Open Government

Kommunen entdecken das Internet

Das Internet ist Chance und Herausforderung zugleich. Einerseits bietet das Web 2.0 mehr und bessere Möglichkeiten zur Interaktion, gleichzeitig wachsen die Ansprüche.

Christian Geiger
 
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    Zur Person
    Christian Geiger

    Christian Geiger ist seit Abschluss seines Master-Studiums in "Public Management & Governance" seit 2009 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik am Deutschen Telekom Institute for Connected Cities (TICC) der Zeppelin Universität tätig. Er gibt Lehrveranstaltungen an den Schnittstellen zwischen Politik, Verwaltung sowie Informations- und Kommunikationstechnologien.

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    Factbox
    Open Government

    Open Government beschreibt das Vorhaben, Regierungs- und Verwaltungshandeln transparenter zu gestalten. Ziel ist es, Politik und Verwaltung offener gegenüber den Bürger/innen und der Wirtschaft zu gestalten, um mehr Kooperations- und Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen, Innovationen zu fördern und die bisher erreichte Qualität des Verwaltungshandelns zu stärken. Weitergehende Informationen bietet das Bundesinnenministerium.

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Röhrenfernseher, Pferdekutsche, Öffentliche Verwaltung. Drei Begriffe, bei denen die wenigsten auf Anhieb ans 21. Jahrhundert denken dürften. Doch während sich LCD-Monitore und das Automobil wohl endgültig durchgesetzt haben, arbeitet die deutsche Exekutive daran, ihr angestaubtes Image aufzufrischen.

Wer heutzutage als modern gelten will, sollte sich ein schickes, englisches Buzzword suchen und irgendwas mit diesem Internet machen. So gesehen ist die Modernisierungsstrategie der Öffentlichen Verwaltung ein guter Anfang: Open Government lautet das Schlagwort, Web 2.0 ist das Werkzeug der Wahl.

Open Government


Christian Geiger hält 2011 einen Vortrag über die Grundlagen von Open Government bei einer Fachkonferenz in Wien.
Christian Geiger hält 2011 einen Vortrag über die Grundlagen von Open Government bei einer Fachkonferenz in Wien.

Dabei steckt ein zutiefst analoger Gedanke dahinter: „Open Government gab es auch schon vor 300 Jahren“, sagt Christian Geiger, der an der Zeppelin Universität die Öffnung von Staat und Verwaltung untersucht. „Öffentliche Aushänge und Bekanntmachungen folgen dem gleichen Prinzip. Man informiert die Bürger und schafft Transparenz.“ Doch natürlich böte das Internet ganz neue Möglichkeiten: „Durch Facebook und Twitter gibt es plötzlich einen Rückkanal. Man erreicht nicht nur mehr Menschen als früher, diese können jetzt auch in einen Dialog treten und Feedback geben.“ Dadurch ließen sich Bürger leichter an Entscheidungen beteiligen, und die Hürde, sich aktiv einzubringen, werde kleiner.

Der vermutlich entscheidende Meilenstein auf dem Weg zur modernen Verwaltung wurde dabei 2009 in Amerika gesetzt. Am ersten Tag seiner Amtszeit verabschiedete Barack Obama das Memorandum Transparency and Open Government. „Das war eine interne Weisung, die den Stellenwert von Transparenz und Teilhabe deutlich gemacht hat“, erklärt Geiger. Nachdem Obama die Wahl nicht zuletzt wegen seiner Web-2.0-Strategie gewonnen hatte, wollte er dieses Instrument auch für die Arbeit von Regierung und Verwaltung einsetzen. „Als das in Amerika recht gut funktioniert hat, haben andere Länder wie Großbritannien, Australien und in Neuseeland nachgezogen. Und inzwischen hat man auch in Deutschland erkannt, dass die Öffentliche Verwaltung vom Einsatz der neuen Medien profitieren kann.“

Bei einem Open City Workshop im kanadischen Edmonton formulieren die Teilnehmer ihre Fragen und Wünsche an die Verwaltung.
Bei einem Open City Workshop im kanadischen Edmonton formulieren die Teilnehmer ihre Fragen und Wünsche an die Verwaltung.

