Politikwissenschaft

Vom Sozial- zum modernen Leistungsstaat

von Maria Tzankow | Redaktion
10.11.2015
Für alle modernen Demokratien gilt, dass die Sozialstaatselemente in den letzten 120 Jahren enorm an Bedeutung und vor allem an Umfang gewonnen haben.

Prof. Dr. Joachim Behnke
Lehrstuhl für Politikwissenschaft
 
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    Prof. Dr. Joachim Behnke

    Joachim Behnke ist Inhaber des ZU-Lehrstuhls für Politikwissenschaften. Er hat Theaterwissenschaft, Philosophie, Kommunikationswissenschaften, Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft studiert. Sein Forschungsschwerpunkte liegen auf Wahlsystem und Wählerverhalten. Außerhalb der Universität engagiert sich Behnke als Sprecher verschiedener Arbeitskreise in der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft und ist als Stiftungsberater tätig. 

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Allen liberalen Demokratien der Gegenwart ist gemeinsam, dass sie Sozialstaaten sind. „Auch wenn das Ausmaß, in dem dies zutrifft, von Staat zu Staat erheblich variieren kann, gilt dennoch für alle modernen Demokratien, dass die Sozialstaatselemente in den letzten 120 Jahren enorm an Bedeutung und vor allem an Umfang gewonnen haben“, erläuterte Behnke.

In dieser Hinsicht unterschieden sich die angelsächsisch geprägten Staaten wie die USA oder Großbritannien nur quantitativ, aber nicht qualitativ von den skandinavischen Staaten, die üblicherweise als der Inbegriff des Sozialstaats gelten. Jeder moderne Staat stelle für seine Bürger ein beachtliches Instrumentarium an Maßnahmen und Leistungen bereit, das diese gegen die drei großen klassischen Lebensrisiken Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter absichern soll.

Soziales Handeln als Ordnungspolitik: Reichskanzler Otto von Bismarck führte in den 1880er Jahren Renten-, Kranken- und Unfallversicherung ein, um die Industriearbeiter von revolutionären Bestrebungen abzuhalten.
Soziales Handeln als Ordnungspolitik: Reichskanzler Otto von Bismarck führte in den 1880er Jahren Renten-, Kranken- und Unfallversicherung ein, um die Industriearbeiter von revolutionären Bestrebungen abzuhalten.

„Insofern ist es in mancher Hinsicht wohl treffender, statt von dem – teilweise inzwischen negativ konnotierten – Sozialstaat besser vom modernen Leistungsstaat zu sprechen“, stellte Behnke fest. Diese staatlichen Leistungen seien kostspielig, die andere Seite der staatlichen Wohlfahrtsangebote bestehe daher in den Beiträgen zur Finanzierung derselben, die die Bürger aufbringen müssen. Jede Rechtfertigung staatlicher Leistungen sei daher gleichzeitig eine Rechtfertigung bestimmter Finanzierungsmaßnahmen wie Steuern und staatlichen Zwangsversicherungen. 


„Insbesondere über die durch die Steuern vermittelten Effekte findet die wichtigste und größte Umverteilung von den Bessergestellten zu den weniger gut Gestellten statt“, sagte Behnke. Die Kritik am Sozialstaat sei daher üblicherweise immer auch eine Kritik an zu hohen Steuern und durch Sozialausgaben in nicht rechtfertigbarer Weise aufgeblähten Staatsausgaben.

Auf diesem Aspekt der Rechtfertigung sozialstaatlicher Aufgaben und Ausgaben lag der Schwerpunkt der Veranstaltung. Ausgehend von vertragstheoretischen Modellen der Rechtfertigung und Legitimierung staatlicher Gewalt wurden vor allem die Positionen der politischen Philosophen Buchanan, Rawls und Dworkin behandelt.

Lehrer drücken die Schulbank. Fortbildung an der ZU 2014.
Lehrer drücken die Schulbank. Fortbildung an der ZU 2014.

Die Fortbildung fand inzwischen zum dritten Mal statt. Die Teilnehmer, von denen einige auch bereits die vorherigen Veranstaltungen besucht hatten, stammten mehrheitlich aus der näheren Region wie Friedrichshafen, Meersburg, Überlingen, einige von ihnen hatten aber auch den etwas weiteren Weg von Göppingen und von München auf sich genommen. Die Durchführung der Fortbildungsveranstaltung wurde finanziell von der Zeppelin Universitätsgesellschaft e.V. (ZUG) unterstützt.


Titelbild: Dennis Skley / flickr.com (CC BY-ND 2.0)

Bilder im Text: Thomas Quine / flickr.com (CC BY-SA 2.0); ZU

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