Kunstwissenschaften

Die Kunst des Game Over

Die Veröffentlichung von herausragenden Games könnte sich als Citizen-Kane-Moment für Computer- und Videopiele herausstellen.

Prof. Dr. phil. Thomas Hensel
Gastredner
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. phil. Thomas Hensel

    Prof. Dr. phil. Thomas Hensel hat nach wenigen Semestern Unternehmensführung an der WHU school of managment, sein Bakkalaureat in Philosophie an der Universität München absolviert. Seinem Magisterabschluss in Philosophie, folgten die Verleihung des Doktortitels in Kulturgeschichte und Kulturkunde, sowie die Promotion in Kunstgeschichte an der Universität Hamburg.

    Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen frühneuzeitliche Druckgrafik genauso wie der Schreibtisch als Medium, das Computerspiel oder die Akteur-Netzwerk-Theorie. Für seine Arbeit wurde er unter anderem mit dem Aby M. Warburg-Förderpreis des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg ausgezeichnet.

    Seit Oktober ist er Professor für Kunst- und Designtheorie an unserer Fakultät Gestaltung der Hochschule Pforzheim. Zudem gehört er der Faculty des Certified Program »Visual Competencies« der Donau-Universität Krems an.

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    Factbox
    Begründung des MoMA zur Aufnahme von Computerspielen in die Designsammlung im Original

    Are video games art? They sure are, but they are also design, and a design approach is what we chose for this new foray into this universe. The games are selected as outstanding examples of interaction design—a field that MoMA has already explored and collected extensively, and one of the most important and oft-discussed expressions of contemporary design creativity.

    Our criteria, therefore, emphasize not only the visual quality and aesthetic experience of each game, but also the many other aspects—from the elegance of the code to the design of the player’s behavior—that pertain to interaction design. In order to develop an even stronger curatorial stance, over the past year and a half we have sought the advice of scholars, digital conservation and legal experts, historians, and critics, all of whom helped us refine not only the criteria and the wish list, but also the issues of acquisition, display, and conservation of digital artifacts that are made even more complex by the games’ interactive nature. This acquisition allows the Museum to study, preserve, and exhibit video games as part of its Architecture and Design collection.

    Informationen zum Buch "Die Straße" von McCarthy

     Der Roman handelt von einem Vater und seinem Sohn, die nach einem nicht näher bezeichneten Katastrophenereignis durch ein postapokalyptisches Amerika in Richtung Küste ziehen. Dort, so hoffen sie, ist ihr Überleben gesichert. Die Reise dorthin erstreckt sich über mehrere Monate unter durch Asche verdunkeltem Himmel und bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt. Die meisten Tier- und Pflanzenarten sind ausgestorben, lediglich einmal treffen Vater und Sohn auf einen ausgemergelten Hund. Die wenigen Überlebenden der Katastrophe durchstreifen das Land in rivalisierenden Gruppen, von denen einige auch vor Kannibalismus nicht zurückschrecken.


    Erzählt wird das Geschehen von einem personalen Erzähler, der das Geschehen aus der Perspektive entweder des Vaters oder des Sohnes wiedergibt, ohne jedoch als Figur des Narrativs in Erscheinung zu treten. Durch das Privileg der Innenschau bei Vater und Sohn erhält der Leser Zugang zu deren Wahrnehmungen, Empfindungen und Hoffnungen.


    Die Darstellung einer zerstörten Welt mit den wenigen in ihr verbliebenen Menschen, die um ihr Überleben kämpfen und dabei die gewohnten Maßstäbe menschlichen Handelns verloren haben, weist den Roman als Vertreter der Gattung der Dystopie aus. Spezifischer kann man den Roman der Untergattung einer Literatur der Postapokalypse zuordnen.


    (wikipedia, CC-by-sa-3.0)

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    Dossier
    02-10_Games-Kunst_ProgrammMeisterwerke
    Friedrich 2014
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Mit dem Titel „Wie das Computerspiel zur zehnten Kunst wurde“ kündigt Prof. Dr. Thomas Hensel seinen Gastvortrag an der ZU an, den er im Rahmen der Vorlesungsreihe „Meisterwerke ohne Meister“ hält. In seinem Vortrag geht er der Frage nach, inwieweit Computerspiele Kunst sind und wie Kunstwissenschaften und Game Design voneinander profitieren können. Was ist überhaupt darunter zu verstehen, wenn bei Computerspielen von einem Meisterwerk gesprochen wird?

