und man dadurch immer weniger mit „Routine“-Entscheidungssituationen zu tun hat.
Foto: Brett Farmiloe (Titel)