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Kampfdrohnen

Der ferngesteuerte Tod

Wenn die unmittelbare Verbindung zum Instrument des Todes fehlt, so die Befürchtung, wird der Krieg entgrenzt und die Hemmschwelle sinkt.

Dr. Patrick Keller
 
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    Zur Person
    Dr. Patrick Keller

    Dr. Patrick Keller wurde 1978 geboren und ist Koordinator für Außen- und Sicherheitspolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. An der Zeppelin Universität lehrt er seit 2010 den Kurs Außen- und Sicherheitspolitik. Zuvor arbeitete und studierte Keller in Bonn, Washington und Berlin.
    In seinen zahlreichen Publikationen beschäftigt sich Keller vor allem mit amerikanischer Politik, Internationalen Beziehungen und internationaler Sicherheitspolitik.

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    Factbox
    Die Drohne: Ein Allroundtalent

    Geht es nach Präsident Obama, öffnen die USA in drei Jahren ihren Luftraum für Drohnen. Die Nachfrage nach unbemannten Flugobjekten boomt. Mehr als 50 Länder besitzen bereits Drohnen, tausend Unternehmen reißen sich um Marktanteile. Doch nicht nur in Konflikten kommen Drohnen zum Einsatz; sie sind vielseitige Allroundtalente. In den Vereinigten Staaten helfen sie Grenzkontrolleuren im Kampf gegen Schmuggel und illegale Einwanderung, für die NASA blicken sie in das Innere von Wirbelstürmen, in Deutschland sollen bald Rehkitze per Wärmebildkamera vor Mähmaschinen geschützt werden. In einigen amerikanischen Städten wird mit Drohnen bereits Jagd auf Verbrecher gemacht, und sogar Journalisten gelten als potenzielle Zielgruppe, wenn sie die Grundstück von Prominenten ausspähen wollen. Doch trotz aller interessanten Einsatzgebiete: Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Drohnen halten sich hartnäckig. Nach Angaben der US-Luftwaffe waren ihre Drohnen seit 2001 in mindestens 120 Zwischenfälle verwickelt, bei 76 davon wurden Drohnen zerstört.

    Geheimsache Drohnenkrieg: Einsätze in Pakistan

    Für den Drohnenkrieg der US-Amerikaner gilt Pakistan bereits seit 2004 als besonders interessanter Übungsplatz. Unter höchster Geheimhaltung führt die CIA gezielte Angriffe gegen Terrorverdächtige durch. Erst am 30. Januar 2012 bestätigte Präsident Obama die Angriffe von offizieller Seite. Juristen bezeichnen die Einsätze, bei denen bereits hunderte Unschuldige und unzählige Kinder starben, als klaren Bruch des Völkerrechts. Die Auswertung von rund 2000 Medienberichten ergab ein eindeutiges Bild des Drohneneinsatzes: Seit 2004 wurden mindestens 291 Einsätze durchgeführt, bei denen zwischen 2292 und 2863 Menschen starben. Hinzu kommen mehr als 1100 Verletzte und knapp 200 getötete islamistische Funktionäre. Zugleich starben bei den Angriffen auch etwa 385 bis 775 Unbeteiligte, darunter 164 Kinder. Seit Obamas Amtsantritt wird alle vier Tage ein Drohnenangriff geflogen – der Krieg der Zukunft ist unbemannt, leise und kommt aus der Luft.

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Die Zahlen zum weltweiten Drohnen-Einsatz sprechen eine klare Sprache: Der Konflikt der Moderne ist unbemannt. Die US-amerikanischen Streitkräfte nutzen heute mehr als 11.000 Drohnen. Vor zehn Jahren waren es weniger als 200. Hinter den Amerikanern bringen sich 50 weitere Staaten in Stellung, darunter auch Deutschland, die über ferngesteuerte Luftfahrzeuge verfügen. Einige von ihnen sind so groß wie Schmetterlinge oder kleine Vögel, andere so groß wie riesige Flugzeuge. Wurden die ferngesteuerten Flugobjekte vor wenigen Jahren noch, mit Kameras ausgerüstet, zum Ausspähen feindlicher Stellungen benutzt, werden heute auch per Raketenabschuss gezielt Feinde getötet.

Trotz der aktuellen Debatte beschwichtigt Experte Keller, der an der Zeppelin Universität Außen- und Sicherheitspolitik lehrt und Koordinator für Außen- und Sicherheitspolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin ist, zunächst: „Drohen sind prinzipiell nichts radikal Neues, sondern eine Weiterentwicklung bisheriger militärischer Innovationen. An sich also nicht viel mehr als ein unbemanntes Flugobjekt. Sie können eine Kamera dranschrauben, und sie zu Aufklärungszwecken nutzen.“
Genau dies sei auch Kern der Diskussion, die aktuell in der Bundesrepublik herrscht: „Das Ziel der Deutschen Politik ist momentan, bereits bestehende Einsätze zu flankieren. Das ist ein sehr taktischer Einsatz, der weitgehend unkontrovers ist“, erläutert Keller. Einen Einsatz zur gezielten Tötung durch die Legitimation solcher Einsätze schließt er dabei klar aus. Selbst Aufklärungseinsätze erfolgten bereits in einer rechtlichen Grauzone, für einen Kampfeinsatz sei aber „definitiv ein Mandat nötig“. Ein solches Vorgehen sei in Deutschland aber nicht annähernd im Gespräch.

