Führungsforschung

Die dunkle Seite der Führung

Chefs geben ihr Fehlverhalten oft nicht zu oder sind sich dessen gar nicht bewusst.

Prof. Dr. Rick Vogel
 
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    Prof. Dr. Rick Vogel

    Prof. Dr. Rick Vogel ist seit dem Frühjahrssemester 2012 Inhaber des Lehrstuhls für Public Management & Public Policy an der Zeppelin Universität. Seine derzeit wichtigsten Arbeitsgebiete sind Public Sector Leadership, Mixed Governance und institutioneller Wandel im öffentlichen Sektor. Rick Vogel habilitierte sich 2011 an der Universität Hamburg und erhielt die Venia Legendi für Betriebswirtschaftslehre. Seine externe Promotion schloss er 2005 an der Bergischen Universität Wuppertal mit Auszeichnung nach dem dortigen Studium der Wirtschaftswissenschaft ab. Sieben Jahre war Vogel zudem als Organisationsberater tätig.

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    Zum Mitmachen: Die Online-Umfrage zur Führungsforschung

    Wer das Forschungsteam rund um ZU-Prof. Rick Vogel unterstützen möchte, kann bei einer ca. 12-minütigen Online-Umfrage teilnehmen und seinen ganz persönlichen Forschungsbeitrag leisten - und etwas zu gewinnen gibt es auch noch. An der Umfrage zu Führungskultur und Arbeitsbedingungen können Sie teilnehmen, wenn Sie in einem aktuellen Arbeitsverhältnis stehen oder Ihre letzte Arbeitserfahrung nicht länger als drei Monate zurückliegt. Ob Sie schon einmal schlechte Führung erlebt haben oder nicht, ist für Ihre Teilnahme hingegen unerheblich.
    Zur Beantwortung der Fragen werden Sie nicht länger als 12 Minuten benötigen. Die Umfrage erfolgt anonym; Rückschlüsse auf Ihre Identität sind nicht möglich. Nur wer den Fragebogen ernsthaft und vollständig ausfüllt, leistet mit seiner Teilnahme einen wertvollen Beitrag zum Forschungsprojekt.
    Sollten Sie Fragen haben, können Sie diese gerne per Mail an a.gericke@zeppelin-university.net richten. Als Dankeschön für die Teilnahme verlost das Team unter den ersten 150 Teilnehmer zehn kleine Preise aus dem ZU-Shop von T-Shirts, über Visitenkartenetuis bis zu Kaffeetassen.“

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Melanie K. arbeitet seit vier Jahren in der Personalabteilung eines hessischen Großunternehmens. Seit einigen Monaten leidet sie deutlich unter ihrem Vorgesetzten: Immer öfter wird gegen Melanie K. gestichelt, ihre guten Arbeitsergebnisse stellt der Chef kurzerhand als sein Werk dar und nun soll er auch noch die E-Mails seiner Mitarbeiterin gelesen haben.

Rund 15 Prozent der Arbeitnehmer leiden unter schlechter Führung – der wirtschaftliche Schaden geht in die Milliarden. Ein internationales Forscherteam aus Hamburg, Bournemouth und Friedrichshafen um ZU-Professor Rick Vogel untersucht nun diese dunklen Seiten der Führung. So wie gute Mitarbeiterführung zu Höchstleistungen animiert, so ist schlechte Führung der häufigste Grund für Krankheiten oder Fehlzeiten. „Führung beruht auf verschiedenen Formen der Macht, und wo Macht ist, kann sie auch missbraucht werden“, erklärt Rick Vogel im Gespräch. Denn sobald Macht im Spiel ist, kann Führung ihre Schattenseiten zeigen: Mitarbeiter werden persönlich beleidigt, ihre Privatsphäre verletzt oder ihre Erfolge als eigene ausgegeben – so wie bei Melanie K.

So könnte gute Führung aussehen: Gegenseitige Akzeptanz, die Arbeit im Team und die Integration von Meinungen stimmen Mitarbeiter glücklich.
So könnte gute Führung aussehen: Gegenseitige Akzeptanz, die Arbeit im Team und die Integration von Meinungen stimmen Mitarbeiter glücklich.

