Musikwirtschaftsforschung

Wohin mit den Musikstudenten?

Ich habe mich an meinem eigenen Thema abgearbeitet.

Esther Bishop
Masterstudentin CCM
 
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    Zur Person
    Esther Bishop

    Esther Bishop wurde 1987 in Hamburg geboren und arbeitete nach ihrem Abitur für den Instrumentenbauer „Musik Josef“ in Japan. 2007 begann sie ihr künstlerisches Musikstudium im Fach Oboe an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar bei Prof. Matthias Bäcker, welches sie 2012 mit Diplom abschloss.

    Seit Oktober 2012 studiert sie an der Zeppelin Universität den Master in Communication and Cultural Management. Selbst Musikerin, beschäftigte sie sich in ihrem Forschungssemester mit der Frage, ob das künstlerische Musikstudium heute einem überkommenen Bild des Musikers nachhängt oder ob Studierende Fähigkeiten vermittelt bekommen, die es ihnen ermöglichen in einem veränderten Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein. Begleitet wurde die Studie von Professor Martin Tröndle am Würth Lehrstuhl für Kulturbetriebslehre & Kunstforschung. 

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    Dossier
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    Rechnungshof Baden-Württemberg
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Frau Bishop, Sie sind selbst Diplom-Oboistin und absolvieren nach Ihrem künstlerisch-musikalischen Studium ein nicht-konsekutives Masterstudium. Ist das ein üblicher Weg für Absolventen einer Musikhochschule?


Esther Bishop: Nein, das ist nicht der übliche Weg, aber ich bin während meines Studiums immer wieder auf Leute gestoßen, die einen ähnlichen Werdegang hinter sich haben wie ich. Das war auch der Grund für mich, loszuziehen und empirisch zu untermauern, wovon viele Praktiker ausgehen, aber nie mit Zahlen belegt belegen konnten: Das Problem ist, dass Absolventen eines künstlerisch-instrumentalen Studiums später in anderen Bereichen arbeiten, als sie während des Studiums anstrebten und die andere Fähigkeiten erfordern. Mit der Studie galt es in erster Linie eine gemeinsame Faktengrundlage zu schaffen, auf deren Basis man anschließend diskutieren kann, wie das Problem angegangen werden soll.

Rechnungshof Baden-Württemberg empfiehlt Kürzung der Studienplätze


Bishops Erhebung ist von aktueller Relevanz: Im Juli letzten Jahres mahnte der Baden-Württembergische Rechnungshof den Musikhochschulen des Landes einen Sparkurs an, so auch der Musikhochschule Stuttgart. Die anschließenden Diskussion basierten laut Bishop allerdings meist auf subjektiven Meinungen anstatt auf Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung.
Bishops Erhebung ist von aktueller Relevanz: Im Juli letzten Jahres mahnte der Baden-Württembergische Rechnungshof den Musikhochschulen des Landes einen Sparkurs an, so auch der Musikhochschule Stuttgart. Die anschließenden Diskussion basierten laut Bishop allerdings meist auf subjektiven Meinungen anstatt auf Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung.
In Ihrer Studie gehen Sie – mit Verweis auf besondere Traditionen hierzulande – gezielt auf die aktuelle Situation von Musikhochschul-Absolventen in Deutschland ein. Was macht Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern so anders?

Bishop: Erst mal haben wir in Deutschland 24 Musikhochschulen, was unglaublich viele sind. Gleiches gilt für die Möglichkeiten eines Musikers eine tariflich festgelegte Festanstellung in einem Orchester zu bekommen, die praktisch unkündbar ist. Wir haben 133 Orchester in Deutschland. Das sind mehr Orchester als in allen restlichen europäischen Ländern zusammen. Für 67% der Teilnehmer meiner Studie bedeutet das, dass sie ihr Studium mit dem Ziel beginnen, eine dieser Festanstellungen zu bekommen. Natürlich spielt es dabei auch eine Rolle, dass die Musiker schon seit ihren Kinderjahren an ihrer Karriere als Orchestermusiker arbeiten und dabei den Blick dafür verlieren, wie wahrscheinlich sie dieses Ziel erreichen werden und wie mögliche Alternativen zu dieser Karriere aussehen könnten.
Ihrer Studie nach finden nur 20% der Musikstudenten nach ihrem Studium eine Festanstellung in einem Orchester. Müssen sich alle anderen Musiker eine Beschäftigung in einem ganz anderen Feld suchen oder ist der freie Musikmarkt im Gegenzug gewachsen?