Die Drohne: Ein Allroundtalent


Ganz anders als in der Bundesrepublik ist die Situation in den Vereinigten Staaten. In einem Papier bescheinigte Jay Carney, Sprecher des Weißen Hauses, Amerika vor kurzem einen „legalen, ethischen und weisen“ Umgang mit den tödlichen Drohnen, selbst dann, wenn dabei Frauen und Kinder und sogar amerikanische Staatsbürger zu Tode kommen. Die unbemannte Kriegsführung geht heute überwiegend von den USA aus. „Die gezielten Tötungen sind völkerrechtlich hoch problematisch und können für die Deutschen auch kein nächster Schritt sein“, sagt Keller. „Die USA hingegen erfüllen eine andere Rolle. Als Führungsnation im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und zur Befriedung kritischer Regionen nutzen die Amerikaner Drohnen auch zur gezielten Tötung von Feinden.“
Dafür ist allerdings in den USA die Zustimmung des Präsidenten nötig, der sich über seine eigene demokratische Legitimation hinaus auch auf einen Kongressbeschluss berufen kann: „Der Präsident braucht in einer erklärten Kriegssituation in Einzelfällen keine weitere Zustimmung. Für seinen Drohnenkrieg im afghanischen Grenzgebiet beruft sich Obama auf die Ermächtigung zum Waffeneinsatz gegen Terroristen, die George W. Bush 2001 erhalten hat. Da der Kongress seine Zustimmung noch nicht widerrufen hat, besitzt Obama freie Hand und handelt demokratisch legitimiert.“

Während momentan vor allem der staatliche Einsatz debattiert wird, blicken Experten besorgt auf Rebellen oder Terrororganisationen. Keller bezweifelt jedoch den Einsatz durch diese Gruppen, da Drohnen technisch zu komplex und ohne die richtige Technologie nicht steuerbar seien.
Anders sähe es bei der Nutzung von Staaten aus: „Jeder Staat kann sich Drohnen auf dem freien Weltmarkt kaufen“, sagt Keller. Der weltweite Umsatz der führenden Waffenkonzerne belief sich 2011 auf 305 Milliarden Euro; gepanzerte Fahrzeuge und Drohnen verkaufen sich besonders gut. Gleichzeitig sieht Keller aber auch eine starke Bewegung in der Sicherheitspolitik, um Nutzung, Verkauf und Weitergabe in den Griff zu bekommen. „Wenn der Wille da ist, dann lassen sich Drohnen genauso bannen wie andere Waffen“, erklärt Keller, der eine starke internationale Initiative von Nichtregierungsorganisationen erwartet.

Geheimsache Drohnenkrieg: Einsätze in Pakistan


Neben dem rechtlichen hat die Debatte aber auch einen psychologischen Aspekt. „Besonders die Distanz ist Auslöser für viele Probleme psychologischer und auch legaler Art. Die gezielte Tötung ohne eigene Gefährdung entspricht nicht mehr der ritterlichen Vorstellung von früher“, skizziert Keller abschließend. „Wenn die unmittelbare Verbindung zum Instrument des Todes fehlt, so die Befürchtung, wird der Krieg entgrenzt und die Hemmschwelle sinkt.“ Das sei für viele eine „unheimliche Vorstellung“ und werde als „schlichtweg unfair“ empfunden, erklärt Keller. Regeln, die für konventionelle Konflikte mit Soldaten aufgestellt wurden, passten nicht mehr für die asymmetrischen Konflikte unserer Zeit. „Wo die Grenze zwischen Täter und Opfer verläuft, zwischen Soldat und Zivilist, ist nicht immer eindeutig zu beantworten“, so Keller.

Zugleich blickt Keller mit Sorge in die Zukunft: „Komplizierter und fragwürdiger wird es, wenn wir an die nächste Entwicklungsstufe denken. Stellen Sie sich vor, eine Drohne nimmt über längere Zeit Bewegungsmuster auf, anhand derer eine Zielerfassung vorgenommen wird: Jemand, der oft in eine Moschee geht und anschließend in ein Haus, in dem ein Terrornetzwerk vermutet wird, der landet automatisch auf einer Ziel-Liste und wird im härtesten Fall ohne menschliche Kontrolle eliminiert. Ich glaube, ich muss nicht weiter ausführen, was damit für riesige Probleme verbunden wären.“
Bis August 2011 kamen bei mehr als 300 Drohnenangriffen über 2.400 Menschen ums Leben, darunter mehr als 400 Zivilisten. Abu Jahja Libi, Nummer zwei des Terrornetzwerkes Al Kaida, starb im Juni 2012 durch einen Drohnenangriff. „Politik ist ein schwieriges Geschäft. Als für die Sicherheit ihrer Bevölkerung verantwortlicher Politiker können sie in der Regel nur unter problematischen Alternativen wählen – es gibt keine einfachen Lösungen“, sagt Keller.


Foto: USAF Museum | U.S. Air Force

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