Immobilienblase

Die Stabilität der Bausparkassen

Einerseits werden Bausparkassen gerade sehr viel als sichere Anlageform im Rahmen bestehender Verträge genutzt, andererseits sieht man an den neuesten Zahlen, dass auch viele neue Verträge geschlossen werden.

Professor Dr. Marcel Tyrell
 
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    Zur Person
    Professor Dr. Marcel Tyrell

    Seit 2009 leitet Prof. Dr. Marcel Tyrell das Buchanan Institut für Unternehmer- und Finanzwissenschaften der Zeppelin Universität. Vorher lehrte er unter anderem an der Universität Frankfurt, der University of Pennsylvania und der European Business School. Schwerpunktmäßig forscht er an Veränderungen von Finanzsystemstrukturen, mikro – und makroökonomischen Auswirkungen von Finanzkrisen und der Verschuldungsdynamik von Volkswirtschaften.

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    Factbox
    Was ist eine Immobilienblase?

    Unter einer Immobilienblase versteht man die Überbewertung von Immobilien. Das konnte zuletzt in Irland, Spanien und den USA beobachtet werden.
    In den USA hatte man in den Jahren vor der Krise verstärkt Subprime-Kredite vergeben, also Kredite an weniger solide Kreditkunden. Die eventuelle Nicht-Zahlungsfähigkeit sah man aufgrund der angenommenen stetigen Wertsteigerungen der Immobilie nicht als Problem. Man konnte deswegen sogar Konsumentenkredite auf die sich abbildende Hauspreissteigerung aufnehmen. Die zusätzliche oftmals mehrstufige Verbriefung der Kreditrisiken zur besseren Verteilung des Risikos führten zur Erhöhung des systemischen Risikos im Finanzsystem und löste im Zuge des Ausbruchs der Finanzkrise ein Bankensterben und die weltweite Wirtschaftskrise aus.

    Wie funktioniert das deutsche Bausparen?

    Bausparen ist freiwilliges Sparen mit dem Ziel, ein Darlehen für wohnungswirtschaftliche Zwecke zu erlangen, das niedrig verzinst und von den Zinsschwankungen des Kapitalmarktes unabhängig ist. Der Bausparvertrag ist ein zweiphasiges Vertragsverhältnis, bei dem nach dem Sparstadium ein Rechtsanspruch auf ein günstiges kapitalmarktunabhängiges Darlehen entsteht. Erreicht der Bausparvertrag diese Zuteilungsreife muss das Darlehen aber nicht in Anspruch genommen werden. Bausparen wird oftmals als sichere Anlageform verwendet. In Deutschland existieren zehn Landesbausparkassen und zahlreiche Private, wie Schwäbisch Hall, Debeka oder wüstenrot

    Theorie der Finanzintermediation

    Banken und andere Finanzinstitutionen werden als Finanzintermediäre bezeichnet, denen in der neoklassischen Wirtschaftstheorie keine sinnvolle Rolle bezüglich ökonomischer Wertschöpfung zugeschrieben wird. Die Annahme ist ein Markt, der nicht versagt, in denen Banken nur den Zahlungsverkehr regeln.
    Aus den in der Praxis jedoch erkennbaren Unvollkommenheiten des Marktes ergeben sich Hinweise für die Gründe der Existenz und des Verhaltens von Finanzintermediären. Dies versucht die Theorie der Finanzintermediation zu beschreiben. Dabei gibt es drei Kategorien:
    Finanzintermediäre als Informationsproduzenten, Finanzintermediäre als Liquiditätsproduzenten und Finanzintermediäre als Partner für langfristige Finanzierungsbeziehungen.

    (Quelle: http://www.daswirtschaftslexikon.com/d/finanzintermediation/finanzintermediation.htm#FI65H4) 


    Professor Dr. Marcel Tyrell veröffentlichte im Jahr 2003 das Buch “Kapitalmärkte und Banken – Unterschiedliche Formen der Informationsverarbeitung als
    konstitutives Merkmal
    “ im Gabler Verlag.

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Der Traum vom Eigenheim. Er steht gerade in Zeiten der Inflationsangst für eine sichere Investition. 2011 nahmen die Deutschen ein Kreditvolumen von 111 Milliarden Euro für den Wohnungsbau auf. Dabei beinhalten vier aus zehn Eigenheimfinanzierungen ein Darlehen einer deutschen Bausparkasse.
Doch kann man auf die Sicherheit dieser Anlage vertrauen? Welch fatale Entwicklung die starke Investition in Immobilien nehmen kann, zeigten die Blasenbildungen in Irland, Spanien und den USA. Und auch in Deutschland boomt der Immobilienmarkt derzeit kräftig. Insbesondere in den Städten wie München, Hamburg und Frankfurt am Main kommt es zu Knappheitseffekten, die die Preise in die Höhe schnellen lassen. Zudem begünstigt die anhaltende Niedrigzinsphase den Bau oder den Kauf von Immobilien. All das sind mögliche Anzeichen einer Immobilienblase, wie sie in den USA beobachtet werden konnten. Doch laut Professor Dr. Marcel Tyrell, Inhaber des Buchanan Lehrstuhls für Unternehmer- und Finanzwissenschaften an der Zeppelin Universität, besteht in Deutschland bisher kein Grund zur Panik. Diese Tendenzen der Preissteigerung in einigen Regionen führten durch die Art der Immobilienfinanzierung noch nicht dazu, dass ein Aufbau einer Blase zu beobachten sei.

