Fußball

Warum immer dieselben jubeln

Da, wo die Europäische Union eingegriffen hat, hat sie es aus der Fairness-Perspektive schlimmer gemacht.

Katharina Barsch
 
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    Zur Person
    Katharina Barsch

    Barsch ist als Beraterin für Eurosoc tätig. Sie hat in Bamberg Politikwissenschaft studiert und mit dem Bachelor abgeschlossen. Ihre Forschungsarbeit zum europäischen Fußball stellte sie auf der ersten studentischen Forschungskonferenz an der Zeppelin Universität vor.

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    Factbox
    Studentische Forschungskonferenz ZUfo

    Katharina Barsch stellte ihre Forschungsarbeit im Rahmen der interdisziplinären studentischen Forschungskonferenz der Zeppelin Universität Friedrichshafen vor. Studenten aus allen Fachrichtungen und von unterschiedlichen Universitäten wurden im März 2013 dort zusammengebracht, um über gesellschaftliche Herausforderungen und Phänomene rund um das Thema „Pfadabhängigkeiten“ zu diskutieren. Die Konferenz wird mit einem anderen Thema 2014 erneut stattfinden.

    Das Bosman-Urteil

    Am 15.12.1995 entschied der EuGH zugunsten des Fußball-Spielers Bosman und machte deutlich, dass weder Ablösesummen noch Ausländerklauseln mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Europäischen Wirtschaftsraum vereinbar sind. Jean-Marc Bosman zog vor allem wegen der Ablösesummen, die auch noch nach Vertragsende gezahlt werden mussten, vor Gericht. Der belgische Fußballspieler wollte 1990 nach Ablauf seines Vertrages beim RC Lüttich zum französischen US Dunkerque wechseln, der dafür eine Ablösesumme von etwa 300,000 Euro entrichten sollte. Da aber Zweifel an der Solvenz des französischen Vereins bestand, scheiterte der schon ausgehandelte Vertrag.

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    Mehr ZU|Daily
    Auf dem Holzweg
    Pfadabhängigkeiten sind das Thema der studentischen Forschungskonferenz ZUfo am 23. Februar. ZU-Student Paul Kumst stellt hier die Gefahr des zyklischen Geschichtsverständnisses von Machiavelli zur Debatte.
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Woran liegt es, dass immer einer der großen reichen Fußballclubs wie Madrid, Barcelona oder Bayern die Champions League gewinnt?


Das hängt damit zusammen, dass der ganze Fußball in Europa so aufgebaut ist, dass erfolgreiche Vereine noch erfolgreicher werden. Es gibt die These, wer mehr Geld hat, hat auch mehr Erfolg. Das funktioniert aber in mehrere Richtungen: Erfolg führt auch zu mehr Geld. Die ganzen Strukturen, wie die Platzvergabe in der Champions League oder die Transferregeln für Spieler, unterstützen das.

Studentische Forschungskonferenz ZUfo


Ihre zentrale These ist, dass die Strukturen und Prozesse in den Institutionen im europäischen Fußball eine Ungleichverteilung von Chancen auf Erfolg fördern. Worum geht es konkret?

Es ist einerseits das Spielsystem selbst. Die Platzvergabe in der Champions League regelt die UEFA-Fünf-Jahreswertung. Mit jedem erfolgreichen Verein bekommt die Liga mehr Punkte und mehr Startplätze. Das heißt wenn die Bundesliga in den letzten fünf Jahren in der Champions League extrem erfolgreich war, dann bekommt sie auch mehr Startplätze. Eine kleine Liga, wie die kroatische, bekommt keinen festen Startplatz. Hier müssen sich Mannschaften erst qualifizieren und diese Ligen sind dann maximal mit einer Mannschaft vertreten. Aber je mehr Vereine einer Liga in der Champions League vertreten sind, umso mehr Punkte bekommt sie innerhalb der Fünf-Jahreswertung, und umso mehr Startplätze im folgenden Jahr.

Welche Rolle spielt die Vermarktung der Fußballvereine?


Der ganze Absatzmarkt neben dem eigentlichen Fußballspiel ist ein weiterer Faktor für die Ungleichheit. Erfolgreiche Vereine können sich auch international ganz anders vermarkten. Man sieht, dass Dortmund und München in Asien unheimlich populär sind und dort einen ganz anderen Absatzmarkt für Fernsehrechte und Merchandise-Artikel haben. Dadurch machen sie mehr Geld, können bessere Spieler kaufen und schließlich wieder mehr gewinnen und wieder mehr Geld machen. In der Bundesliga werden zunehmend asiatische Spieler eingekauft, weil dadurch der Absatzmarkt in Asien erweitert werden kann.
Der dritte Faktor ist die Vermarktung der Fernsehrechte. In Deutschland wird das zentral gemacht. Alle Einnahmen daraus gehen in einen Topf, der wieder an die Vereine verteilt wird. Lange Zeit wurde dieses Geld gleichmäßig verteilt. Da war es egal, wie gut ein Verein war. Dann hat die EU entschieden, dass das wettbewerbswidirg ist weil die zentrale Vermarktung und die Gleichverteilung ein Monopol ist. Durch die Klagemöglichkeit haben die starken Vereine erreicht, dass die Gelder jetzt disproportional verteilt werden. Die erfolgreichen Vereine bekommen also mehr aus diesem Topf.