Veranstaltungsprogramm der Reihe "Meisterwerke ohne Meister"


Wie Prof. van den Berg in ihrem Eröffnungsvortrag zur Vorlesungsreihe beschrieb, bemühten sich die Künstler der Renaissance darum, mit ihren Werken ein möglichst naturgetreues Abbild des Menschen zu schaffen. Sie nannte die Künstler Albrecht Dürer und Jan van Eyck die sich selbst porträtierten, um ihre Meisterhaftigkeit unter Beweis zu stellen. Kein Detail ließen sie dabei aus und auch die feinsten Bartstoppeln wurden mit dem Einhaarpinsel ausgearbeitet.

Selbstportraits der Renaissance-Künstler Albrecht Dürer (links) und Jan van Eyck (rechts)
Selbstportraits der Renaissance-Künstler Albrecht Dürer (links) und Jan van Eyck (rechts)

Zwar gibt es auch unter Entwicklern Einzelkämpfer, die bei der alleinigen Entwicklung von Spielen Meisterhaftes leisten. Nicht zuletzt zeigten dies die Regisseure Lisanne Pajot und James Swirsky in ihrer Dokumentation „Indie Game: The Movie“. Die großen „Blockbuster“ in der Welt der Spieler werden jedoch aufwendig in großen Entwicklerteams geschaffen. Sie arbeiten wie die Künstler der Renaissance jedes Detail eines Spiels aus. Programmierer geben Menschen Mimik und Gestik, anhand derer Spieler kleinste Gefühlsregungen erkennen können und die in Spielen wie „LA Noir“ für den weiteren Spielverlauf bedeutend sind. Solche Spiele werden mit entsprechenden Budgets entwickelt, die gelegentlich die 100-Millionen-Dollar-Grenze überschreiten. Soundtracks zu Spielen werden ähnlich den Film-Soundracks extra komponiert und von Orchestern eingespielt. Das Rundfunkorchester des Westdeutschen Rundfunks führt die Stücke aus Spielen in eigenen Konzerten und nicht nur für die Gamer wieder auf.

Das alles zeugt von einem immensen Aufwand, der rund um Computerspiele betrieben wird. Der Spielemarkt spielt eine nicht zu vernachlässigende wirtschaftliche Rolle. Millionenfach gehen Games über die Ladentheke und über die Server der Entwicklerstudios. 752 Millionen Euro gaben die Deutschen im ersten Halbjahr 2013 für Computer- und Videospiele laut des Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e. V. (BIU) aus.


Bei aller Ästhetik geht es großen Entwicklerfirmen und den Konzernen hinter ihnen in erster Linie um Profit. Doch inwieweit ist das dann noch Kunst und überschneidet sich dieses Profitstreben nicht mit dem Anspruch von Kunstschaffenden an ihre Werke? „Nein“, meint Prof. Dr. Hensel und führt weiter aus: „In der Geschichte der bildenden Künste gibt es zahlreiche Beispiele von KünnstlerInnen, die sich mehr oder weniger explizit unternehmerisch betätigt haben“. Als Beispiel nennt er die vom Kunsthistoriker Martin Warnke so genannten Hofkünstler der Frühen Neuzeit, aber auch das Ehepaar Christo und Jeanne Claude oder Damien Hirst.


Bei Computerspielen gäbe es nicht nur die „kommerzielle Welt der Spieleproduktion“. Im Bereich der Independent und Art Games, die im Kontext von Stipendien oder ähnlichen Förderungen entstehen, zielen diese auf den Ankauf durch eine Sammlung ab. Auch die großen Commercial Games seien nicht frei vom künstlerischen Anspruch, führt Hensel weiter aus: „Nicht umsonst gab sich eines der größten Entwicklerstudios den Namen „Electronic Arts“.

