Soziologie

Gesellschaft auf die Bühne bringen

Im eigenen Kopf ist der Spielraum für Inszenierungen grenzenlos.

Finja Henke
Studentin Politik- und Verwaltungswissenschaften
 
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    Factbox
    Das Zeppelin-Projekt

    Im Laufe der ersten beiden Semester forschen die Studienbeginner des Bachelors an der Zeppelin Universität in interdisziplinär zusammengestellten Kleingruppen. Sie müssen gemeinsam eine Projektidee zu einem vorgegebenen Überthema entwickeln und haben dann zwei Semester Zeit, sich damit auseinander zu setzen. Zur Zeit befindet sich das Projekt im vierten Verlauf. Ab dem Herbst geht es in die fünfte Runde. 

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Das erste Jahr ihrer Studienzeit an der Zeppelin Universität verbringen die Bachelor-Studenten mit einem Forschungsprojekt in Kleingruppen. Das Oberthema wechselt von Semester zu Semester; die vergangenen Zeppelin-Projekte beschäftigten sich mit dem Thema Architektur. Ein konkret wirkender Ansatz, der aber auch abstrahiert werden durfte. So forschte eine Gruppe an der Frage der Bedeutung des Theaters als Struktur in der Architektur unserer Gesellschaft. Ausgehend von der Annahme, dass es sich beim Theater um eine aussterbende Institution handle, sollte der mögliche Verlust beschrieben werden. Im Mittelpunkt stand dabei die Bühne. „Theater mögen selten werden, doch Bühnen lassen sich überall in unserer Gesellschaft finden. Wir glauben, dass sie ein wesentlicher Teil menschlicher Interaktion sind und daher nicht aussterben können“, erklärt Gruppensprecherin Kendra Haupt den Forschungsansatz.

Forschung probieren: Mehr über das Zeppelin-Projekt


Inszenierungen entstehen überall, ob räumlich begrenzt, digital oder schlicht gedanklich. Die jungen Forscher setzten sich auch mit dem Begriff der Bühne im Zusammenhang mit verschiedenen Disziplinen auseinander, wie beispielsweise der Politik, der Psychologie und den Medien. Dafür suchten und analysierten sie Inszenierungen innerhalb unseres gesellschaftlichen Miteinanders, um den Begriff Bühne klarer zu fassen. Den Unterschied zwischen Theater und Alltagsinszenierungen fanden die Studierenden darin, dass die Bühnen zumeist nicht offen als solche zu Tage treten und die damit verbundenen Inszenierungen auch nicht immer als solche erkennbar sind. Außerdem stellten sie fest, dass das Publikum bei Alltagsinszenierungen weniger wichtig sei als im Theater. „Im eigenen Kopf ist der Spielraum für Inszenierungen grenzenlos“, sagt Finja Henke, die ebenfalls ein Jahr an dem Thema forschte. „Die eigene Fantasie stellt in besagtem Prozess alle wichtigen Faktoren: Die Bühne, den Akteur, den Zuschauer. An diesem Punkt löst sich der Begriff der Bühne von jenem Raum hinter einem roten Vorhang.“

Das Zeppelin-Projekt der Architekturen fand seinen Höhepunkt in der Abschlusspräsentation am 24.04.2013 - Zu sehen sind (v.l.n.r.) Karina Schmidt, Margaux Kuwilsky, Kendra Haupt, Finja Henke, Yuliya Temnik, Viktoria Pues, nicht zu sehen: Elisabeth Lastovkazoom
Das Zeppelin-Projekt der Architekturen fand seinen Höhepunkt in der Abschlusspräsentation am 24.04.2013 - Zu sehen sind (v.l.n.r.) Karina Schmidt, Margaux Kuwilsky, Kendra Haupt, Finja Henke, Yuliya Temnik, Viktoria Pues, nicht zu sehen: Elisabeth Lastovka

Politiker inszenieren sich jeden Tag; dabei sind ihre Bühnen vielfältig. Das Schauspiel findet zunächst nur zwischen den einzelnen Politikern und Parteien statt. Im nächsten Schritt schaffen Massenmedien dann eine Bühne für das Volk. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem Urheber der Inszenierung. „ Der Konsument kann nicht klar definieren, in wie weit Massenmedien als Bühne die Realität abbilden oder eine verzerrte Interpretation dieser“, sagt Henke. Bühne im Sinne der Politik ist ihrer Meinung nach ein Ort, an dem etwas hervorgehoben werde und liegt somit sehr nahe an einer Theaterbühne. Allerdings entstünde in dem Moment, in dem die Medien diese Bühne beträten, eine zweite Ebene. Auf dieser inszenierten die Medien die Inszenierung der ersten Ebene als Nachricht und beeinflussten so auch wieder die Inszenierung auf erster Ebene. Das Publikum für die zweite Ebene sei jedoch viel größer, der Prozess zudem zeitlich versetzt zur Originalinszenierung, was dazu führe, dass die Bühne aus unserem Bewusstsein verschwindet, obwohl sie allgegenwärtig sei.

„Wir sind irgendwann an den Punkt gekommen, dass sich unsere Ergebnisse in all den verschiedenen Disziplinen nicht mehr zusammen bringen ließen. Der Bühnenbegriff kann in komplexen Zusammenhängen verwendet werden, ist aber als solcher nicht tatsächlich greifbar“, berichtet Haupt. Die Entfernung vom ursprünglichen Interesse der Gruppe sei irgendwann immens geworden. Die gesuchte Funktion des Theaters für die Gesellschaft schien davon abhängig, die Findungsprozess des Bühnenbegriffes zu beenden. Doch die Gruppe konnte sich nicht auf eine allgemein gültige Definition von Bühne einigen. Gelöst wurde das Problem durch eine simple Formel: Aus Minus mal Minus wird Plus: „Aus der komplexen Verwendung des Bühnenbegriffes und seiner eigenen Komplexität wird ein Moment der Komplexitätsreduktion“, erläutert Henke. Die Gruppe verband so die verschiedensten Vorstellungen von Bühne als Spielraum oder Kommunikationskanal in ihrer Anwendung. Die Redewendung „etwas auf die Bühne bringen“ beschreibe den Moment der Komplexitätsreduktion sehr gut. So werde mit der Aufführung eine riesige Informationsmasse zu einer Präsentation komprimiert.

TitelbildJill Lynch (CC BY 2.0)

Text: ZU | Frauke Leonie Fichtner

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