Mediensozialisation

Im Bann der Prinzessinnen

Es ist davon auszugehen, dass sich Kinder die mediale Darstellung direkt aneignen und damit das Frauenbild der Disney-Prinzessin in ihre Geschlechterrollenvorstellung integrieren und in ihre Geschlechtsidentität übernehmen.

Christina Reichle
ZU-Alumna und Trägerin des Best Master Thesis Awards
 
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    Zur Person
    Christina Reichle

    Die gebürtige Friedrichshafenerin Christina Reichle hat an der Zeppelin Universität im Bachelor und Master Communication, Culture and Management studiert. Ein Auslandssemester mit dem Fokus auf Marketing, visuelle Kommunikation und Psychologie absolvierte sie in Schweden. Bisherige Praktika führten sie unter anderem zur Lion Studio Jewellery nach London, zu Regio TV nach Ravensburg und zum Malteser Hilfsdienst nach Konstanz. Weitere praktische Erfahrungen sammelte sie bei der Zukunft Ventures GmbH, einer ZF-Firma, bei der Holistic Consulting GmbH und dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. 

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Wie bist du auf das Thema deiner Masterarbeit gestoßen?

Christina Reichle: Das reicht eigentlich bis 2013 zurück. Als damals der Film „Die Eiskönigin“ in die Kinos kam, ist mir zum ersten Mal so richtig bewusst geworden, welche Wirkmacht vom Mediengiganten Disney ausgeht, spezifisch von der Disney-Prinzessin. Fast überall tauchten sämtliche Merchandise-Produkte zum Film auf und ich bin immer wieder Kindern begegnet, die nicht nur die entsprechenden Produkte besaßen, sondern auch permanent von Eiskönigin Elsa gesprochen und das bekannte Lied „Lass jetzt los“ rauf und runter gesungen haben. Als dann auch meine damals dreijährige Nichte, die bis dahin noch nicht einen einzigen Disney-Prinzessinnen-Film gesehen hatte, detailliert von diesen Prinzessinnen zu berichten begann, ist mir klar geworden, welchen Stellenwert und welche Macht Disney mit diesen Figuren im Leben von Kindern einnimmt, sogar wenn diese den Medien nicht direkt ausgesetzt sind.


Ausgehend von dieser Erfahrung wurde mein Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, weshalb ich mich schon in meiner Bachelorarbeit mit der Frage beschäftigte, welche Weiblichkeitskonstrukte denn überhaupt in den Prinzessinnen-Filmen von Disney vermittelt werden. Dabei war mir jedoch schon klar, dass eine inhaltliche Analyse nicht ausreicht, um dem Forschungsbereich gerecht zu werden. Ich hielt es für essentiell auch die Wirkperspektive aus Sicht der Kinder zu betrachten, um den Einfluss der Disney-Prinzessin auf die Sozialisation der Kinder tatsächlich erfassen zu können. Dies stellte somit die Grundlage meiner Masterarbeit dar und führte zur Frage: Inwiefern beeinflusst die Darstellung der Prinzessin in Disney-Filmen den Sozialisationsprozess von Kindern (3 bis 6 Jahren) in Bezug auf deren Frauenbild der Prinzessin?


Welche Rolle spielen soziale Faktoren bei der kindlichen Entwicklung der Geschlechtsidentität und welchen Stellenwert nehmen dabei medial vermittelte Geschlechterrollen ein?

Reichle: Bei der Herausbildung einer eigenen Identität spielt die Geschlechtsentwicklung eine zentrale Rolle für Kinder. Nicht nur weil das Geschlecht immer noch als soziale Ordnungskategorie gilt, sondern auch weil die gesellschaftliche Struktur entlang der Zweigeschlechtlichkeit sehr dominant ist. Innerhalb der Geschlechtsentwicklung erlangen Kinder eine eigene Geschlechtsidentität, die zudem auch die Herausbildung von Geschlechtsstereotypen und Geschlechtsbildern mit sich bringt. Hierbei spielen insbesondere soziale Faktoren eine Rolle, da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass mindestens ein Teil der Geschlechtsidentität durch gesellschaftliche Normen, Erwartungen und Vorstellungen, die an das jeweilige Geschlecht gerichtet werden, sozial konstruiert ist. Kinder werden dabei in ihrer sozialen Lebensumwelt beispielsweise mit bestimmten Männer- oder Frauenbildern konfrontiert, an denen sie sich orientieren, um zu erlernen, was es eigentlich heißt, ein Mädchen oder ein Junge zu sein. Diese Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Erwartungen der Gesellschaft beeinflusst somit auch maßgeblich die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechtsidentität.


