Managergehälter

Schluss mit dem Boni-Wettrüsten

von Professor Dr. Marcel Tyrell | Zeppelin Universität
06.03.2013
Immer mehr wissenschaftliche Studien deuten darauf hin, dass ein aufgeblähter Finanzsektor ein valider Vorbote gesamtwirtschaftlicher Krisen und zunehmender Einkommensunterschiede ist.

Professor Dr. Marcel Tyrell
 
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    Professor Dr. Marcel Tyrell

    Seit 2009 leitet Prof. Dr. Marcel Tyrell das Buchanan Institut für Unternehmer- und Finanzwissenschaften der Zeppelin Universität. Vorher lehrte er unter anderem an der Universität Frankfurt, der University of Pennsylvania und der European Business School. Schwerpunktmäßig forscht er an Veränderungen von Finanzsystemstrukturen, mikro – und makroökonomischen Auswirkungen von Finanzkrisen und der Verschuldungsdynamik von Volkswirtschaften.

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Sowohl das erfolgreiche Volksbegehren der Schweizer gegen die „Abzocker“ als auch die EU-Initiative zur Begrenzung der Boni für Banker werden in der Öffentlichkeit als Zeichen einer Zeitenwende gesehen. Managergehaltsstrukturen, die in der Vergangenheit mehr oder minder geräuschlos akzeptiert wurden, gelten als nicht mehr vermittelbar und sollten deshalb einer stringenten stattlich unterstützten Regulierung unterworfen werden. Dabei sind die beiden Fälle bei genauerem Hinsehen sehr unterschiedlich gelagert.

Das Schweizer Volksbegehren war auf ein gravierendes Corporate-Governance-Problem in der Führung börsennotierter Aktiengesellschaften gerichtet: Wer bestimmt eigentlich in diesen Unternehmen die Entlohnungs- und Gehaltsstrukturen? Und wie kann man dafür Sorge tragen, dass die Aktionäre ihre rechtlichen Entscheidungsmöglichkeiten auch wirklich nutzen? Die EU-Initiative hingegen trifft den Kern des Investmentbankings und damit auch des Geschäftsmodells: Werden durch die angedachten Gehaltsobergrenzen bedingt gewisse Bankaktivitäten aus Banken ausgelagert und verlieren dadurch diese Finanzinstitutionen ihre Existenzberechtigung? Und: Wäre das denn gegebenenfalls schlimm?

Trotzdem war der Aufschrei der Lobbyisten in beiden Fällen sehr ähnlicher Natur. In der Schweiz wurden Gefahren für den Wirtschaftsstandort durch die neuen Regelungen heraufbeschworen. Denn nun könne man nicht mehr die besten Management-Talente in einem globalisierten Markt an Schweizer Unternehmen binden, welches mittelfristig sogar Abwanderungen von Firmen zur Folge haben könnten. In der Finanzindustrie wurde ebenfalls argumentiert, dass es zu gesamtwirtschaftlich negativ folgenreichen Migrationen von fähigen Bankern kommen könnte, die dann zu Schattenbanken und in „Off-Shore“-Zentren wie den Bermudas, Cayman-Inseln und Britischen Jungferninseln abwandern würden.

Diesen Argumenten sollte eine gewisse Gelassenheit entgegengebracht werden. Mitnichten ist es nämlich so, dass der Markt für Topmanager wirklich global ist, wie von Seiten der Lobbyisten im Falle des Volksbegehrens immer wieder suggeriert wurde. Die Gehaltsstrukturen sind weltweit eine Folge fehlgeleiteter Corporate-Governance-Strukturen und nicht das Ergebnis wettbewerbsmäßig kaum verzerrter Managementmärkte.

Insofern könnte die Initiative der Schweizer sehr wohl von Erfolg gekrönt sein, wenn die Anreize von Aktionären zur Kontrolle des Managements durch die vorgeschlagenen Regelungen wirklich verbessert werden. Dies hängt jedoch entscheidend davon ab, ob institutionelle (Fonds-) Anleger, die in nahezu allen größeren börsennotierten Unternehmen im Streubesitz die Mehrheit der Stimmrechte auf sich vereinen, von ihren Befugnissen entsprechend der angedachten Intention des Volksbegehrens Gebrauch machen. Hier liegt jedoch der Hase im Pfeffer, denn hinsichtlich ihrer eigenen Corporate Governance weisen viele dieser Fonds erhebliche Defizite auf, die auch nicht durch Delegation an spezialisierte Institutionen wie beispielsweise Institutional Shareholder Services (ISS), die für sie die Stimmrechte ausüben, ausgeräumt werden können.

Auch in Bezug auf die Gehaltsdeckelung in der Finanzindustrie sollte man den Lobbyisten-Argumenten nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken. Hier gibt es zwar zweifelsohne stärker globalisierte Marktstrukturen. Aber auch hier gilt: Die Abwanderung zu den Schattenbanken ist zwar grundsätzlich möglich, jedoch sind die Eintrittsbarrieren hoch. Die Gehälter, die in den Schattenbanken gezahlt werden, stehen auch unter Druck, und es gibt nur wenige absolute Topverdiener. Die Wechseloptionen sind somit bei weitem nicht so attraktiv, was sich nicht zuletzt an der beträchtlichen Zahl von ehemaligen (Investment-) Bankern und Händlern zeigt, die momentan ohne Arbeit sind.

Zum anderen stellt sich die Frage nach der gesamtwirtschaftlichen Sinnhaftigkeit bestimmter Handelsgeschäfte. Immer mehr wissenschaftliche Studien deuten jedenfalls darauf hin, dass ein aufgeblähter Finanzsektor ein valider Vorbote gesamtwirtschaftlicher Krisen und zunehmender Einkommensunterschiede ist.



Bild: uwekern/ photocase

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