Gibt es auch einen Interessenkonflikt zwischen den Verbänden UEFA und DFB und den einzelnen Mannschaften?

Die Mannschaften haben das Interesse, so viel Geld wie möglich für sich rauszuschlagen. Für sie wäre es am günstigsten, wenn sie beispielsweise die Fernsehrechte selbst vermarkten könnten. Die Verbände, gerade die UEFA und der DFB, sind an einem ausgeglichenen Wettbewerb und an Fairness interessiert. Deswegen wollen sie die Gelder gleich verteilen. Aber das europäische Wettbewerbsrecht macht das problematisch. Die EU-Ebene macht den Fußball-Markt damit liberaler, aber auch ungleicher.

Sie erklären die Ungleichheiten mit dem Konzept der Pfadabhängigkeiten. Warum?

Mit dem Pfadabhängigkeitsansatz können grundsätzliche Mechanismen identifiziert werden, um zu verstehen, warum im europäischen Fußball Erfolg zu Erfolg führt. Konkret sind diese Mechanismen Positives Feedback, sinkende Kosten und Selbstverstärkung. Diese Mechanismen kann man auf verschiedenen Ebenen betrachten, die sich in die drei Bereiche Erfolg, Geld und Macht aufteilen lassen. Zum Beispiel ist die UEFA Fünf-Jahreswertung ein klarer Fall von positivem Feedback. Mit jedem Gewinn steigen meine Chancen, im nächsten Jahr wiederzugewinnen, weil meine Chancen größer sind, einen Startplatz zu bekommen.

Sie haben nach der theoretischen Betrachtung empirisch untersucht, ob es ein Auseinanderdriften zwischen den europäischen Mannschaften und den europäischen Ligen hinsichtlich des Erfolges gibt. Was war das Ergebnis?


Es lässt sich beobachten, dass es eine Lücke zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Vereinen gibt, die sich vergrößert. Und es sind tatsächlich zunehmend immer die gleichen Vereine aus den immer gleichen großen Ligen in der Champions League vertreten. Auch in den Ligen gibt es eine Spaltung, so dass die erfolgreichen Vereine in den Ligen immer erfolgreicher werden und die schwächeren immer schwächer. Entsprechend sind die erfolgreichen Vereine immer in der Champions League vertreten.
Und dann gibt es in Europa das Phänomen, dass es ein Auseinanderdriften zwischen allen Ligen gibt. Das hängt aber mit einem anderen Mechanismus zusammen. Seit dem Bosman-Urteil in den 1990er Jahren ist es so, dass Spieler frei zwischen den Ligen wechseln können. Das führt im Prinzip dazu, dass die großen die kleinen Ligen leer kaufen. Das heißt, der Markt für Spieler, also das Produktionsmittel, wurde liberalisiert, aber der Markt für das Produkt nicht. Es kann kein belgischer Verein in der Bundesliga spielen, weil da die Verdienstmöglichkeiten besser sind. Die Vereine sind immer noch an ihre Liga gebunden, während es die Spieler nicht mehr sind. Und wenn die guten Spieler nicht in der eigenen Liga zu halten sind, dann leidet das Niveau der gesamten Liga – auch das der guten Vereine. Im Endeffekt führt das schwache Gesamtniveau zu schlechteren Chancen, in der Champions League dabei zu sein.

Das Bosman-Urteil


Und wie beurteilen sie das Problem?

Bei einer normativen Betrachtung könnte man aus verschiedenen Perspektiven argumentieren. Aus einer marktliberalen Perspektive würde man vielleicht sagen, dass das alles unproblematisch ist. Weil es nun mal so ist: wer sich die besseren Produktionsmittel kaufen kann, hat auch das bessere Produkt. Man könnte aber auch Sport als gesellschaftliches Gut betrachten, und fragen: alle diskutieren über soziale Gerechtigkeit, warum spielen Fairness und Chancengleichheit in den Strukturen des Sports keine große Rolle?

Letztlich ist Fußball ein wahnsinnig lukratives Geschäft, da hat Gerechtigkeit wenig Platz, oder?


Da müsste die gesellschaftliche und politische Ebene einschreiten und Gesetze machen. Im Prinzip läuft Sport relativ unreguliert. Da, wo die Europäische Union eingegriffen hat, hat sie es aus der Fairness-Perspektive schlimmer gemacht.



Foto: flickr (jiazi)

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