In diesem Kontext gehören auch die Medien zu den sozialen Faktoren, die unter anderem durch die Vermittlung bestimmter Geschlechterrollen die kindliche Geschlechtsentwicklung beeinflussen. Denn gerade heutzutage sind diese durch ihre Überpräsenz ein fester Bestandteil der Lebensrealität von Kindern. Somit gelten die Medien als wichtige Einflussquelle, da Kinder in diesen nach bestimmten Inhalten suchen, welche sie für ihr Verständnis der Welt und damit auch der Geschlechtsidentität nutzen können. Aufgrund der Aneignung solch medialen Wissens und der daraus resultierenden Einflüsse auf die Geschlechtsentwicklung offenbart sich allerdings auch das kritische Potenzial medial vermittelter Geschlechterrollen. Diese sind vor allem dann problematisch, wenn eine Diskrepanz zwischen der Realität und den medial vermittelten Frauen- und Männerbildern vorliegt. Hierdurch könnten nämlich auch fragwürdige Rollenbilder von Kindern übernommen werden und sich so auf deren Überzeugungen, Handeln und Umgang mit anderen auswirken, was letztlich auch das gesamtgesellschaftliche Geschlechterverhältnis beeinflusst.

Er gilt als Meilenstein der Filmgeschichte: Der 1937 erschienene, erste abendfüllende Zeichentrickfilm der Walt-Disney-Studios „Schneewittchen und die sieben Zwerge“. Er stammt aus der Feder des US-amerikanischen Trickfilmzeichners und Filmproduzenten Walt Disney, der ab den 1920er-Jahren zur meistgeehrten Persönlichkeit der Filmbranche des 20. Jahrhunderts avancierte; allein den Oscar erhielt er 26 Mal. Ab den 1930er-Jahren entwickelte er den Zeichentrickfilm mit Farbe und Ton zu Blockbustern. Dabei war Schneewittchen eine Produktion, die Walt Disney zunächst an den Rande des Ruins führte. Disney wurde darauf als Regisseur Vater der erfolgreichsten Zeichentrickfiguren, die heute noch in jedem Kinderzimmer zu Hause sind. Als Erfinder von Cartoonfiguren wie Donald Duck, Goofy oder Pluto erdachte er Kultfiguren der Unterhaltungsbranche. Sein Mitarbeiter Ub Iwerks war es jedoch, der ab 1928 die Micky Mouse zeichnete, die als Markenzeichen der Disney Company und als erster Comic-Held weltberühmt werden sollte.
Er gilt als Meilenstein der Filmgeschichte: Der 1937 erschienene, erste abendfüllende Zeichentrickfilm der Walt-Disney-Studios „Schneewittchen und die sieben Zwerge“. Er stammt aus der Feder des US-amerikanischen Trickfilmzeichners und Filmproduzenten Walt Disney, der ab den 1920er-Jahren zur meistgeehrten Persönlichkeit der Filmbranche des 20. Jahrhunderts avancierte; allein den Oscar erhielt er 26 Mal. Ab den 1930er-Jahren entwickelte er den Zeichentrickfilm mit Farbe und Ton zu Blockbustern. Dabei war Schneewittchen eine Produktion, die Walt Disney zunächst an den Rande des Ruins führte. Disney wurde darauf als Regisseur Vater der erfolgreichsten Zeichentrickfiguren, die heute noch in jedem Kinderzimmer zu Hause sind. Als Erfinder von Cartoonfiguren wie Donald Duck, Goofy oder Pluto erdachte er Kultfiguren der Unterhaltungsbranche. Sein Mitarbeiter Ub Iwerks war es jedoch, der ab 1928 die Micky Mouse zeichnete, die als Markenzeichen der Disney Company und als erster Comic-Held weltberühmt werden sollte.

