Generation Y

Was glaubt der Nachwuchs?

Wir haben es mit einer Generation "Keine Generationsdefinitionen bitte!" zu tun. Multiple Wege, multiple Biografien, entschiedene Unentschiedenheit.

Professor Dr. Stephan A. Jansen
Präsident der Zeppelin Universität
 
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    Zur Person
    Stephan A. Jansen

    Professor Dr. Stephan A. Jansen wurde im Mai 2003 zum Gründungspräsidenten und Geschäftsführer der Zeppelin Universität berufen. Im gleichen Jahr wurde er durch das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg als Professor auf den Lehrstuhl für „Strategische Organisation & Finanzierung | SOFI“ ernannt. Nach einer Banklehre als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes absolvierte er ein Studium der Wirtschaftswissenschaft in Witten/Herdecke, an der New York University sowie der Tokyo Keizai University. 1997 bis 2003 schlossen sich weitere wissenschaftliche Stationen an der Stanford University sowie der Promotion an der Harvard Business School an.

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Jeder Generation ihr Etikett – nun haben wir also die Generation Y. Das sollen die sogenannten Digital Natives sein, selbstbewusst, nicht mehr sonderlich an Karriere, sondern mehr an Selbstverwirklichung interessiert. Ein Kommentator bei Spiegel online nennt sie die Generation „Überfordert mich nicht!“ Wie würden Sie sie nennen?

Professor Dr. Stephan A. Jansen: Tatsächlich sollten wir – Journalisten wie Wissenschaftler – besser nicht über eine Generation X, Golf, Null Bock oder eben Y reden. Das sind alles nur Bezeichnungen, die kleinste Veränderungen dramatisieren. Im Grunde wird dabei das Habitus-Extrem einer Boheme generalisiert – davon aber kommen meist nur ein paar sanfte Umschwünge in der jeweiligen Generation an, mit einem zeitlichen Verzug von vielleicht fünf Jahren. Die 68er sind ein tolles Beispiel, denn die meisten waren ganz gewöhnliche Menschen und haben vermutlich sogar zwei Mal mit demselben gepennt…

Also alles nur Alarmismus: Ein Minderheitenphänomen, das generalisiert wird?

Jansen: Nicht ganz. Bei der Generation der jetzt 18- bis 32-jährigen ist die Boheme so verhaltensauffällig, dass sich Personalabteilungen allerorts genauso Gedanken machen wie die Medien – nur kommt man mit Verallgemeinerungen und Vermutungen nicht weiter. Wenn die Shell-Jugendstudie 2012 die Überangepasstheit hervorhebt und Don Tapscott bereits 1998 behauptet, wir hätten es erstmals in der Geschichte mit Kindern zu tun, die höher qualifiziert seien als ihre Eltern, dann wird es Zeit, sich genauer anzusehen, was sich zum Beispiel durch die digitalen Fähigkeiten dieser Generation konkret ändert – und da wird die Faktenlage dünn. Fest steht, dass die Existenzangst auf niedrigen und mittleren Bildungsstufen zunimmt, während sich für höher Gebildete die Regeln im Karrierespiel ändern.

Ein paar wenige Fakten aber doch:
(1) Die Verbundenheit mit und die Abhängigkeit von den (Patchwork-)Eltern ist höher: Die Generation bleibt länger im Elternhaus und wird bis Mitte 30 substanziell finanziell unterstützt.
(2) Mobilität nimmt ab: Die Generation fährt gern in Urlaub, setzt sich aber weniger stark internationalen Erfahrungen aus.
(3) Die Empathie nimmt ab: Soziale Netze führen eher zu Kontakten als zu belastbaren Beziehungen.
(4) Fachkarrieren sind attraktiver als Führungskarrieren: Erste Befunde weisen darauf hin, dass die nächste Generation eher auf interessante projektfokussierte Fachkarrieren setzt, während gleichzeitig die Verweildauer von Führungskräften sinkt.

Das ist dann doch eine Menge Veränderung, auf die sich Personalmanager einstellen sollten.

Jansen: Nimmt man die Befunde zusammen, dann ist eine nicht uninteressante Umstellung zu beobachten: Ging es früher um oben oder unten, so geht es jetzt um innen oder außen. Vom Aufstieg in der Ordnung des Geheiligten – also der Hierarchie – zur Ordnung durch Nachbarschaftspflege – also der Heterarchie. Diese Generation könnte Sinn in gesellschaftlichem Engagement suchen, nachdem Zivil- oder Wehrdienst Phantomschmerzen verursachen.

Konkret haben wir es mit einer Generation „Keine Generationsdefinitionen bitte!“ zu tun. Multiple Wege, multiple Biographien, entschiedene Unentschiedenheit. Und dann im besten Falle „Optimistische Sinnstifter“ und „Spielregel-Änderer“.

Wie ist es dazu gekommen?

