Adventskalender | Türchen 8

Felix Cramer von Clausbruch über „Geschäftsmodelle"

Die Forschung interessiert sich sehr stark für das Gebiet des strategischen Managements: Können Geschäftsmodelle strategisches Management gänzlich ersetzen oder sind sie nur eine Teildisziplin?

Felix Cramer von Clausbruch
Dr. Manfred Bischoff Institut für Innovationsmanagement der Airbus Group
 
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    Zur Person
    Felix Cramer von Clausbruch

    Cramer von Clausbruch absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und arbeite mehrere Jahre im Vertriebsbereich. Neben seiner Tätigkeit machte er seine Matura an einem Abendgymnasium, um danach im Bachelor Public Management & Governance mit einem Minor in Corporate Management & Economics an der Zeppelin Universität zu studieren. Später folgte das Masterstudium der Entrepreneurial Finance an der Universität Liechtenstein. Seit August 2014 ist Felix Cramer von Clausbruch als Akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Innovationsmanagement der Airbus Group bei Prof. Ellen Enkel tätig und beschäftigt sich dort mit der Organisationalen Verankerung von Geschäftsmodellinnovationen.  

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Herr Cramer von Clausbruch, nun haben Sie einen Begriff gewählt, der uns im universitären Umfeld relativ häufig begegnet. Was ist für Sie das Besondere an Geschäftsmodellen?

Felix Cramer von Clausbruch: Der Begriff treibt mich schon seit Jahren um, bis dato aber eher aus praxisorientierter Sicht. Geschäftsmodelle sind eine äußerst spannende und aktuelle Herausforderung für Unternehmen und auch in der Wissenschaft erfreuen sie sich zunehmender Relevanz als Forschungsgebiet. Zudem sind sie Grundlage meines Themengebiets für die nächsten Jahre akademischer Arbeit am Dr. Manfred Bischoff Institut für Innovationsmanagement der Airbus Group in Kooperation mit vielen erfolgreichen Unternehmen.

Klingende Namen wie "Billy", "Orrberg" oder "Birkeland", ein Sechskantschlüssel und eine illustrierte Aufbauanleitung: es gibt wohl nur wenige deutsche Haushalte, in denen kein Produkt des Schwedischen Möbelherstellers IKEA zu finden ist. Dabei revolutionierte das Unternehmen das klassische Geschäftsmodell eines Möbelhauses, indem ein Teil des Herstellungsprozesses an den Kunden ausgelagert wurde. Bei der Abholung kompakt und damit platz- sowie kostensparend verpackt, werden die Produkte allesamt erst durch den Nutzer an ihrem Einsatzort aufgebaut. So vermeidet der Möbelfabrikant neben Liefer- und Montagekosten auch die Haftung für Schäden, die durch unsachgemäßen Transport entstehen.
Klingende Namen wie "Billy", "Orrberg" oder "Birkeland", ein Sechskantschlüssel und eine illustrierte Aufbauanleitung: es gibt wohl nur wenige deutsche Haushalte, in denen kein Produkt des Schwedischen Möbelherstellers IKEA zu finden ist. Dabei revolutionierte das Unternehmen das klassische Geschäftsmodell eines Möbelhauses, indem ein Teil des Herstellungsprozesses an den Kunden ausgelagert wurde. Bei der Abholung kompakt und damit platz- sowie kostensparend verpackt, werden die Produkte allesamt erst durch den Nutzer an ihrem Einsatzort aufgebaut. So vermeidet der Möbelfabrikant neben Liefer- und Montagekosten auch die Haftung für Schäden, die durch unsachgemäßen Transport entstehen.

Was genau ist Ihre Forschungsfrage?

