Digitale Agenda Bodensee

Eine Fahrt ins Ungewisse

Die meisten KMU haben den Wunsch geäußert, verstärkt dabei unterstützt zu werden, sich mit verschiedenen Akteuren vernetzen zu können und so von diesen Akteuren zu lernen beziehungsweise mit ihnen zu kooperieren. Auch allgemein verbindliche Rahmenbedingungen ziehen die Bodensee-KMU noch einer finanziellen Unterstützung vor. Mehr Geld wünscht sich nicht einmal jedes vierte Unternehmen.

Christopher Köhler
Akademischer Mitarbeiter am Zentrum für Politische Kommunikation
 
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    Zur Person
    Christopher Köhler

    Christopher Köhler M.A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter, Doktorand und Researcher am Zentrum für Politische Kommunikation sowie am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft - Schwerpunkt Digitale Kommunikation an der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Er betreut das interdisziplinäre und länderübergreifende Forschungs- und Transferprojekt „Digitale Agenda Bodensee“ innerhalb des Forschungslabs „KMUdigital“. Köhler studierte im Master Politik- und Verwaltungswissenschaft mit Schwerpunkt quantitative Methoden und Berechnungsverfahren an der Universität Konstanz. Vor seiner Anstellung an der ZU arbeitete er als Data Scientist im Bereich Process Mining. Köhler forscht zu den Themen Governance, Digitalisierung innerhalb KMU, Förderstrukturen der Digitalisierung, dem Einfluss externer Güter auf die Prozessoptimierung innerhalb der Wertschöpfungskette von Unternehmen (speziell KMU) sowie im Bereich der quantitativen Methoden und Berechnungsverfahren.  

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Was ist Aufgabe und Ziel des IBH-Labs „KMUdigital“?

Christopher Köhler: Das IBH-Lab „KMUdigital“ ist ein Forschungs- und Transferprojekt in der Bodenseeregion, das kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Bewältigung, Umsetzung und Implementierung der rasant fortschreitenden industriellen Digitalisierung unterstützt. Dabei erarbeiten sieben Konsortialpartner aus drei Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz) anwendungsorientierte Antworten auf die Fragen zur Entwicklung von KMU in einer digitalisierten Wirtschaft.


Ein Teil dieses IBH-Labs ist das Projekt „Digitale Agenda Bodensee“: Was ist überhaupt eine digitale Agenda und worum geht es bei dem Projekt?


Köhler: Eine Digitale Agenda ist ein Programm von überstaatlichen Organisationen, Staaten, Landesteilen, Städten und/oder Kommunen zur Informations- und Kommunikationstechnik. Innerhalb dieser Digitalen Agenden werden Rahmenbedingungen, Maßnahmen und Ziele in Bezug auf verschiedene Bereiche der Digitalisierung, wie Infrastruktur und Bildung, festgelegt.
In Rahmen des Projekts „Digitale Agenda Bodensee“ wird in einer ersten Phase untersucht, welche politischen, rechtlichen und organisationalen Rahmenbedingungen innerhalb der IBH-Länder als auch grenzüberschreitend in der gesamten Bodenseeregion aktiv gestaltet werden können, um die Digitalisierung zu unterstützen – die Ergebnisse werden in einem Grünbuch festgehalten. In einer zweiten Phase wird auf Basis des Grünbuchs mit Stakeholdern (KMU, Interessensverbänden, Politik, Verwaltung und Wissenschaft) ein Weißbuch mit Handlungsoptionen und Lösungswegen erstellt.