Warum hast du dich bei deiner Untersuchung gerade für das Frauenbild der Disney-Prinzessinnen entschieden?

Reichle: Grundsätzlich wird das in den Medien abgebildete Frauenbild schon immer viel diskutiert und im Kontext einer stereotypen und sexualisierten Darstellung kritisiert. Der Einfluss von medialen Filmfiguren auf die Geschlechtsentwicklung von Kindern – Filmfiguren werden von Kindern häufig zur Identifikation als Vorbild gewählt – schien mir besonders relevant für meine Untersuchung. Die Disney-Prinzessin war für mich auch deshalb so interessant, weil diese über eine solch enorme Popularität bei Kindern verfügt und somit eine besonders relevante Identifikationsfigur für diese Altersklasse darstellt. Hinzu kommt, dass diese Figur schon seit mehr als 80 Jahren existiert und damit eine bestimmte Art des Frau-Seins reproduziert. Und spätestens durch die Unmengen an Merchandise-Produkten wird diese dann ein fester Bestandteil der Lebenswelt von Kindern. Das lässt die Grenzen zwischen Realität und Filmwirklichkeit immer stärker verschwimmen.


Als ich mir die Filmwelt der Prinzessinnen genauer angesehen habe, konnte ich außerdem feststellen, dass die Orientierungssuche der Kinder von Disney bestmöglich bedient wird, denn die Geschichten der Prinzessinnen thematisieren häufig die Suche nach der eigenen Identität. Da Kinder Medien gerade zur Identitätsbildung nutzen, wird durch eben diese Thematisierung natürlich auch die Identifikation mit der Prinzessin bestärkt. Gleichzeitig verkörpert die Disney-Prinzessin immer noch eine sehr stereotype weibliche Darstellung, weshalb sie im öffentlichen Diskurs stark umstritten ist. Ich glaube hierdurch wird schon ersichtlich, dass von dem Frauenbild der Disney-Prinzessin eine enorme Wirkmacht auf Kinder auszugehen scheint und diese im Kontext des Selbst- und Fremdbildes bei der Geschlechtsentwicklung von Kindern eine nicht zu verachtende Rolle spielt.


Was zeichnet überhaupt die klassische Disney-Prinzessin aus und wie hat sich das Konstrukt der Disney-Prinzessin seit seiner Entstehung vor mehr als 80 Jahren verändert?


Reichle: Im Allgemeinen verkörpert die klassische Disney-Prinzessin ein unvergleichlich schönes und junges Mädchen, das meist ein westliches Aussehen besitzt, ein Kleid trägt, eine besondere Zuneigung zu Tieren hegt sowie über eine schöne Stimme verfügt. Zudem ist sie höflich, hilfsbereit, anderen untergeordnet und strebt die Suche nach der Liebe und der eigenen Identität an. Hierfür ist sie sogar bereit – wie Arielle – ihre eigene Stimme abzugeben oder – wie Cinderella – ihre äußerliche Erscheinung zu verändern, um gesellschaftsfähig zu sein. Darüber hinaus ist ihr Happy End stets im Kontext der Liebe zu sehen und abhängig von einem Mann, der sie errettet.


Im Laufe der Zeit wurde dieses Frauenbild durch Prinzessinnen wie Pocahontas, Mulan und Tiana allerdings insofern ergänzt, dass auch Eigenschaften wie Verantwortung, Mut und Selbstbewusstsein einen Kern dieser Figuren darstellen. Beispielsweise gibt es bei Pocahontas erstmals kein Happy End mit einem Prinzen, zumal sie selbst diejenige ist, welche das Leben des Mannes retten muss. Jedoch erst durch Prinzessinnen aus aktuelleren Filmen, wie Merida, Anna und Elsa sowie Vaiana, zeigt sich eine Veränderung hin zu einem etwas progressiveren Frauenbild. So verkörpert Elsa aufgrund ihrer Zauberkräfte zum ersten Mal eine Prinzessin mit Macht. Auch Vaiana – die durch Neugier und Mut versucht, Verantwortung für ihr Volk zu übernehmen – stellt ein unabhängigeres Bild einer Frau dar, zumal Liebe und ein Prinz für sie nicht relevant sind.