Die Folgen sind für Vogel deutlich – und am Ende eine Gefahr sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber: „Psychische Krankheiten nehmen stark zu, wenn Mitarbeiter unter dem Fehlverhalten ihrer Vorgesetzten leiden. Schlechte Führung kann aber auch aktiven Widerstand hervorrufen, der sich in kontraproduktivem Arbeitsverhalten entlädt: Diebstahl und Sabotage am Arbeitsplatz gehören dazu.“ Der wirtschaftliche Schaden schlechter Führung ist beträchtlich. Allein in den USA werden die jährlichen Kosten durch Krankheiten, Fehlzeiten und Kündigungen auf 23,8 Milliarden Dollar geschätzt.

Gerade deshalb sind die Schattenseiten der Führung ein sensibles Thema – und oft auch nur spärlich erforscht. Vogel geht daher in seiner Forschung vor allem auf die Mitarbeiter zu: „Chefs geben ihr Fehlverhalten oft nicht zu oder sind sich dessen gar nicht bewusst. Selbst- und Fremdbild von Führung unterscheiden sich häufig stark. Unser Fokus liegt deshalb auf der Perspektive der Mitarbeiter“, beschreibt Vogel. Und auch, wenn dieses Vorgehen die Antworten verzerren könnte, ist sich Vogel sicher, „dass das Bild erst vollständig ist, wenn auch die Empfänger von Führung zu Wort kommen.“ 


Denn die positiven Seiten der Führung zu erforschen, fällt vielen Kollegen deutlich leichter: „Im Vergleich zu den vielen Studien, die Führung in ein sehr positives Licht stellen und ein fast heldenhaftes Bild von erfolgreichen Führungskräften zeichnen, ist über die dunkle Seite der Führung noch immer zu wenig bekannt“, beschreibt Vogel die Motivation des Teams. Um mehr darüber zu erfahren, suchen die Wissenschaftler den Zugang nicht über einzelne Arbeitgeber, sondern betreiben eine Art Crowdsourcing: „Jeder kann sich an der Online-Umfrage beteiligen. Sie ist vollkommen anonym“, lädt Vogel zum Mitmachen ein.

Zum Mitmachen: Die Online-Umfrage zur Führungsforschung


Zuschauen und als eigene Arbeit ausgeben: 15 Prozent der Arbeitnehmer leiden unter schlechter Führung - beispielsweise wenn Vorgesetzte mit den Ergebnissen ihrer Mitarbeiter prahlen.
Zuschauen und als eigene Arbeit ausgeben: 15 Prozent der Arbeitnehmer leiden unter schlechter Führung - beispielsweise wenn Vorgesetzte mit den Ergebnissen ihrer Mitarbeiter prahlen.

Auch wenn man sich über den Schaden, den schlechte Führung verursacht, bewusst ist, hält sich Vogel bei einer Prognose zurück: „Uns interessiert, ob das Phänomen schlechter Führung in manchen Branchen oder Sektoren häufiger vorkommt als in anderen“, berichtet Vogel über seine Erwartungen. Der Schwerpunkt der Forschung liegt aber vor allem auf den Reaktionsweisen der Mitarbeiter. „Wir erwarten zum Beispiel, dass es neben Formen des aktiven Widerstands auch ein passives Erdulden schlechter Führung gibt, das dann zu einem lethargischen Ruhezustand im Kollegenkreis führt. Das ist aber nicht weniger schädlich für die Organisation“, formuliert Vogel dann doch eine erste Erwartung.

Denn am Ende steht fest: Schlechte Führung vernichtet Produktivität. „Es muss daher für alle Organisationen im ureigenen Interesse liegen, das Problem zu erkennen“, fordert Vogel. Denn nach vier Jahren und drei Monaten hat auch Melanie K. ihren Job gekündigt. Schuld ist ihr Chef – denn wie 15 Prozent der Arbeitnehmer litt auch sie unter den Folgen schlechter Führung. Darauf will Vogel in den nächsten Monaten mit seiner Forschung reagieren. Was er rausfindet, „das mag im ersten Moment unbequem sein, aber nur so kann man darauf zum Beispiel mit einer gezielten Führungskräfteentwicklung reagieren“, erklärt Vogel. Das Forschungsprojekt wird im Mai 2014 abgeschlossen werden.

Titelbild: Sam Howzit / flickr.com

Bilder im Text: Florian Gehm, Jason Utz / flickr.com

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