Jansen: Diese Leute haben erlebt, was der Soziologie Charles Perrow als die „Normalität der Katastrophe“ beschrieb: Krisen technischer, finanzieller, sozialer, klimatischer Art. Diese Generation hat von der New Economy-Krise über 9/11 und Fukushima bis hin zur Finanzmarkt- und EU-Krise tatsächlich eine Normalität der Katastrophe erlebt, die einerseits für Abstumpfung sorgen könnte, aber eben auch für Engagement und den Wunsch nach Spielregeländerung. Dazu kommen der Rückenwind der Demographie und der Vermögensnachfolge, der Gegenwind der vorherigen Generation, die Auseinandersetzung mit den alten Spielen und Vorbildern und schließlich die Nutzung nachbarschaftlich organisierter Sozial-Techniken.


So groß scheint der Demografie-Vorteil noch nicht zu sein, wenn man an die „Generation Praktikum“ denkt.

Jansen: Das war wohl vor allem ein schönes Medienthema, also dort wo Praktikanten Belegschaften simulieren – tatsächlich handelte es sich um die seit Jahrhunderten stabile Sucharbeitslosigkeit nach Abschluss des Studiums, die nun intelligenter überbrückt wird. Ganz sicher aber wird die Alterung der Gesellschaft dafür sorgen, dass Arbeitsmärkte zu Arbeitnehmermärkten werden – mit Definitionshoheiten der Arbeitnehmer, aber mit beidseitigen Anforderungen an die Flexibilität.

Gleichzeitig sorgt die erstmalige Vermögensnachfolge seit gut 100 Jahren in Deutschland für eine neue Gelassenheit der nächsten Generation. Das kann Dekadenz bedeuten, aber auch eine stärkere Interessengeleitetheit. Allerdings ist der Gegenwind der vorherigen Generation, also derjenigen, die jetzt in den Führungspositionen sitzt, nicht zu unterschätzen. Sie werden länger arbeiten und sich vielleicht auch nicht so schnell von den ritualisierten Machtspielen verabschieden wollen. Erste Studien sprechen von 50 Prozent Verweigerern und Bremsern im bestehenden Management.

Sie stehen gegen Nachfolger, die in Sozialen Medien projektbezogene Nachbarschaftlichkeit erfahren haben und mit aufstiegsbezogenen Hierarchien nicht viel anfangen können. In Netzwerken sozialisiert, haben sie frühere und genauere Selbst-Beobachtung und gelernt und achten stärker auf Selbst-Wirksamkeit, also: Was kommt bei dem, was ich tue, raus?

Die Generation, die bereits in zwölf Jahren weltweit 75 Prozent der Erwerbstätigen stellen wird, stellt also die Personalabteilungen – sämtlich aus der vorherigen Generation, der man den Stempel X verpasst hat – auf die Probe. Nicht nur Kunden, die Globalisierung und das Auf und Ab der Konjunktur machen den Unterschied, sondern eben auch die Angestellten, die sich anstellen, weil sie nicht mehr so angestellt sein wollen wie die Vorgänger.

Sind die Unternehmen darauf vorbereitet?

Jansen: Das kommt darauf an. In der Zusammenarbeit mit öffentlichen Verwaltungen, Unternehmen und auch zivilgesellschaftlichen Organisationen bzw. Kulturbetrieben lassen sich da sehr unterschiedliche Reflexionsniveaus feststellen.
Insgesamt ist durchaus eine Neugier zu spüren, insbesondere bestimmte Großkonzerne mit breit aufgestellter Personalarbeit prüfen neue Formen des Recruiting, aber auch der längerfristigen Bindung.

Die von einzelnen Medien gern veröffentlichten Arbeitgeberrankings scheinen hingegen mit ihren Fragebögen noch nicht ganz auf dem Niveau der Diskussion zu sein.

Was schlagen Sie vor?

Jansen: Unsere Empfehlungen sind die folgenden: (1) Fokus auf die Selbstwirksamkeit der jungen Mitarbeiter durch Zukunftsprojekte, (2) Experimentierfreude in neuen Arbeitsformen im physischen wie digitalen Raum, (3) Sinnstiftung innerhalb des Geschäftsmodells, (4) Geübte „Flexicurity“ – also Sicherheit in flexiblen Arbeitsrhythmen – von Sabbatical, über Intensivprojekte im Beruf über die Elternschaft und Angehörigenpflege bis hin zu konstruktiver Kurzarbeit, (5) Alternative Entwicklungsmöglichkeiten jenseits des hierarchischen Aufstiegs und besonders bei Akademikern (6) eine individuelle Lernkurve im Austausch mit Wissenschaftlern, Konkurrenten und noch viel wilderen Akteuren der Gesellschaft.

Als ein Fazit könnte man vielleicht auch sagen, dass sich die Rolle des Arbeitgebers ändert: Mitarbeiter werden ihre Aufgaben künftig stärker selbst definieren können – also keine bloßen Arbeitnehmer mehr sein. Mit der erstaunlichen Folge einer Renaissance der Loyalität für die eigene Organisation.



TitelfotoVictor1558 (CC BY 2.0)

Dieser Beitrag erschien in gleicher Form in der brandeins Ausgabe 2/2013.

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