Cramer von Clausbruch: Ich befasse mich mit der organisationalen Verankerung von Geschäftsmodellen, also mit der Frage, wo im Unternehmen oder auch außerhalb der Institution solche Modelle entstehen und letztendlich umgesetzt werden. Im Grunde beschäftigen sich Geschäftsmodelle damit, wie Firmen einen Wert kreieren, ihn erhalten können und wie sie diesen Wert ihren Kunden zur Verfügung stellen. Vor allem die Konsumenten und das Wertangebot stehen dabei im Mittelpunkt. Die Forschung interessiert sich sehr stark für das Gebiet des strategischen Managements: Können Geschäftsmodelle strategisches Management gänzlich ersetzen oder sind sie nur eine Teildisziplin? Genauso wichtig: In welcher Phase einer Unternehmensentwicklung werden Geschäftsmodelle implementiert? Mein besonderer Fokus liegt entsprechend auf der Verankerung in organisationaler Hinsicht, also auf welcher Ebene sind die Verantwortlichkeiten angesiedelt. Das könnte vom Angestellten über den Bereichs- oder Abteilungsleiter, einer Stabsabteilung bis zur Vorstandsetage reichen. Ebenso eignen sich für die Implementierung von Geschäftsmodellinnovationen eher externe Organisationsformen wie Acceleratoren, Inkubatoren bis hin zu Corporate Venture Capital.


Welche Herausforderungen haben sich bei Geschäftsmodellen in den letzten Jahren ergeben?

Cramer von Clausbruch: Wir haben seit Beginn der 2000er Jahre eine große digitale Transformation erlebt. Geschäftsmodelle sind dadurch wesentlich vielfältiger geworden und die Möglichkeit, das eigene Geschäftsmodell weiterzuentwickeln aber auch zu kannibalisieren, ist durch die Digitalisierung stark gewachsen. Wir fragen uns nicht mehr: „Was ist ein Geschäftsmodell?“ „Wie kann man das klassifizieren?“ „Wie kreieren wir Geschäftsmodellinnovationen?“ Viel wichtiger ist die Fragestellung, wie neue Modelle implementiert werden. Interessant wird es besonders, wenn ein Unternehmen über mehrere Geschäftseinheiten verfügt, die dann auch noch unterschiedliche Produkte oder Services anbieten. So untersuche ich zum Beispiel, wie eine Firma mit mehreren Geschäftsmodellen umgeht. Eventuell lohnt sich für traditionsreiche Unternehmen hier ein Blick auf junge Start-Ups oder Entrepreneure, die mit Hilfe von Organisationsformen wie Inkubatoren, Acceleratoren oder Co-Working-Spaces sehr innovativ arbeiten.

Ein Teil der Boeing 737-Flotte der Southwest Airlines am Flughafen Austin, Texas. Die amerikanische Fluggesellschaft war nach der Abschaffung von Strecken- und Preisregulierungen im Jahr 1978 der große Vorreiter in der Implementierung des Low-Cost-Geschäftsmodells. Eine einheitliche Flotte, kurze Umlaufzeiten an Flughäfen und ein geringes Serviceangebot ermöglichten ein niedriges Preisniveau. Schnell wurde das Geschäftsmodell auch in Europa nachgeahmt, etwa von der irischen Fluglinie Ryanair. Doch auch klassische Fluggesellschaften wie Air France oder Lufthansa weiten ihr Angebot im Niedrigpreissektor weiter aus.
Ein Teil der Boeing 737-Flotte der Southwest Airlines am Flughafen Austin, Texas. Die amerikanische Fluggesellschaft war nach der Abschaffung von Strecken- und Preisregulierungen im Jahr 1978 der große Vorreiter in der Implementierung des Low-Cost-Geschäftsmodells. Eine einheitliche Flotte, kurze Umlaufzeiten an Flughäfen und ein geringes Serviceangebot ermöglichten ein niedriges Preisniveau. Schnell wurde das Geschäftsmodell auch in Europa nachgeahmt, etwa von der irischen Fluglinie Ryanair. Doch auch klassische Fluggesellschaften wie Air France oder Lufthansa weiten ihr Angebot im Niedrigpreissektor weiter aus.

Durch diese Arbeit haben Sie alltäglich mit verschiedensten Geschäftsmodellen zu tun. Gibt es ein besonderes Modell, das Ihr besonderes Interesse weckt und langfristig von Relevanz sein wird?

