Crowdfunding

Die Masse macht's möglich

Crowdfunding basiert auf der Begeisterungsfähigkeit der Massen.

Prof. Dr. Dirk Schiereck
 
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    Zur Person
    Professor Dr. Dirk Schiereck

    Seit August 2008 ist Prof. Dr. Schiereck Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Unternehmensfinanzierung und Investor Relations. Seit 2005 ist er Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Investor Relations Verbandes. Schiereck promovierte und habilitierte an der Universität Mannheim. Neben seiner Arbeit in Darmstadt arbeitet Schiereck unter anderem auch an der Zeppelin Universität als Gastdozent.

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    Factbox
    Erfolgsmodell Crowdfunding: Die größten Plattformen

    "Startnext" gehört zu den bekanntesten Crowdfunding-Plattformen. Als größter deutschsprachiger Anbieter richtet sich das Team mit Sitz in Dresden und Berlin vor allem an Kreative, Erfinder und Tüftler. Gegründet wurde die Plattform von Tino Kreßner und Denis Bartelt im Sommer 2010. Mit mehr als 4 Millionen Euro Investitionen wurde bereits über 750 Projekte erfolgreich realisiert. Auch Comedians wie Dieter Hildebrandt, Konzertveranstalter wie die Organisatoren des Auerbach Festivals oder das Demenz-Informationsangebot "Konfetti im Kopf" werben auf Startnext um Gelder.

    Als erfolgreichster Anbieter wird die New Yorker Plattform "Kickstarter.com" bezeichnet. Seit 2008 sammeln die Amerikaner Perry Chen, Yancey Strickler und Charles Adler Gelder für Independentfilme, Musikalben, journalistische Projekte oder Videospiele. Die Smartwatch "Pebble" erreichte bis zum 18. Mai 2012 eine Finanzierungssumme von 10.266.845 US-Dollar. Damit wurde das Projekt von fast 70.000 Unterstützern um mehr als das Zehnfache finanziert und gilt damit als Meilenstein des Crowdfundings.

    Projekt Stromberg: Bürotyrann auf Geldersuche

    Neun Jahre und fünf Staffeln spielte Christoph Maria Herbst den pöbelnden Büro-Tyrann „Stromberg“. Das große Finale wollte der kultige Fiesling auf der Kinoleinwand feiern. Lediglich das nötige Kleingeld für den letzten Akt fehlte den Produzenten. Und so baten sie kurzerhand im Internet um finanzielle Unterstützung: 3.000 Investoren stellten in nur einer Woche die nötige Million zum Drehbeginn bereit. Wer mindestens 50 Euro zahlte, wurde am Erlös beteiligt und ständig informiert. Fans, die tiefer in die Tasche griffen, bekamen Premieren-Tickets und wurden im Abspann erwähnt.

    Gutes per Mausklick: Spenden 2.0

    Für Schiereck ist Crowdfunding weit mehr als Spenden. Dennoch erkennt der Darmstadter Professor einige Parallelen - Insbesondere zur größten deutschen Plattform "Betterplace.org". Gründerin Dr. Joana Breidenbach erklärte an der Zeppelin Universität, wie Spenden 2.0 im Internet funktioniert. Unter dem Titel "Gutes Gewissen per Mausklick" widmete sich auch ZU|Daily der Idee des Berliner StartUps.

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    Mehr ZU|Daily
    Gutes Gewissen per Mausklick
    Das Spenden der Zukunft ist jung und digital. Mit innovativen Spendenkonzepten wollen Sozialunternehmer wie Dr. Johanna Breidenbach, das Spendenvolumen im Internet deutlich steigern und dabei jüngere Geldgeber ansprechen.
    Von der Idee zur Innovation
    Außergewöhnliche Ideen, die beim Nutzer ankommen, sind rar gesät. In der Wirtschaft wird danach händeringend gesucht - sowohl für Produkte als auch Prozesse. Die Kreativmethode Design Thinking soll hier Lösungen bieten, stößt jedoch schnell an ihre Grenzen. An der Zeppelin Universität wird der Ansatz deshalb nicht nur umgesetzt, sondern auch erforscht.
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Crowdfunding-Plattformen erleben scheinbar erst seit Kurzem einen unglaublichen Boom. Woher kam das Prinzip eigentlich so plötzlich?


Professor Dr. Dirk Schiereck: Das Konzept an sich ist schon einige Jahre alt und war zuerst in den USA erfolgreich. In Deutschland rührt der Erfolg sicherlich zum Teil aus der großen Medienresonanz nach der erfolgreichen Gemeinschaftsfinanzierung des Films ‚Stromberg‘. Außerdem hat das aktuell sehr niedrige Zinsumfeld auch dazu beigetragen, dass man auf neuartige Geldanlagemöglichkeiten aufgeschlossener reagiert.

Startnext ist Deutschlands erfolgreichstes Crowdfunding-Portal: Mit über 4 Millionen Euro wurden bereits über 750 Projekte finanziert.
Startnext ist Deutschlands erfolgreichstes Crowdfunding-Portal: Mit über 4 Millionen Euro wurden bereits über 750 Projekte finanziert.

Bereits mit 1 Euro kann ich als Investor in ein StartUp oder ein Projekt nach Wahl einsteigen: Was habe ich als Geldgeber davon?



