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Öffentlichkeit

Wie gefährlich sind Websites wie BuzzFeed?

Neue und alte Medien kämpfen heute in unterschiedlichen Arenen um öffentliche Wahrnehmung.

Prof. Dr. Udo Göttlich
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Udo Göttlich

    Professor Dr. Udo Göttlich ist seit Oktober 2011 nach verschiedenen Gastprofessuren in Klagenfurt, Hildesheim und München Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Medien- & Kommunikationswissenschaft an der Zeppelin Universität. Seine Schwerpunkte liegen im Verhältnis und Zusammenhang von Medien- und Gesellschaftswandel.

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    Factbox
    Die BITKOM-Studie zum Social Media Verhalten der Deutschen

    Kaum ein anderes Medium hat sich so schnell verbreitet wie soziale Netzwerke. Mittlerweile sind vier von fünf (78 Prozent) Internetnutzern in Deutschland in einem sozialen Netzwerk angemeldet und 67 Prozent nutzen diese auch aktiv. Bei den 14-29-Jährigen sind sogar 90 Prozent in einem oder mehreren Netzwerken aktiv. Für Millionen von Menschen gehört die Nutzung von Facebook, Twitter oder Xing also zum Alltag. 


    Gleichzeitig ist sehr viel Dynamik in diesem Markt: Neue Netzwerke entstehen, andere verschwinden, die Anbieter entwickeln neue Funktionen und auch die Nutzung der Plattformen verändert und differenziert sich. Über die Verbreitung der Netzwerke hinaus behandelt die Studie Fragen zur Nutzungsdauer, zur Verbreitung der verschiedenen Plattformen und zum Umgang der Nutzer mit Privatsphäre.

    Das "heute-journal" ist das meistgesehenste Nachrichtenmagazin

    Mit durchschnittlich 3,65 Millionen Zuschauern ist das „heute-journal“ Deutschlands meist gesehenes Nachrichtenmagazin. Claus Kleber, Marietta Slomka und Christian Sievers moderieren die Sendung. Gegen den Trend verzeichnet das „heute-journal“ eine wachsende Zahl jüngerer Zuschauer in der Gruppe der 14- bis 49-Jährigen.

    Auf dem Weg zur Unterhaltungsöffentlichkeit

    Auf dem Weg zur Unterhaltungsöffentlichkeit? Aktuelle Herausforderungen des Öffentlichkeitswandels in der Medienkultur" erschien im Sammelband "Die Zweideutigkeit der Unterhaltung. Zugangsweisen zur Populären Kultur" , Köln: Herbert von Halem Verlag, S.202-219.

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Wer Facebook nutzt, stößt früher oder später auf einen Link zu BuzzFeed. Die Seite ist aktueller Spitzenreiter, was Likes und Shares auf Deutschlands beliebtestem sozialen Netzwerk angeht. „19 Painful Truths Only Guys Who Can’t Grow Beards Will Understand“ oder „18 Tattoos That May Not Seem Like A Great Idea In 2014“ - geteilte Links von Freunden mit griffigen Titeln wie diese begegnen Facebook-Usern immer wieder - auch, wenn ihnen der Name BuzzFeed selbst nicht geläufig ist.

BuzzFeed ist eine Nachrichten- und Unterhaltungswebsite. Der Betreiber will führender Anbieter von Inhalten sein, die sich schnell in sozialen Netzwerken im Internet verbreiten. Der Mechanismus der Verbreitung von Inhalten gleicht dabei dem eines Virus'. Je ansprechender oder ansteckender ein Inhalt ist, desto eher konsumiert ihn ein User oder empfiehlt ihn auf Facebook weiter.


BuzzFeed hat sich auf die Auswahl und Aufbereitung von Inhalten spezialisiert, die sich viral schnell verbreiten - meist leichte Kost, die schnell konsumierbar ist. Am Ende geht es den BuzzFeed-Betreibern darum, viele Besucher auf die Website zu locken, um dann mit Werbung Geld zu verdienen.

Mit solchen Artikel geht BuzzFeed auf Klickfang

Der eine oder andere mag sich bereits selbst dabei beobachtet haben, wie er viel Zeit auf derartigen Seiten verbracht hat und auch Inhalte dieser Seiten in einem sozialen Netzwerk geteilt hat. Was allgemein als „Zeitvertreib“ wahrgenommen wird, ist für das Zustandekommen von öffentlicher Meinungsbildung vielleicht bedeutender als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Die teils unterhaltenden, teils journalistischen Inhalte – wobei die Übergänge hier fließend sind - nehmen im Netz einen großen Teil unserer Aufmerksamkeit in Anspruch.

Laut einer BITKOM-Studie nutzen 38 Prozent der Befragten Internetnutzer Social Media, um sich über das aktuelle Tagesgeschehen zu informieren. Dabei spielt der Marktführer Facebook eine besonders wichtige Rolle. Im Durchschnitt besitzen 64 Prozent aller Internetnutzer in Deutschland einen Facebook-Account. In der Altersgruppe 14-29 Jahre sind es sogar 85 Prozent.

Die Inhalte, die wir im Netz konsumieren, sollen uns auch dazu befähigen, eine Meinung zu gesellschaftlich relevanten Themen zu entwickeln. Meinungs- und Willensbildung findet im Wesentlichen über die Medien statt, denen dafür eine besondere Vermittlerrolle zukommt. Doch welche Bedeutung kommt Seiten wie BuzzFeed zu, wenn es um die Herstellung von Öffentlichkeit geht? Welche Rolle spielen sie für unsere Meinungs- und Willensbildung?