Dennoch ist bei all diesen kleineren Entwicklungsschritten hin zu einer Prinzessin, die unabhängig und selbstbewusst ist, nicht zu vergessen, dass das klassische Frauenbild noch immer vorherrscht. Das zeigt sich unter anderem daran, dass Schönheit als dominante Konstante für jede Prinzessin noch immer eine große Rolle spielt, wodurch die Figuren wiederum auf ihre Weiblichkeit reduziert werden.

Wie bist du methodisch vorgegangen?

Reichle: Für meine Untersuchung habe ich zunächst einmal qualitative Leitfaden-Interviews mit zwölf Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren geführt. Insgesamt waren darunter sechs Jungen und sechs Mädchen. Dabei habe ich mich innerhalb der Interviews auf drei Hauptthemen konzentriert: Die Beziehung des Kindes zur Disney-Prinzessin, das Frauenbild der Disney-Prinzessin und die Einstellung und Wertung des Frauenbildes. Um die Aussagen der Kinder kontextualisieren und validieren zu können, habe ich dann jeweils im Anschluss an ein Interview mit einem Kind auch die Eltern des Kindes interviewt.


Nachdem ich die entsprechenden Daten gewonnen hatte, habe ich diese aufbereitet und durch Zuhilfenahme der dokumentarischen Methode ausgewertet. Ziel war es, hierbei vor allem aufgrund der sehr jungen Forschungssubjekte auch dahinterliegende Strukturen der Antworten der Kinder zugänglich zu machen, über die sich die Kinder selbst gar nicht bewusst sind. Letztendlich konnte ich mit der Methode Einzelfallanalysen für jedes Kind aufweisen, um schließlich entsprechende Frauenbildtypen der Kinder zu den Prinzessinnen zu bilden und so meine Forschungsfrage zu beantworten.


Welche Bedeutung hat die Figur der Disney-Prinzessin in der Lebenswelt von Kindern?

Reichle: Die Bedeutung der Disney-Prinzessin in der Lebenswelt von Kindern ist immens. Das fängt bereits damit an, dass der Film „Die Eiskönigin“ als der erfolgreichste Animationsfilm aller Zeiten gilt. Noch deutlicher wird das an dem am meist verkauften Halloween-Kostüm: dem Kleid von Elsa. Die Spitze ist, dass vergleichsweise viele Kinder nach Disney-Prinzessinnen benannt sind, dieser Effekt ist beispielsweise bezüglich Vaiana in Deutschland zu beobachten. Darüber hinaus konnte ich im Kontext meiner Forschung feststellen, dass die Kinder meines Samples tatsächlich zunächst einmal fast alle Prinzessinnen kannten, unabhängig davon, ob sie die Filme gesehen hatten oder nicht. Denn spätestens mit Eintritt in den Kindergarten ist das Thema Disney-Prinzessin omnipräsent. Ein Junge erklärte mir im Interview, dass er selbst, obwohl er sich gar nicht dafür interessiert, sich nicht von dem Thema abwenden kann, weil alle nur von Elsa reden und ununterbrochen Prinzessin spielen. Im privaten Umfeld wird dann häufig das erste Mal ein Prinzessinnen-Film angesehen, worauf der Wunsch nach Spielsachen und Verkleidung der Prinzessinnen folgt. Beachtlich ist, dass das auch bei kleinen Jungen so ist, weil sie in das Spiel ihrer älteren Schwester einbezogen werden wollen.


Die Wirkmacht, die dabei von Disney ausgeht, unterscheidet sich insofern von anderen, weil es hier nicht nur um den direkten Einfluss der Medien geht, sondern auch um den indirekten Einfluss etwa durch Peers. Hierbei gilt die Prinzessin vor allem für Mädchen als ein Vorbild, das dem Prototyp einer Frau entspricht. Aus diesem Grund reicht es auch nicht aus, die Filme gesehen zu haben und das Gesehene im Spiel zu verarbeiten. Mädchen verkleiden sich darüber hinaus als Prinzessin, um diesem Frauenbild bestmöglich gerecht zu werden. Das erklärt auch den Wunsch aller von mir interviewten Mädchen, selbst eine Prinzessin sein zu wollen. Diese medialen Bilder, die – wie beschrieben – weit über das Medium Film in den Alltag der Kinder wirken, beeinflussen nun auch die Konstruktion des eigenen Geschlechts; bei Mädchen meist durch Vergleich mit der Prinzessin und bei Jungen, gerade wenn sie etwas älter sind, durch Abgrenzung zum anderen Geschlecht.

