Lehman Brothers

Was bleibt fünf Jahre nach der Lehman-Pleite

von Prof. Dr. Marcel Tyrell | Zeppelin Universität
24.09.2013
Banker von global systemrelevanten Finanzinstitutionen wollen nicht anerkennen, dass diese Banken „halb-öffentliche“ Finanzinstitute sind.

Prof. Dr. Marcel Tyrell
 
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    Prof. Dr. Marcel Tyrell

     Seit 2009 leitet Prof. Dr. Marcel Tyrell das Buchanan Institut für Unternehmer- und Finanzwissenschaften der Zeppelin Universität. Vorher lehrte er unter anderem an der Universität Frankfurt, der University of Pennsylvania und der European Business School. Schwerpunktmäßig forscht er an Veränderungen von Finanzsystemstrukturen, mikro – und makroökonomischen Auswirkungen von Finanzkrisen und der Verschuldungsdynamik von Volkswirtschaften.

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    Hintergründe der Finanzkrise

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Grundsätzlich kann man konstatieren, dass gerade in Bezug auf die internationalen Großbanken bisher nur graduelle Veränderungen festzustellen sind. Bestimmte Finanzierungsinstrumente wie durch Immobilien besicherte Wertpapiere haben zwar gewaltig an Bedeutung verloren, die Banken haben zum Teil bilanzielle Risiken abgebaut und sich aus bestimmten Geschäftsaktivitäten zurückgezogen, und auch ihre Eigenkapitalausstattung hat sich verbessert. Das grundlegende Geschäftsmodell der international agierenden Finanzinstitute hat sich jedoch bis auf wenige Ausnahmen kaum verändert.

Fotografen bei der Bekanntgabe der Insolvenz von Lehman-Brothers 2007
Fotografen bei der Bekanntgabe der Insolvenz von Lehman-Brothers 2007

Globale Banken zeichnen sich weiterhin dadurch aus, dass sie neben den traditionellen Geschäftsbereichen wie Einlagenentgegennahme und Kreditvergabe eine Vielzahl von Finanz- und Dienstleistungsaktivitäten, die ihre zunehmende Bedeutung den Fortschritten der Informations- und Kommunikationstechnologie der letzten 30 Jahre verdanken, unter einem Dach bündeln. Eine Rückkehr zu althergebrachten Strukturen hat sich also nicht vollzogen und ist aus ökonomischen Gesichtspunkten auch nicht anzustreben. 


Die Politik hat mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen auf die Finanzkrise reagiert. So wurden die Eigenkapitalerfordernisse der Banken leicht verschärft und ihre Eigenhandelsaktivitäten eingeschränkt. Neue Regulierungsbehörden für große systemrelevante Finanzinstitute sind entstanden. Verbriefte Finanzierungen müssen mit mehr Eigenkapital unterlegt werden. Neuartige Regulierungen für Derivate und Swap-Arrangements und eine Registrierungspflicht für Hedgefonds wurden eingeführt. Im Anbetracht dieser Einzelmaßnahmen ist klar ersichtlich, dass die oben beschriebenen graduellen Veränderungen überwiegend nicht der Eigeninitiative der Banken geschuldet sind, sondern regulativ bedingt. Die Selbstheilungskräfte im Finanzsektor wirken somit kaum.

Interesse an den Hintergründen? Hier unser Filmtipp


Noch aufschlussreicher ist es jedoch, sich die Leerstellen anzuschauen, in denen sich regulativ wenig geändert hat. Dabei fallen insbesondere vier Bereiche auf. 


Zum ersten wurden die Ratingagenturen bisher kaum in ihren Handlungsmöglichkeiten regulativ eingeschränkt. Dies ist vor dem Hintergrund, dass das Verhalten der Ratingagenturen und ihre Rolle in der Entstehung der systemischen Risiken vor der Finanzkrise als äußerst bedenklich angesehen wurden, doch sehr erstaunlich. Entweder haben es die Ratingagenturen geschafft, ihre Bedeutung kleinzureden, oder sie haben tatsächlich so viel Reputation verloren, dass sie nicht mehr als regulativ bedeutend angesehen werden. 


Zum zweiten wurde die interne Corporate Governance der Großbanken kaum thematisiert. Dies betrifft insbesondere das interne Risikomanagementsystem und seine organisatorische und personelle Verankerung in der Bank. Obwohl sich aus einer Vielzahl von Untersuchungen ergibt, dass Banken mit strikteren Risikosystemen auch besser durch die Krise gekommen sind, hat die Regulierungspolitik hier bisher kaum eingegriffen.

G20 Gipfel 2008, auch Weltfinanzgipfel
G20 Gipfel 2008, auch Weltfinanzgipfel

Zum dritten sind die Vergütungsstrukturen im Bankensektor allenfalls halbherzig aufgegriffen worden. Gerade in den USA erweist sich die regulative Kontrolle der Vergütungsstruktur als ein Tabuthema. 


Und zum vierten sind die Eigenkapitalregulierungen zu nennen. Hier gibt es zwar durch die Basel-III-Regulierungsvorschriften eine gewisse Verschärfung. Aber die Risikogewichtung der bilanziellen Assets der Banken, die langen Übergangsregeln, die absolute Höhe der Eigenkapitalquote und die vielen Ausnahmeregelungen lassen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bemühungen aufkommen.

Interessanterweise gibt es einen gemeinsamen Nenner all dieser Leerstellen. In allen vier Bereichen wären Maßnahmen geeignet, die systemischen Risiken zu begrenzen, ohne die oben erwähnten Modernisierungsvorteile des Bankensektors in Frage zu stellen. Trotzdem oder gerade deshalb werden sie durch die „global banking community“ extrem bekämpft. Denn der gemeinsame Nenner liegt darin, die Verhaltensspielräume des Bankmanagements regulativ einzuschränken. Banker von global systemrelevanten Finanzinstitutionen wollen nicht anerkennen, dass diese Banken „halb-öffentliche“ Finanzinstitute sind und sie selbst damit auch entsprechenden Gehalts- und Governance-Strukturen unterliegen sollten. Die Politik aber sollte dies endlich durchsetzen. Es bleibt also noch viel zu tun.


Titelbild: Mathew Knott (CC BY-NC-SA 2.0)

Text: Patrick Stahl (CC BY-SA 2.0), Downing Street (CC BY-NC-ND 2.0)

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