Die BITKOM-Studie zum Social Media Verhalten der Deutschen


„Zunächst stellt sich die Frage, wie es überhaupt zur gesellschaftlichen Relevanz dieses und vergleichbarer Portale kommt, die auf einen Wandel der Massenkommunikation hindeuten“, stellt Prof. Dr. Udo Göttlich fest. In der jüngeren Mediengeschichte stellten vor allem in Europa die öffentlich rechtlichen Medien gesamtgesellschaftliche Relevanz für Themen her. Mit Aufkommen der privatkommerziellen Sendeanstalten in den 1980er Jahren wurde die Frage der Relevanzsetzung intensiver diskutiert. „Dabei ließ sich beobachten," so Göttlich, „dass die Idee, Privatsender machen den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten auf dem Nachrichten- und Informationssektor Konkurrenz, vor allem zur Ausdifferenzierung von Spartensendern beitrug. Die erfolgreichen klassischen Nachrichtenformate blieben derweil fest in der Hand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“

Das "heute-journal" ist das meistgesehenste Nachrichtenmagazin


Mit wachsender Bedeutung von Klickportalen wie BuzzFeed stellt sich die Frage der Relevanz des Internets erneut. „Solche Portale ziehen möglicherweise die Aufmerksamkeit von den für das Internet aufbereiteten Nachrichten auf Spiegel Online usw. bei den nachwachsenden Usern ab. Um die Auswirkungen dieses Wandels abschätzen zu können, müsste man die Hauptzielgruppe der Klickportale und sozialen Medien genauer untersuchen“, meint Göttlich. Wie sich diese Generation abseits sozialer Netzwerke über politische, wirtschaftliche oder kulturelle Themen informiert, ist nicht klar.


Göttlich sieht jedoch die Tendenz einer allmählichen Verschiebung in der Aufmerksamkeit hin zu Themen, die schnell und zuverlässig die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregen. Solche Portale sind aufgrund ihrer formalen Gestaltung Durchlauferhitzer im Unterschied zu den nach publizistischen Regeln arbeitenden Homepages der Nachrichtenpresse. Als Folge dieser Entwicklung kämpfen nun neue und alte Medien in unterschiedlichen Arenen um öffentliche Wahrnehmung. Dabei droht die Tiefe der Berichterstattung auf Kosten der Schnelllebigkeit von Nachrichten verloren zu gehen. Das Ergebnis: Die Berichterstattung wird noch stärker als bislang geprägt von Emotionalisierung, Skandalisierung, Privatisierung und Personalisierung. Selbst in Infotainment-Sendungen, in denen sich Nachrichten mit Unterhaltung mischen, gewinnt die Unterhaltung an Land.

Die Folgen dieser Entwicklung sind aber noch weitestgehend unklar und sollten mit Blick auf Aspekte des gesellschaftlichen und kulturellen Wandels analysiert werden. Auch unterschlägt diese eher pessimistische Sichtweise die Bildungsexpansion, die seit den 1970er Jahren in allen westlichen Gesellschaften stattgefunden hat. Fast jeder zweite Jugendliche erlangt aktuell hierzulande die allgemeine Hochschulreife. Man sollte den Menschen also zutrauen, das Mediengeschehen bewerten und einordnen zu können. Als Beispiel nennt Göttlich die „Heute Show“: „Wenn Sie sich heute im ZDF die „Heute Show“ ansehen, dann können Sie über ein Großteil der Satire dort nur lachen, wenn Sie die Nachrichtenlage der vergangenen Woche kennen.“ Das relativiert zwar nicht den Einfluss von Klickportalen wie BuzzFeed auf die Nachrichtenwahrnehmung, zeigt aber, dass der Wandel ohne einen Blick auf den gesellschaftlichen Kontext kaum so einseitig verstanden werden kann, wie es in vielen Medienschelten klingt.

"Heute Show"-Moderator Oliver Welke
"Heute Show"-Moderator Oliver Welke

Die „Heute Show“ ist nach Göttlichs Meinung ein weiteres Beispiel dafür, wie auch Unterhaltung auf politische oder wirtschaftliche Ereignisse reagiert. Das setzt beim Publikum ein Wissen über Nachrichten voraus. In seinem Buch „Auf dem Weg zur Unterhaltungsöffentlichkeit“ vertritt Göttlich die Auffassung, dass Unterhaltungskommunikation nicht allein Zeitvertreib oder Zerstreuung ist. In seinem Artikel im „Auf!-Magazin“ findet er weitere Beispiele für die Vermischung von Unterhaltung und Politik: „Wie beispielsweise am Sonntag, 10.06.2012, bei „when Tatort meets Jauch“. In der ARD zeigte sich, dass auch ein Verteidigungsminister keine Scheu hatte, zu einem fiktionalen Fall Stellung zu beziehen, der sich den Folgen des Afghanistaneinsatzes am Beispiel traumatisierter Soldaten widmete. Ob die Bevölkerung durch den Tatort über die Folgen der Einsäte nun anders nachdenkt, wäre die öffentlichkeitstheoretische Gretchenfrage, der genauer nachzugehen wäre.“

Auf dem Weg zur Unterhaltungsöffentlichkeit


Vor diesem Hintergrund relativiert sich die Frage nach dem scheinbaren Tabubruch von Inhalten auf Klickportalen wie BuzzFeed. Der User ist zwar nicht immer in der Lage, relevante und unterhaltende Inhalte voneinander zu trennen, doch auch Unterhaltung kann einen Beitrag zur Erörterung gesellschaftlichen Fragen leisten. Letztendlich sind Klickportale nur ein Faktor in einem sehr komplexen Zustandekommen von Öffentlichkeit(en). Die direkte Gefahr, dass relevante Themen in einer Flut von Belanglosigkeiten untergehen, sieht Göttlich derzeit nicht.

Titelbild: Screenshot / buzzfeed.com

Bilder im Text: Screenhot / buzzfeed.com, Heute Show / facebook.com

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