Bishop: Ja, es gibt mehr Angebote im freien Musikmarkt. Typisch für Musiker im freien Markt ist, dass sie am Wochenende „muggen“. Das heißt zum Beispiel sich an Kantoren zu „vermieten“ und Kirchenkonzerte zu spielen, was sich an einem traditionellen Bild von Musikern orientiert. Die coolen neuen Sachen, wie etwa Dunkelkonzerte, passieren aber oft gar nicht, weil die Musiker nicht auf dem Schirm haben, dass es abseits dieses traditionellen Musikverständnisses noch viele andere interessante Chancen gibt. Die Studenten laufen auf das Ziel “Orchestermusiker” zu und ziehen ihre vielfältigen Möglichkeiten Konzerte zu spielen, wie ihre eigenen Konzertformate zu entwickeln, auf Festivals zu spielen oder sich an eine Künstleragentur zu wenden, nicht in Erwägung. Das finde ich dramatisch. Teil eines künstlerischen Hochschulstudiums sollte deshalb Kontextwissen sein und die Fähigkeit zur Reflexion ihres Umfeldes. Damit meine ich zum Beispiel Wissen über Kulturpolitik und Publikumsentwicklung. So ein Wissen kann dann durchaus Anstoß für die selbständige kreative Entwicklung als Musiker sein.
67% der Studienanfänger an Musikhochschulen wollen später mit einer Festanstellung in einem staatlichen Orchester spielen. Dabei unterschätzen sie nicht nur die Wahrscheinlichkeit mit der sich dieser Wunsch erfüllen wird, sondern verlieren zudem Berufschancen abseits der traditionellen Möglichkeiten aus dem Blickfeld.
67% der Studienanfänger an Musikhochschulen wollen später mit einer Festanstellung in einem staatlichen Orchester spielen. Dabei unterschätzen sie nicht nur die Wahrscheinlichkeit mit der sich dieser Wunsch erfüllen wird, sondern verlieren zudem Berufschancen abseits der traditionellen Möglichkeiten aus dem Blickfeld.
Die Musikhochschulen bilden Orchestermusiker aus. Am Ende Ihrer Studie empfehlen Sie, das Curriculum des Musikstudiums zu überdenken. Ist es richtig darüber nachzudenken, den Inhalt des Studiums anzupassen, weil der Großteil der Absolventen nicht in diesem Beruf arbeiten wird?

Bishop: Die meisten Studenten beginnen ihr Studium mit dem Ziel, Orchestermusiker zu werden. Es wäre keine gute Idee von Anfang an Studenten den Zugang zu diesen Studiengängen zu verwehren, nur weil es am Ende nicht genug zu besetzende Stellen gibt. Meiner Meinung nach wäre es besser, die Studenten im Bachelor erst einmal loslegen zu lassen und dann im Master auszudifferenzieren. Der Teil der Studenten, der wirklich in Richtung Orchestermusik geht, sollte dann inhaltlich spezifisch auf den Beruf Orchestermusik vorbereitet werden, denn auch das ist bis heute nicht der Fall. Den Studenten sollte im Master aber auch die Möglichkeit gegeben werden, in ihrem Studium andere Wege einzuschlagen. In manchen Musikhochschulen werden jetzt schon Studiengänge mit dem Berufsziel „freischaffender Musiker“ angeboten. Diese werden jedoch von den Studenten noch nicht wirklich angenommen. Das heißt, man kann die Studiengänge nicht einfach nur umstellen, sondern muss auch Überzeugungsarbeit leisten und den Studenten vermitteln, welche Inhalte für ihren späteren Beruf von Bedeutung sein werden. Unsere Studie hat gezeigt, dass die praktischen und theoretischen Fächer für deutlich wichtiger gehalten werden als sogenannte Kontextfächer wie Pädagogik oder Kulturpolitik, die den Studenten ein breiteres Feld für Anstellung oder Selbstständigkeit, wie der Lehrtätigkeit, eröffnen würden.

Können Sie nach Ihrer Studie noch jemandem raten Musik zu studieren oder gibt es andere Wege, die einen besser auf den zukünftigen Beruf vorbereiten?


Bishop: Ich habe selbst Musik studiert und würde es wieder tun, denn ich habe viele Dinge in diesem Studium gelernt, die ich woanders nicht gelernt hätte. Wäre ich diesen Weg nicht gegangen, würde ich die wissenschaftlichen Fragen, die der Studie zugrunde liegen, heute nicht so stellen können. Die Dinge laufen auf dem Gebiet der Hochschulbildung für Musiker alles andere als rund und deshalb müssen diese Fragen gestellt werden. Es war von Vorteil, sich in diesem Feld gut auszukennen. Mir wurde am Anfang meines Studiums von einem Professor geraten, mich an meinen Themen abzuarbeiten. Ich bin froh, dass ich das im Rahmen meines Forschungssemesters tun konnte.

Titelbild: Penn State / Flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)

Fotos im Text: mannheimphil / Flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)

helloIamAldo / Flickr.com (CC BY-NC-SA 2.0)


Redaktionelle Umsetzung: Andreas Friedrich

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