Verwaltung im Internet

Beamtenselfies statt Katzenvideos?

Deswegen sehen wir die Stadtverwaltung in zehn Jahren nicht mehr nur als Dienstleister oder Hüterin des analogen Haushaltsbuches, sondern als Organ zur Interessenvertretung der Bürger.

Marco Ramljak und Sascha Novoselic
PAIR-Studierende der Zeppelin Universität
 
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    Zur Person
    Marco Ramljak und Sascha Novoselic

    Marco Ramljak studiert im fünften Semester "Politics, Administration and International Relations" im Bachelor-Studium an der Zeppelin Universität. Im Studium gilt seine besondere Leidenschaft den Verwaltungswissenschaften. Außerhalb der Universität ist der gebürtige Bayer häufig mit seinen Schützlingen im Mentorenprojekt "Rock your Life" anzutreffen, bei dem er tatkräftig junge Schülerinnen und Schüler unterstützt. 


    Sascha Novoselic studiert "Politics and Public Management" im Master-Studium. Seinen Bachelor in Politischer Wissenschaft mit Schwerpunkt Öffentliches Recht  erlange er zuvor in Nürnberg. Neben zahlreichen Praktika, unter anderem im Bundesinnenministerium oder bei der United Internet AG arbeitete er als Studentischer Mitarbeiter am Open Government Institute der Zeppelin Universität. 

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Ihr wart für die Zeppelin Universität auf einem Kongress unterwegs, auf dem sich mittelständige IT-Unternehmen mit Fokus auf der öffentlichen Verwaltung austauschen. Für viele Studenten ist das nicht unbedingt ein Traumjob. Woher kommt Euer persönliches Interesse für diese Themen? 

Marco Ramljak und Sascha Novoselic: Nicht nur die Verwaltung hat die Aufgabe, sich in das schon voranschreitende Zeitalter zu integrieren und mitzugestalten. Bürger müssen diesen Wandel nicht nur fordern, sondern so schnell wie möglich auch nutzen. Deswegen müssen beide Akteure hier proaktiv aufeinander zugehen und für benutzerfreundliche Lösungen einstehen. Bei diesem Wandel in die Wissensgesellschaft wollen wir mitwirken und auch Ideen einbringen! Außerdem haben wir großes Interesse an Wissensmanagementsystemen und intelligenten Verbindungen – und diese können jeder Verwaltung einen Mehrwert bringen! 

Die ZU-Studenten Marco Ramljak (l.) und Sascha Novoselic (r.) auf dem DATABUND-Forum 2015 in den Räumen von Microsoft Berlin: Unter dem Titel „Damit der Staat den Menschen dient – Wie kann der Staat den Bürger erreichen?“ trafen die beiden Studenten auf unzählige mittelständige IT-Unternehmer, Softwarehersteller, Experten aus der Wissenschaft und Verwaltungsmitarbeiter. Im Mittelpunkt stand für sie alle vor allem die Frage, welche Möglichkeiten Öffentliche Verwaltungen haben, den Bürger zu erreichen und welche Kanäle sie nutzen, um mit ihren E-Government-Angeboten den lebensweltlichen Interessenlagen von Bürgerinnen und Bürgern zu entsprechen.
Die ZU-Studenten Marco Ramljak (l.) und Sascha Novoselic (r.) auf dem DATABUND-Forum 2015 in den Räumen von Microsoft Berlin: Unter dem Titel „Damit der Staat den Menschen dient – Wie kann der Staat den Bürger erreichen?“ trafen die beiden Studenten auf unzählige mittelständige IT-Unternehmer, Softwarehersteller, Experten aus der Wissenschaft und Verwaltungsmitarbeiter. Im Mittelpunkt stand für sie alle vor allem die Frage, welche Möglichkeiten Öffentliche Verwaltungen haben, den Bürger zu erreichen und welche Kanäle sie nutzen, um mit ihren E-Government-Angeboten den lebensweltlichen Interessenlagen von Bürgerinnen und Bürgern zu entsprechen.