Während es für große Städte inzwischen zum guten Ton gehört, die digitale Interaktion mit den Einwohnern zu pflegen, sind viele kleine Kommunen noch nicht so weit: „Natürlich hat ein 3.000-Seelen-Dorf mit drei hauptamtlichen Mitarbeitern in der Gemeindeverwaltung weder die finanziellen noch die personellen Ressourcen wie etwa Hamburg, wo es eigene Social-Media-Guidelines und ein Social-Media-Kompetenzzentrum gibt.“ Doch gleichzeitig hätten kleinere Verwaltungseinheiten einen großen Vorteil: „Die Wege zwischen Bürger und Bürokratie sind kürzer. Wer sich beteiligt, sieht die Auswirkungen oft ganz unmittelbar. Deshalb fällt es auf kommunaler Ebene oft leichter, die Menschen zum Mitreden und Mitmachen zu bewegen.“

Wie dieses Potential genutzt werden kann, möchte Christian Geiger herausfinden. Gemeinsam mit Professor Jörn von Lucke erstellt er einen Handlungsleitfaden zum Einsatz von Web 2.0-Technologien in bayerischen Kommunen. „Ende 2012 haben wir alle Städte und Gemeinden angeschrieben und gefragt, wie aktiv sie in sozialen Netzwerken sind und ob sie eigene Softwarelösungen nutzen, um mit den Bürgern zu kommunizieren.“ Aus den rund 300 Rückmeldungen haben die beiden Forscher 13 Best-Practice-Beispiele ausgewählt und dort Experteninterviews geführt.

Noch ist das Projekt nicht abgeschlossen, aber es gibt eine eindeutige Tendenz: „Die Erfahrungen sind überwiegend positiv“, bilanziert Geiger. Gerade Facebook habe sich als ideales Instrument herausgestellt, mit dem unkompliziert neue Zielgruppen angesprochen werden könnten. „Welcher Jugendliche liest schon den Gemeinde-Rundbrief oder setzt sich in eine Stadtratssitzung? Wenn die Information dagegen in der Facebook-Timeline auftaucht, ist es viel wahrscheinlich, dass sie die Digital Natives erreicht.“


Als aktuelles Positiv-Beispiel nennt Geiger die Reaktion auf die Flutkatastrophe im Juni 2013. Die Öffentliche Verwaltung habe Facebook eingesetzt, um mit den Unterstützern Kontakt aufzunehmen und die Hilfsaktionen zu koordinieren. „Das hat hervorragend funktioniert. Auf dem Pluragraph lässt sich das auch in Zahlen ablesen. So hat etwa die Stadt Magdeburg die Zahl ihrer Fans auf Facebook innerhalb von wenigen Tagen mehr als verdoppelt, in Passau ist das Gleiche passiert.“

Was ist der Pluragraph?


Im Sommer 2013 kamen tausende Freiwillige in die Hochwassergebiete, um den Betroffenen zu helfen - nicht zuletzt dank der effektiven Koordinierung über Facebook.
Im Sommer 2013 kamen tausende Freiwillige in die Hochwassergebiete, um den Betroffenen zu helfen - nicht zuletzt dank der effektiven Koordinierung über Facebook.

Christian Geiger ist sich sicher, dass die Digitalisierung die Arbeit und das Profil der Öffentlichen Verwaltung ändern wird. „Das Internet ist Chance und Herausforderung zugleich. Einerseits bieten die Tools des Web 2.0 mehr und bessere Möglichkeiten zur Interaktion, gleichzeitig wachsen die Ansprüche.“ Bevormundung und intransparente Entscheidungsverfahren würden zunehmend weniger akzeptiert, immer mehr Bürger forderten Transparenz und Beteiligung. „Daran werden sich die Mitarbeiter gewöhnen müssen, auch wenn es dem einen oder anderen vielleicht schwer fällt. Langfristig braucht es wohl eigene Community Manager, die den digitalen Kontakt zur Bevölkerung pflegen. Klar, das kostet Geld – aber insgesamt halte ich den möglichen Nutzen für viel größer als die Kosten. Mehr Web 2.0 kann der Öffentlichen Verwaltung nur gut tun.“

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