Die Welt der Computerspiele und die der Kunst überschneiden sich schon lange. Der Auffassung sind zumindest die Vertreter des Museum of Modern Art in New York. Neben Spielen wie „Space Invaders“ und „Pac-Man“ wurde auch neuere Spiele wie das 2011 erschienene Spiel „Minecraft“ in die Sammlung des Museum of Modern Art aufgenommen.

Street-Art des Künstlers "Space Invader"
Street-Art des Künstlers "Space Invader"
Begründung des MoMA zur Aufnahme von Computerspielen in die Designsammlung im Original


„Computerspiele sind die reinste Form dieser Interaktion“, findet die selbsterklärte „Design-Evangelistin“ und Kuratorin des Museum of Modern Art New York, Paola Antonelli, und erklärt, warum sie Pac-Man und Co. in das Museum holte. Sie sieht Design als die höchste Form des künstlerischen Ausdrucks an und ruft damit das Zeitalter des Designs aus. Sie möchte, dass gutes Design nicht mehr nur schöne Stühle sind. Sie beschreibt die Irritation nach der Entscheidung des Museums, Computerspiele zu aquirieren.


Jonathan Jones, Kunstkritiker vom Guardian, will Computerspiele nicht als Kunst anerkennen und findet die Spiele im Museum of Modern Art fehl am Platz. Antonelli ist anderer Meinung: „Wir leben heute weder in einer digitalen, noch in einer physischen Welt, sondern in einer Welt, die dazwischen liegt. Eine Welt der Interaktion zwischen physischer und digitaler Welt“. Sie sieht es als ihre Aufgabe an, den Menschen zu zeigen, wie weit diese Interaktion bereits Teil deren Lebens ist.

Auch die Ästhetik der Spiele, die das Museum of Modern Art zum Teil der Sammlung machte, spielten laut Antonelli eine wichtige Rolle bei der Auswahl. Es sind nicht die detailreichen Spiele der letzten Jahre, sondern jene, die wir heute wohl eher auf Grund des Retro-Looks ansprechend finden. Pixelkunst, die den Blockbuster Games aus großen Spieleschmieden in Sachen aufwendiger Grafik nicht das Wasser reichen kann, schaffen es zuerst in die Museen von heute.

Doch sind es nicht allein die Retro-Klassiker, denen das Lob der Kritiker zuteil wird. So schrieb der Kritiker Matt Kamen über das Spiel „The Last of us“: „Es könnte sich als Citizen-Kane-Moment für Computerspiele beweisen. Ein Meisterwerk, auf das noch nach Jahrzehnten wohlwollend zurückgeblickt wird.“ Bei einer so aufwendig produzierten Spielwelt wie in „The Last of us“ scheint der Vergleich zu literarischen Werken nicht abwegig. Kritiker nannten das Spiel auch eine teils interaktive Version von „Die Straße“, einem Roman des Schriftstellers Cormac McCarthy, der für sein Werk mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Der Roman handelt von einem Vater und seinem Sohn, die in einer endzeitlichen Welt durch die Vereinigten Staaten ziehen.

Informationen zum Buch "Die Straße" von McCarthy


Ausschnitt aus dem Spiel "The Last of Us"
Ausschnitt aus dem Spiel "The Last of Us"

„The Last of Us“ ist eines der Spiele, mit denen sich auch Prof. Dr. Hensel beschäftigt. Als Referent des Vortrags am 11. Februar wird er Spiele wie „The Last of Us“ genauer unter die Lupe nehmen und aus seiner Sicht Antworten auf die Fragen geben, inwieweit Computerspiele Kunst sind und ob wir Spiele als Kunstwerke adressieren und untersuchen können. Doch es wird auch um die Frage gehen, wie Kunstwissenschaften von Games Studies und umgekehrt profitieren können.

Titelbild: Lotus Head via Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Bilder im Text: Cybershot800i; Erwin Jurschitza via Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0), YouTube: screenshot, Fabian Reus: flickr.com, TEDtalk: screenshot, naughty_dog: flickr.com

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Leserbrief

| 16.02.2014

Bis 20.02. gibt es übrigens das Spiel "The Last of Us" bei Sony fast für die Hälfte des regulären Preises.

https://store.sonyentertainmentnetwork.com/#!/de-de/spiel/the-last-of-us/cid=EP9000-NPEA00435_00-THELASTOFUSDIG01


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