Cramer von Clausbruch: Wenn man sich ausgiebig mit dem Thema beschäftigt, trifft man immer wieder auf sehr interessante Geschäftsmodelle. Aber es gibt ein sehr innovatives wie aktuelles Beispiel: Google wird als besonders disruptives Geschäftsmodelle genannt. Es geht darum, dass sie die Art der Suche und all ihrer Komponenten neu gedacht und schließlich auch monetarisiert haben. Derzeit wird kontrovers diskutiert, ob es alternative Konzepte zum Modell von Google geben kann. Viele Konkurrenzunternehmen wie Microsoft mit BING haben es nicht geschafft, eine nachhaltige Lösung zu entwickeln. Mit „Pesira“ gibt es jetzt ein junges Start-Up, das zwei Gruppen von Menschen zusammenbringen, nämlich Menschen die Fragen haben und Menschen, die über das spezielle Wissen verfügen, diese Fragen zu beantworten. Das ist deswegen spannend, da wir von der auf Algorithmen basierenden anonymisierten Google-Suche abrücken. Pesira denkt das aktuelle Modell der Suchmaschine weiter und sagt: „Wir bringen die Experten zusammen.“ Sie können Ihre Frage ganz konkret stellen und gegebenenfalls auch erläutern oder abändern und haben auf der anderen Seite einen Experten, der Ihnen eine ganz spezifische Frage vielleicht viel genauer beantworten kann, als Google das könnte. Google arbeitet nach dem „n zu n“-Ansatz, ist also eine multiple Plattform, die viele Fragen mit vielen Antworten zusammenbringt. Klassische Frage-Antwort-Seiten wie „gutefrage.net“ wären demnach „1 zu n“ strukturiert, bringen also eine Frage mit einer großen Anzahl potentieller Antworten zusammen. Pesira geht jetzt den nächsten Schritt, indem sie nach dem „1 zu 1“-Prinzip Ihre Frage mit der Antwort des Experten kombiniert.

Der US-amerikanische Computerhersteller DELL setzte besonders im Vertriebsbereich auf ein außergewöhnliches Geschäftsmodell. Das Unternehmen verzichtete auf die Nutzung von Zwischenhändlern und verkaufte seine Produkte nur direkt an die Kunden. Somit fand der gesamte Vertrieb zu Beginn ausschließlich via Telefon, später auch über das Internet statt und DELL-Produkte waren in keinem Fachhandel erhältlich. Dafür war es möglich durch ein "Build-to-Order"-System auf individuelle Kundenwünsche einzugehen, ohne von Handelspartnern abhängig zu sein.
Der US-amerikanische Computerhersteller DELL setzte besonders im Vertriebsbereich auf ein außergewöhnliches Geschäftsmodell. Das Unternehmen verzichtete auf die Nutzung von Zwischenhändlern und verkaufte seine Produkte nur direkt an die Kunden. Somit fand der gesamte Vertrieb zu Beginn ausschließlich via Telefon, später auch über das Internet statt und DELL-Produkte waren in keinem Fachhandel erhältlich. Dafür war es möglich durch ein "Build-to-Order"-System auf individuelle Kundenwünsche einzugehen, ohne von Handelspartnern abhängig zu sein.

Haben Sie selbst als Unternehmer schon einmal ein Geschäftsmodell umgesetzt?

Cramer von Clausbruch: Ich habe in der Tat schon selbst gegründet, das letzte Mal vor zwei Jahren. Es ist ein ziemlich ungewöhnliches Geschäftsmodell: Es geht darum, dass wir Trüffel in Deutschland kultivieren wollen, die mit ihren hohen Preisen derzeit überwiegend aus Italien, Spanien oder Frankreich kommen. Jetzt besteht die Möglichkeit, dass man die Wurzeln von jungen Bäumen mit dem Trüffel-Myzel impft, die Bäume dann pflanzt und, wenn alles gut verläuft, nach fünf bis zehn Jahren heimische, frische, deutsche Trüffel ernten kann. Das ist zunächst einmal ganz banale Landwirtschaft, das Geschäftsmodell ist dafür umso interessanter: Sie pflanzen jetzt die Bäume, müssen investieren und haben dann über mehrere Jahre wenig Aufwand und keinen Ertrag. Erst dann stellen sich, ganz nach dem klassischen Verlauf der Hockey-Stick-Kurve - zunächst negative, dann steigende Erträge - potentiell Erfolge in der Geschäftstätigkeit ein.



Titelbild: Christmas Ball Background / www.vectorbackground.net (CC-BY 3.0) Caden Crawford / flickr.com (CC-BY-ND 2.0)

Bilder im Text: Håkan Dahlström / flickr.com (CC-BY 2.0)

John Rogers / flickr. com (CC-BY-NC-ND 2.0)

Mike McCune / fickr.com (CC-BY 2.0)


Redaktionelle Umsetzung: Felix Lennart Hake

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