Die Prinzessinnen der Disney-Filme sind für viele Mädchen schlichtweg Traumfiguren. Doch als Vorbilder taugen die märchenhaften Figuren nicht: In 22 von 30 Disney-Filmen haben überwiegend Männer das Sagen. Sogar bei Filmen mit weiblicher Hauptrolle wie „Mulan“, „Pocahontas“ und „Arielle, die Meerjungfrau“ liegt der Redeanteil der Frauen unter 35 Prozent. Das zeigt eine Statistik, die auf Zahlen des amerikanischen Datenunternehmens Polygraph beruht. Für das Projekt „Filmdialoge nach Geschlecht“ haben sie die Drehbücher von 2000 Kinofilmen analysiert und die Redeanteile von Männern und Frauen auseinandergenommen. Am schlechtesten schneidet das „Dschungelbuch“ ab. Hier haben die weiblichen Nebencharaktere einen Redeanteil von zwei Prozent. Der Blockbuster „Frozen“ aus dem Jahr 2013 ist mit den beiden Prinzessinnen Elsa und Anna in den Hauptrollen besetzt. Dennoch haben die Heldinnen nur einen Redeanteil von 43 Prozent.
Die Prinzessinnen der Disney-Filme sind für viele Mädchen schlichtweg Traumfiguren. Doch als Vorbilder taugen die märchenhaften Figuren nicht: In 22 von 30 Disney-Filmen haben überwiegend Männer das Sagen. Sogar bei Filmen mit weiblicher Hauptrolle wie „Mulan“, „Pocahontas“ und „Arielle, die Meerjungfrau“ liegt der Redeanteil der Frauen unter 35 Prozent. Das zeigt eine Statistik, die auf Zahlen des amerikanischen Datenunternehmens Polygraph beruht. Für das Projekt „Filmdialoge nach Geschlecht“ haben sie die Drehbücher von 2000 Kinofilmen analysiert und die Redeanteile von Männern und Frauen auseinandergenommen. Am schlechtesten schneidet das „Dschungelbuch“ ab. Hier haben die weiblichen Nebencharaktere einen Redeanteil von zwei Prozent. Der Blockbuster „Frozen“ aus dem Jahr 2013 ist mit den beiden Prinzessinnen Elsa und Anna in den Hauptrollen besetzt. Dennoch haben die Heldinnen nur einen Redeanteil von 43 Prozent.

Was für ein Frauenbild haben die Kinder von der Disney-Prinzessin?

Reichle: In meiner Arbeit habe ich fünf unterschiedliche Frauenbildtypen herausgearbeitet, welche die Frauenbilder der Prinzessin in verschiedenen Ausprägungen charakterisieren. Die Kinder definieren das Frauenbild der Prinzessin dabei anhand der Orientierungsrahmen Tätigkeiten, Aussehen, Rolle und Beziehung zu anderen. Dabei werden die Prinzessinnen vornehmlich anhand ihres Aussehens beschrieben, wobei über alle Frauenbildtypen hinweg die Prinzessin als schön und mit Kleid charakterisiert wird. Was die anderen Kategorien anbelangt, so unterscheiden sich die Frauenbildtypen der Kinder signifikant, da sie die Prinzessin entweder als: 1. passiv; 2. abhängig; 3. moderat; 4. Zielgerichtet oder 5. selbstständig und individuell wahrnehmen.


Bei ihren Antworten beziehen sich die meisten Kinder weitestgehend auf die neueren Filme von Disney, wobei die aktuelleren Prinzessinnen auch als progressiver wahrgenommen werden. Die Bewertung des jeweiligen Frauenbildes durch die Kinder ist dabei zumeist positiv und einige hegen sogar den Wunsch selbst eine Prinzessin zu sein. Hierbei ist die Schönheit erneut der ausschlaggebende Faktor.