Schiereck: Die Kompensation der Geldgeber erfolgt sehr variantenreich. Das fängt an mit Namensnennungen an mehr oder weniger prominenten Stellen, geht über Einladungen zum Mittagessen mit dem Management des finanzierten Unternehmens bis hin zu Zins- und Dividendenzahlungen. Hier müssen an Crowdinvesting interessierte Anleger aufpassen: Nicht immer wird man wirklich Miteigentümer und profitiert damit unbegrenzt an einem möglichen Wertanstieg des Investments. Vielfach werden eher Konstruktionen mit dem Charakter von Nachrangdarlehen geboten, da gibt es im Erfolgsfall zwar ordentliche Zinsen aber keine Mitsprache- und Informationsrechte.

Charles Adler, Perry Chen und Yancey Strickler sind die kreativen Köpfe hinter der US-Plattform "Kickstarter". 2012 gelang es ihnen erstmals, die Grenze von einer Millionen US-Dollar Finanzierungssumme zu durchbrechen
Charles Adler, Perry Chen und Yancey Strickler sind die kreativen Köpfe hinter der US-Plattform "Kickstarter". 2012 gelang es ihnen erstmals, die Grenze von einer Millionen US-Dollar Finanzierungssumme zu durchbrechen
Erfolgsmodell Crowdfunding: Die größten Plattformen


Auf verschiedenen Plattformen buhlen Musiker, Designer, Fotografen, Spiele-Entwickler um das Geld der Investoren. Gibt es Konzepte, die eine Finanzierung besonders attraktiv machen?



Schiereck: Die Szene ist stark in Bewegung. Die Finanzierung der Aufnahme von Musikstücken lief manchmal ganz gut, es sind aber auch schon gut etablierte Plattformen Bankrott gegangen. Manche Filme und Spiele konnten schnell größere Summen einsammeln. Andere sind grandios gescheitert. Crowdfunding basiert auf der Begeisterungsfähigkeit der Massen. Wenn etwas als gerade besonders spannend und ‚in‘ erachtet wird, sorgen die sozialen Netze für schnelle Verbreitung und hohe Teilnehmerzahlen. Vergleichen Sie es mit einem Flash Mob – auch die sind schwer prognostizierbar und am Ende bleiben nur die besonders erfolgreichen in Erinnerung und prägen sich in unser Gedächtnis.


Eine Vielzahl von Angeboten wirbt für die Unterstützung sozialer Projekte. Als Gegenleistung gibt es Sticker oder ein Buch. Kommt eine Investition da nicht einer Spende gleich?



Schiereck: Es ist wesentlich mehr als nur eine Spende. Es ist das Gemeinschaftsgefühl, das Gefühl, Teil einer coolen Bewegung zu sein, das vermittelt wird. Es gibt ja auch keine Spendenquittung oder eine steuerliche Abzugsfähigkeit.

Die Investitionsmodelle für den Film "Stromberg" verdeutlichen, wie Crowdfunding funktioniert - und zeigen vor allem, was der einzelnde Investor davon hat.
Die Investitionsmodelle für den Film "Stromberg" verdeutlichen, wie Crowdfunding funktioniert - und zeigen vor allem, was der einzelnde Investor davon hat.
Projekt Stromberg: Bürotyrann auf Geldersuche


Investoren wollen in der Regel wissen, was mit ihrem Geld passiert und wie hoch eine mögliche Rendite ist. Wie wird das beim Crowdfunding sichergestellt?



Schiereck: In der Mikrokreditfinanzierung mit Projekten in Entwicklungsländern ist kiva.org hier absolut beispielhaft. Da laufen die Investments sehr transparent, die in Aussicht gestellten Renditen sind fast schon sicher und beschränken sich auf die Rückzahlung und der Projekterfolg wird durch intensives Monitoring in Kooperation mit UN-Organisationen erreicht. Ansonsten muss sich jeder Investor aber klar darüber sein, dass er Risikokapital gibt, das erheblich ausfallgefährdet ist. Zudem wird immer wieder unterstellt, dass nur die Projekte Crowdfunding zu nutzen versuchen, die mit anderen Finanzierungsgebern nicht zum Abschluss kamen. Das läuft auf eine negative Auslese hinaus, also ist Vorsicht geboten. Crowdinvesting sollte nur mit Geldern erfolgen, die man nicht unbedingt in absehbarer Zeit wieder anderweitig benötigt.


Gibt es Beispiele für Projekte, die sich per Crowdfunding durchsetzen konnten oder eben Gegenbeispiele?


Schiereck: Filme wie ‚Stromberg‘ und ‚Der Cosmonaut‘ wären ohne Crowdfunding nicht realisiert worden. Auch der ein oder andere Pornofilm konnte so schon finanziert werden, die Kompensation kommt hier aus dem Pay-TV in den Hotels, was anscheinend gar nicht mal so wenig ist. Auch Betterplace ist recht erfolgreich. Hier versucht man durch eine vollständige Dokumentation der Projekte mittels Blogs, Fotos und Videos, den Spendern regelmäßige Informationen über ein laufendes Projekt zukommen zu lassen und somit für Transparenz hinsichtlich der Durchführung zu sorgen. Die Plattform selbst betitelt sich als die „transparenteste Spendenplattform der Welt.“ Obwohl sich Betterplace selbst lediglich als Spendenplattform bezeichnet, ist ausdrücklich erwünscht, dass Projektpläne überdies auch diskutiert und kritisch hinterfragt werden. Gesucht werden daher auch Spender, die mit spezifischem Know-how aushelfen können, was deutlich macht, dass eine Spende in diesem Zusammenhang nicht zwingend mit Geld, sondern auch mit anderen Mitteln und Leistungen verbunden sein kann.


Fotos: marcmo (Titel); startnext.de, kickstarter.com, myspass.de (Text)

Gutes per Mausklick: Spenden 2.0


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