Die Verwaltung gilt in der öffentlichen Wahrnehmung gemeinhin eher als verstaubt, langsam und viel zu aufgebläht. Welche Themen und innovativen Konzepte wurden denn dort besprochen? 

Ramljak und Novoselic: Ein viel diskutierter Begriff war das Konzept „Once Only“. Kurz gesagt besagt dieses Konzept, dass man der Verwaltung seine Daten nur einmal nennt, sie diese speichert und bereichsübergreifend benutzen kann, sodass man sich viele Formulare mit den selben abgefragten Daten sparen kann. Natürlich kommt hier die Frage des Datenschutzes auf und vor allem, dass man wieder nicht weiß, wer auf die jeweiligen Daten mit welcher Begründung zugreift. Jedoch wenn man durch ein Portal seine eigene Kartei als Bürger verwalten und auch ständig sehen kann, welcher Bereich der Verwaltung zu welchem Zeitpunkt auf die Kartei zugegriffen hat, dann könnte man dem Bürger nicht nur viel Papierarbeit sparen, sondern auch Prozesse in der Verwaltung transparenter machen. Ein zweites Thema handelt genau von den Prozessen der Verwaltung. Ein Konzept, das sich „Digital by Default“ nennt, soll helfen, dass Bürger jegliche Prozesse digital initiieren und auch dann transparent verfolgen können, in welchem Stadium diese sich befinden. Sobald jemand nachvollziehen kann, warum ein Prozess etwas länger dauert, erhöht sich auch hier das Verständnis deutlich!

Auch Ihr selbst wart aktiv in den Kongress eingebunden: im Block zur Verwaltung in den sozialen Medien. Wie kann denn Verwaltung ganz praktisch soziale Medien für sich nutzen? Mit Selfies von Beamten bei der Arbeit und lustigen Videoclips von den besten Verwaltungspannen? 

Ramljak und Novoselic: Solche Clips wären auf alle Mal ein riesiger Hit im Netz, wir glauben aber, dass schon aktuell gehaltene Facebook-Seiten einer Stadt die Bürger freuen würden! Aber diesen Wandel sieht man schon! Man muss immer bedenken, dass ja Beamte auch gleichzeitig Bürger sind und deswegen auch ein Gespür haben, wie sich die Verwaltung nach außen präsentiert und präsentieren sollte. Dennoch muss man bei sozialen Medien beachten, dass sich viele Akteure nicht nur präsentieren, sondern auch zusammen interagieren sollten. Bei dem Beispiel Verwaltung und Bürger müssen vor allem diese Interaktionen weiterentwickelt werden, damit man leicht miteinander in Kontakt treten und kooperieren kann. Beispiel hierfür wäre die Friedrichshafener Ideenplattform „sags-doch.de“ mit einer potentiellen Einbindung in populäre soziale Netzwerke, die Koordination und Mobilisierung der akuten Flüchtlingshilfe über Facebook. Oder die Einbindung von sozialen Medien bei den immer populäreren Bürgerhaushalten.

Zugegeben: Facebook, Instagram und Co. sehen vielleicht ansprechender aus, doch trotzdem ist die Friedrichshafener Ideenplattform „sags-doch.de“ ein ideales Beispiel für einen gelungenen Verwaltungsauftritt im Netz. Auf der Homepage oder in der dazugehörigen App können Bürger ganz einfach alles an die Stadtverwaltung melden, worüber sie im Alltag stolpern. Innerhalb von maximal zehn Tagen liefert die Stadt die passende Antwort aufs Anliegen und hat in etlichen Fällen die betreffenden Probleme schon gelöst. Damit blickt die Stadt auf eine kleine Erfolgsgeschichte: Weit über 2000 Probleme wurden seit Start der Plattform im Herbst 2011 gelöst und Straßenlaternen repariert, Baustellen beseitigt, Spielplätze saniert oder sogar neue Bushaltestellen geschaffen.
Zugegeben: Facebook, Instagram und Co. sehen vielleicht ansprechender aus, doch trotzdem ist die Friedrichshafener Ideenplattform „sags-doch.de“ ein ideales Beispiel für einen gelungenen Verwaltungsauftritt im Netz. Auf der Homepage oder in der dazugehörigen App können Bürger ganz einfach alles an die Stadtverwaltung melden, worüber sie im Alltag stolpern. Innerhalb von maximal zehn Tagen liefert die Stadt die passende Antwort aufs Anliegen und hat in etlichen Fällen die betreffenden Probleme schon gelöst. Damit blickt die Stadt auf eine kleine Erfolgsgeschichte: Weit über 2000 Probleme wurden seit Start der Plattform im Herbst 2011 gelöst und Straßenlaternen repariert, Baustellen beseitigt, Spielplätze saniert oder sogar neue Bushaltestellen geschaffen.