Was ist eine Immobilienblase?


Deutschland ist anders. Das Land verfügt nach Erhebungen des britischen Magazins The Economist im Unterschied zu anderen Ländern wie Spanien, Frankreich und auch Schweden, über einen der stabilsten Immobilienmärkte. Marcel Tyrell und Manuel Molterer, Doktorand und Mitarbeiter am Buchanan Institut, erforschen die Gründe für die unterschiedliche Volatilität auf den Immobilienmärkten. Damit leisten sie einen Beitrag zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Finanzkrise, die zeigte, welche Bedeutung die Immobilienfinanzierung und -preisentwicklung für die Stabilität des gesamten Finanzsystems haben kann.

Die beiden Wirtschaftswissenschaftler beschäftigen sich in diesem Rahmen mit einer deutschen Finanzinstitution, welcher in der Forschung bisher wenig Bedeutung zugeschrieben wurde und die für die beeindruckende Stabilität des deutschen Immobilienmarktes mitverantwortlich sein könnte – derjenigen der deutschen Bausparkassen. Bisher gebe es kaum theoriegeleitete oder empirische Analysen, so Tyrell. Das soll mit der Ausarbeitung einer Theorie der Bausparkasse geändert werden.

Wie funktioniert das deutsche Bausparen?


Zum Gegenstand der Forschung wurde die Bausparkasse aufgrund ihrer besonderen Rolle in der deutschen Finanzlandschaft. Mit ihrer Hilfe kann der Bau oder Erwerb einer Immobilie mit einem relativ guten Fundament an Eigenkapital und einem hohen Maß an Planungssicherheit finanziert werden. Tyrell betont, dass das in dem Moment wichtig sei, wenn die Finanzierung schwierig werde: „Existiert dann wenig Eigenkapital, das als Puffer fungieren könnte, kann es auch schnell in eine Privatinsolvenz hineingehen.“ 


Und die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte zeigt, dass das Bausparwesen an Bedeutung gewonnen hat. Laut Manuel Molterer erklärt sich dies unter anderem durch die hohe Reputation der Bausparkassen: „Sie gelten als sehr solide Institutionen. Wenn wir die Finanzkrise betrachten, stellen wir fest, dass Bausparkassen bisher nie im Zentrum der Diskussion standen. Es gab kaum Sorgen über eine Instabilität.“ Zum anderen sei es gerade heute ein erstrebenswertes Ziel, Eigenheim zu erwerben. Davon profitieren natürlich auch die Bausparkassen.


Tatsächlich haben die Bausparkassen auch in der Finanzkrise – bisher jedenfalls - nicht gelitten. Eher entwickelte es sich zu deren Vorteil, dass beispielsweise Alternativanlagen wie Staatsanleihen unattraktiv wurden. Das liege auch daran, dass Bausparverträge ebenso für Sparzwecke ohne die Inanspruchnahme eines Baudarlehns genutzt werden, so Tyrell. 

Theorie der Finanzintermediation


Aufbauend auf einer allgemeinen Theorie der Finanzintermediation, wollen die Wissenschaftler herausfinden, was genau das entscheidende Element ist, das die Existenz von Bausparkassen begründet. Tyrell vermutet, dass die Bausparkassen in der Lage dazu seien, über ihre Reputation Liquiditätsengpässe zu beseitigen. „Einerseits werden Bausparkassen gerade sehr viel als sichere Anlageform genutzt, andererseits sieht man an den neuesten Zahlen, dass viele neue Verträge geschlossen werden", sagt Tyrell. Das heißt, Bausparkassen gelten auch in Krisenzeiten als sicherer Anker für die Anlage von Kapital, wodurch sie Preiszyklen im Immobilienmarkt abfedern können. Darüber hinaus zeichnen sich die Bausparkassenverträge durch eine vertraglich festgelegte, langfristig ausgerichtete Zinsstruktur aus. Dies könnte dazu führen, dass gerade in Zeiten volatiler Zinsstrukturkurven die Bausparkassen für eine Glättung der Zinsstruktur sorgen würden, damit den Immobilienmarkt stabilisieren und sogenannte „boom and bust“-Zyklen vermeiden helfen könnten, so die These von Tyrell und Molterer.

Weiterhin wollen die Forscher einen Index entwickeln, der für ländervergleichende Untersuchungen der Art und Weise der Immobilienfinanzierung genutzt werden kann. In mehreren Ländern soll untersucht werden, ob es Institutionen gibt, die eventuell ähnlich wie Bausparkassen agieren und ob diese einen stabilisierenden Einfluss auf die Immobilienmärkte haben. Die Betrachtung dieses Mikrofaktors des Finanzsystems ermöglicht es den Forschern, das System als Ganzes besser zu verstehen. Ebenso sind politische und regulatorische Implikationen denkbar. Letztlich verfolgen Tyrell und Molterer das Ziel, Wissen zu generieren, das es erlaubt, aus einer regulativen Sicht proaktiv agieren zu können. Krisen sollen so bereits vor ihrem potentiellen Ausbruch besser identifiziert und damit eher eingedämmt werden können.



Bild: flickr (Nathan Jongewaard)

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