Bundesnachrichtendienst

Abhören, um zu schützen

Dass die Presse ein Vorrecht auf brisante Informationen haben soll, erschließt sich mir inhaltlich schon nicht.

Prof. Dr. Georg Jochum
Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Steuer-, Europarecht und Recht der Regulierung
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Georg Jochum

    Georg Jochum, geboren 1968 in Köln, studierte als Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln und schloss sein Studium 1993 mit der ersten juristischen Staatsprüfung ab. Im Jahr 1996 promovierte er zum Thema „Materielle Anforderungen an das Entscheidungsverfahren in der Demokratie“, ein Jahr später folgte die zweite juristische Staatsprüfung, im Jahr 2003 habilitierte Jochum zum Thema „Die Steuervergünstigung“. Nach Tätigkeiten als Rechtsanwalt, wissenschaftlicher Assistent und Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen wurde er im Jahr 2007 zum außerplanmäßigen Professor an der Uni Konstanz ernannt. Im gleichen Jahr wurde Jochum Mitglied in der wissenschaftlichen Kommission der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes.  

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Worin besteht der Auftrag des Bundesnachrichtendienstes?

Prof. Dr. Georg Jochum: Der Bundesnachrichtendienst sammelt und wertet Informationen aus, um der Bundesregierung Erkenntnisse über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischem Interesse sind, zu ermöglichen. Er dient also letztlich der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung – er ist damit auch keine Polizeibehörde.


Wer nutzt die vom BND gesammelten Informationen und wofür werden diese eingesetzt?

Jochum: Das Bundeskanzleramt ist die unmittelbar vorgesetzte Behörde – damit nutzt die Bundesregierung die Informationen. Daneben kommen aber auch andere Behörden, wie Strafverfolgungsbehörden oder der Verfassungsschutz als Empfänger in Betracht, wenn es beispielsweise um geplante schwere Straftaten oder terroristische Aktivitäten geht.


Was regelt das reformierte BND-Gesetz von 2017 und was hat es mit der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung auf sich?


Jochum: Das BND-Gesetz regelt die Zuständigkeiten und Befugnisse des BND in allgemeiner Form. Die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung regelt die Telefonüberwachung von Ausländern im Ausland. Sie ist im Gegensatz zu inländischen Sachverhalten sehr weit gefasst. Es reicht aus, dass die Überwachung erforderlich ist, um frühzeitig Gefahren für die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu erkennen und diesen begegnen zu können, die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu wahren oder sonstige für die Außen- und Sicherheitspolitik erforderliche Kenntnisse zu erlangen.

Mit den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden im NSA-Skandal geriet nach 2013 auch der Bundesnachrichtendienst (BND) in die Kritik. Der Auslandsgeheimdienst mit rund 6.500 Mitarbeitern soll an der globalen Massenüberwachung seinen Anteil gehabt haben. Als Reaktion regelte die Politik zum ersten Mal detailliert, was der BND bei der sogenannten strategischen Fernmeldeaufklärung im Ausland zu tun und zu lassen hat. Anfang 2017 trat das reformierte BND-Gesetz mit den Vorschriften in Kraft. Doch Kritiker halten die Beschränkungen und Kontrollen für unzureichend und sehen viele Schlupflöcher. So schützt das Gesetz zwar alle Deutschen und bis zu einem gewissen Grad auch EU-Bürger vor Ausspähung. Für die Menschen in anderen Ländern gelten diese Vorgaben aber nicht. „Das BND-Gesetz führt im Grunde eine Art Drei-Klassen-Gesellschaft ein, so als gäbe es ein Grundgesetz light“, kritisiert etwa Ulf Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Karlsruher Klage angestoßen hat. Nach dem Start der Verhandlungen im Januar arbeiten die Richter nun ihr Urteil aus. Sehen sie Grundrechte verletzt, könnten sie der Politik aufgeben, strengere Regeln zu schaffen. Verkündet wird das Urteil erfahrungsgemäß einige Monate nach der Verhandlung.
Mit den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden im NSA-Skandal geriet nach 2013 auch der Bundesnachrichtendienst (BND) in die Kritik. Der Auslandsgeheimdienst mit rund 6.500 Mitarbeitern soll an der globalen Massenüberwachung seinen Anteil gehabt haben. Als Reaktion regelte die Politik zum ersten Mal detailliert, was der BND bei der sogenannten strategischen Fernmeldeaufklärung im Ausland zu tun und zu lassen hat. Anfang 2017 trat das reformierte BND-Gesetz mit den Vorschriften in Kraft. Doch Kritiker halten die Beschränkungen und Kontrollen für unzureichend und sehen viele Schlupflöcher. So schützt das Gesetz zwar alle Deutschen und bis zu einem gewissen Grad auch EU-Bürger vor Ausspähung. Für die Menschen in anderen Ländern gelten diese Vorgaben aber nicht. „Das BND-Gesetz führt im Grunde eine Art Drei-Klassen-Gesellschaft ein, so als gäbe es ein Grundgesetz light“, kritisiert etwa Ulf Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Karlsruher Klage angestoßen hat. Nach dem Start der Verhandlungen im Januar arbeiten die Richter nun ihr Urteil aus. Sehen sie Grundrechte verletzt, könnten sie der Politik aufgeben, strengere Regeln zu schaffen. Verkündet wird das Urteil erfahrungsgemäß einige Monate nach der Verhandlung.