Du, Marco, hast eher das konkrete Fallbeispiel angepackt – nämlich die Weiterentwicklung von Demokratie durchs Ehrenamt. Wie können Verwaltung und soziale Medien dort zusammenspielen? 

Ramljak: Ich stelle die These auf, dass es eine Art Wahlmüdigkeit durch Selbstverständlichkeit gibt. Unsere Demokratie muss als Prozess angesehen werden und nicht als Status, den man erhält, sobald man freie Wahlen alle vier Jahre zulässt. Demokratische Instrumente müssen immer weiter integriert werden, und hier ist nicht nur die Verwaltung gefragt, sondern auch die Bürger müssen diese Instrumente wahrnehmen! Demokratische Prozesse mit den Bürgern sollten in den Alltag fließen, wie zum Beispiel, dass Vereine und Initiativen sich über soziale Netzwerke und Plattformen vernetzen und nah mit der Verwaltung zusammenarbeiten. Der dritte Sektor wird durch den demographischen Wandel voraussichtlich viel größer, und dieser sollte nicht nur aktiv mit der Verwaltung kooperieren, sondern auch effektive Strategien entwickeln, wie beispielsweise in der aktuellen Flüchtlingssituation. Wissen zu teilen zwischen ehrenamtlichen Vereinen macht einfach Sinn, denn sie haben Ziele, die unter gemeinsamen Idealen verpackt werden können und sollten somit nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Dieses Konzept werde ich im kommenden Jahr als Humboldt-Projekt aufgreifen unter dem Namen „Ehrenamt 2.0“.

Abschließend zwei ganz allgemeine Fragen: Wo seht Ihr die Verwaltung in zehn Jahren? Welches ist die größte Hürde, welche die Verwaltung aktuell meistern muss und wie kann das funktionieren? 

Ramljak und Novoselic: Genau wie die Industrie wird die Verwaltung den Anspruch haben, immer genauer und effektiver zu arbeiten durch Möglichkeiten wie zum Beispiel „Big Data“. Dies erfordert auch immer mehr und mehr mit den Bürgern zu kooperieren und sich über unkomplizierte Wege in beide Richtungen auszutauschen. Soziale Medien eignen sich hierfür einfach am besten! Viele Bürger wollen sich vernetzen und können somit durch einfache Tools unglaublich voneinander profitieren. Die Verwaltung sollte daran teilhaben und mit dem daraus erhaltenen Wissen arbeiten können und vermehrt Wissen zur Verfügung stellen. Diese Bürgerorientierung stellt also sowohl Hürde als auch Chance für die Verwaltung dar, denn sie kann zwar nicht mehr ihr eigener Chef sein, dafür wird aber die Arbeit eines jeden Beamten durch eine Öffnung deutlich attraktiver. Deswegen sehen wir beispielsweise die Stadtverwaltung in zehn Jahren nicht mehr nur als Dienstleister oder als Hüterin des analogen Haushaltsbuches, sondern eher als Organ zur Interessenvertretung der Bürger. 

Titelbild: „Grumpy Cat by Gage Skidmore“ von Gage Skidmore. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.

Bilder im Text: Ludwig Atzberger / DATABUND e.V.

sags-doch.de / Screenshot


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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