Inwieweit deckt sich das von der Disney-Prinzessin dargestellte Frauenbild mit dem der Kinder?


Reichle: In meiner Analyse konnte ich feststellen, dass es generell Überschneidungen zwischen den Frauenbildtypen und der medialen Darstellung in Bezug auf einzelne Faktoren gibt. Auffällig ist hierbei insbesondere der Aspekt der Äußerlichkeitsmerkmale, da diesbezüglich die mediale Darstellung und alle Frauenbildtypen übereinstimmen. So ist beispielsweise das Tragen eines Kleides für alle Kinder ein konstitutives Merkmal für die Prinzessinnen.


Zudem konnte ich eine stärkere Übereinstimmung zwischen medialer Darstellung und den Frauenbildtypen ermitteln, wenn die Beziehung der Kinder zu den Disney-Prinzessinnen besonders stark ausgeprägt ist. Hierbei ist jedoch auch die Beziehung zu spezifischen Prinzessinnen entscheidend. So konnte ich, wenn diese besonders ausgeprägt ist, eine eindeutige Übereinstimmung zwischen der medialen Darstellung der spezifischen Prinzessin und dem Frauenbild der Kinder feststellen.

Inwiefern beeinflusst die Darstellung der Prinzessin in Disney-Filmen den Sozialisationsprozess von Kindern in Bezug auf deren Frauenbild der Prinzessin?

Reichle: Von besonderer Relevanz für die Ausprägung des Frauenbildes der Kinder ist deren Beziehung zur Disney-Prinzessin. Eine besonders starke Beziehung ist dabei von einem besonders starken medialen Zugang gekennzeichnet. Außerdem erfolgt jedoch auch ein indirekter Zugang durch das familiäre Umfeld oder den Kindergarten, in dem die Medieninhalte thematisiert und bewertet werden. Der Besitz von Merchandise-Produkten und die Verarbeitung der Inhalte im Spiel ist in diesem Fall ebenso ausgeprägt und spielt eine entscheidende Rolle in der Lebensrealität der Kinder.


Insbesondere bei Kindern, die in sehr starker Beziehung zur Disney-Prinzessin stehen, deckt sich das Frauenbild stark mit dem medial vermittelten, wobei insbesondere die spezifische Prinzessin, zu der eine Beziehung besteht, relevant ist. Ebenso konnte ich feststellen, dass sich Kinder mit progressiveren Frauenbildern eher an den aktuelleren Prinzessinnen orientieren, während Kinder, die sich an den älteren Prinzessinnen orientieren oder nur eine sehr schwach ausgeprägte Beziehung zu den Disney-Prinzessinnen haben, ein eher stereotypes Frauenbild zeigen. Folglich kann hier schon von einem Einfluss der Beziehung zur Disney-Prinzessin auf den Sozialisationsprozess der Kinder bezüglich des Frauenbildes gesprochen werden.


Es ist also davon auszugehen, dass sich Kinder die mediale Darstellung direkt aneignen und damit das Frauenbild der Disney-Prinzessin in ihre Geschlechterrollenvorstellung integrieren und in ihre Geschlechtsidentität übernehmen. So könnte beispielsweise das Merkmal der Schönheit, das einen dominanten Teil des Frauenbildes der Disney-Prinzessin einnimmt, bei Mädchen dazu führen, dass sie der Erwartung, diesem Merkmal zu entsprechen, gegenüberstehen und somit ihr Selbstbild beeinflusst wird. Jungen verinnerlichen diese Erwartungshaltung zwar ebenso, jedoch steht sie hierbei im Kontext des Fremdbildes des Frau-Seins und führt zu einer Erwartung an das andere Geschlecht.

Titelbild: 

| Salman Hassan / Pexels.com (CC0 Public Domain) | Link


Bilder im Text: 

| Boy Scouts of America / eBay item photo front photo back (Public Domain) | Link

| RobertoGemini / Pixabay.com (CC0 Public Domain) | Link


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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