Jetzt haben die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ sowie eine Reihe von ausländischen Journalisten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Sie befürchten, dass durch das BND-Gesetz brisante investigative Recherchen im Ausland gefährdet seien. Wie beurteilen Sie die Klage?

Jochum: Ich habe nur die Ausführungen in der Presse gehört, so dass ich dazu keine abschließende Beurteilung abgegeben kann. Das Argument, investigative Recherchen im Ausland seien gefährdet, halte ich allerdings für ausgesprochen schwach. Es ist gerade im Interesse der Verhinderung von Gefahren, dass der Nachrichtendienst an diese Informationen kommt. Dass die Presse ein Vorrecht auf brisante Informationen haben soll, erschließt sich mir inhaltlich schon nicht.


Die Kläger berufen sich auf Artikel 10 des Grundgesetzes und damit auf das Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit. Können sie das überhaupt? Und sind umgekehrt deutsche Geheimdienste überall und jedem gegenüber an Grundrechte gebunden?


Jochum: Das ist eine schwierige verfassungsrechtliche Frage. Denn natürlich ist Spionage in jedem Land der Erde verboten und so tut auch der BND im Ausland verbotene Dinge – damit verletzt er auch Grundrechte. Sollte das Bundesverfassungsgericht eine strikte Grundrechtsbindung des BND im Ausland annehmen, wäre das wohl das Ende jeder effektiven nachrichtendienstlichen Tätigkeit der Bundesrepublik – die Bundesrepublik wäre sozusagen international blind. Denn man kann natürlich nicht argumentieren, man könne ja die Erkenntnisse von ausländischen Geheimdiensten nutzen (die natürlich ohne Grundrechtsbindung agieren). Daran wird auch die ganze Widersinnigkeit dieser Klage deutlich. Denn letztlich geht es um die Sicherheit der Bürger. Wenn geheimdienstliche Tätigkeit nur noch unter strikter Grundrechtsbindung möglich sein soll, so bedeutet dies eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit. Man kann es überspitzt so ausdrücken: Die Journalisten, die hier klagen, schaffen sich durch höhere Terrorgefahr mehr Möglichkeiten, tränenreiche und vorwurfsvolle Berichte über Terroranschläge und ihre Opfer zu schreiben.


Wie stehen Sie persönlich zu einem globalen Grundrechtsverständnis?


Jochum: Die Grundrechte gelten – sofern sie Menschenrechte sind – universell. Allerdings beinhalten sie nicht nur ein Abwehrrecht gegen den Staat, wie es hier die klagenden Journalisten geltend machen, sondern auch eine Schutzpflicht des Staates, Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum des einzelnen zu schützen. In diesem Spannungsverhältnis steht dieses Verfahren.


Was erwarten Sie von dem Urteil?


Jochum: Eine umfassende Klärung der Frage, in wie weit deutsche Geheimdienste im Ausland an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden sind. Man darf gespannt sein, wie das Gericht entscheidet.

Titelbild: 

| Lianhao Qu / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Bild im Text: 

| Mehr Demokratie / Flickr.com (CC BY-SA 2.0) | Link


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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