Besonders die kleinen und mittleren Unternehmen gelten in der Bodenseeregion als besonders leistungsstark – konkurrieren aber trotzdem auch international um Investoren, Kooperationen oder Gäste. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, gibt es das Projekt „Internationaler Wirtschaftsraum Bodensee (IWB)“. Ziel des Projekts ist es, durch eine seeumgreifende Zusammenarbeit der Bodenseeanrainer den gesamten Wirtschaftsraum Bodensee international noch besser zu positionieren und die Vermarktung des Standorts weiter zu intensivieren. Gefördert wird diese grenzüberschreitende Kooperation aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung. Die erste Maßnahme der Marketing- und Kommunikationsoffensive IWB war die Entwicklung einer gemeinsamen Dachmarke Vierländerregion Bodensee. Das Besondere an der neuen Dachmarke ist, dass sich erstmals der Wirtschaftsstandort, die Tourismusregion und weitere Fachbereiche am Bodensee wie zum Beispiel Wissenschaft, Kultur und Politik unter einem Dach vereinen. Denn um im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein, muss sich die Region als starke Einheit mit einem gemeinsamen Erscheinungsbild präsentieren. Es geht darum, der Region ein aussagefähiges, starkes Gesicht nach innen und außen zu geben.
Besonders die kleinen und mittleren Unternehmen gelten in der Bodenseeregion als besonders leistungsstark – konkurrieren aber trotzdem auch international um Investoren, Kooperationen oder Gäste. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, gibt es das Projekt „Internationaler Wirtschaftsraum Bodensee (IWB)“. Ziel des Projekts ist es, durch eine seeumgreifende Zusammenarbeit der Bodenseeanrainer den gesamten Wirtschaftsraum Bodensee international noch besser zu positionieren und die Vermarktung des Standorts weiter zu intensivieren. Gefördert wird diese grenzüberschreitende Kooperation aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung. Die erste Maßnahme der Marketing- und Kommunikationsoffensive IWB war die Entwicklung einer gemeinsamen Dachmarke Vierländerregion Bodensee. Das Besondere an der neuen Dachmarke ist, dass sich erstmals der Wirtschaftsstandort, die Tourismusregion und weitere Fachbereiche am Bodensee wie zum Beispiel Wissenschaft, Kultur und Politik unter einem Dach vereinen. Denn um im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein, muss sich die Region als starke Einheit mit einem gemeinsamen Erscheinungsbild präsentieren. Es geht darum, der Region ein aussagefähiges, starkes Gesicht nach innen und außen zu geben.

Warum sind es gerade die KMU, die im Fokus des Forschungsnetzwerks stehen?


Köhler: Neben Global Playern wie ZF, Doppelmayr/Garaventa, Hilti und Chemtura prägen vor allem erfolgreiche KMU die Unternehmenslandschaft am Bodensee. Eben diese KMU weisen mannigfaltige Nachteile im Bereich der Digitalisierung im Vergleich zu großen Unternehmen auf – das Fehlen finanzieller Mittel sowie Fachkräftemangel, um nur einige zu nennen. Diese Nachteile wiederum erschweren es den KMU – die mit mehr als 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein der eigentliche Wirtschaftsmotor sind – die Chancen der Digitalisierung zu ergreifen und die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. Das IBH-Lab „KMUdigital“ und das Teilprojekt „Digitale Agenda Bodensee“ wollen versuchen, diese Nachteile zu identifizieren und den KMU mit geeigneten Maßnahmen in den Bereichen Politik, Recht und Personal unter die Arme zu greifen.


Wie weit weg ist die Digitalisierung in der Vierländerregion Bodensee?

Köhler: Die Digitalisierung ist bereits angekommen und damit direkt vor der Haustür jedes Unternehmens. Kunden und Unternehmen stellen immer mehr Anforderungen an die Digitalisierung der KMU in der Vierländerregion, und die KMU haben größtenteils auch realisiert, dass sie sich der fortschreitenden Digitalisierung nicht entziehen können. Unklar ist häufig, wie nun diese Digitalisierung Einfluss auf das Unternehmen nimmt beziehungsweise welche bisher analog ablaufenden Schritte digitalisiert werden müssen. Häufig fehlt den KMU ein wenig der unternehmensinterne Fahrplan: Was soll wann und wie digitalisiert werden und wer soll das überhaupt machen? Dies sind die am häufigsten gestellten Fragen.

Wie digital ist die Bodenseeregion? Die Digitale Statusampel zeigt: Noch knapp die Hälfte aller Unternehmen kommt nur schleppend voran; ein Fünftel ist weit digitalisiert.
Wie digital ist die Bodenseeregion? Die Digitale Statusampel zeigt: Noch knapp die Hälfte aller Unternehmen kommt nur schleppend voran; ein Fünftel ist weit digitalisiert.

Wie weit sind die KMU im Bereich der Digitalisierung innerhalb ihres Unternehmens?

Köhler: Die Erhebung, die wir als Zentrum für Politische Kommunikation mit unseren Konsortialpartnern an der HTWG Konstanz und der FHS St. Gallen durchgeführt haben, hat gezeigt, dass die KMU a) den Begriff der Digitalisierung sehr unterschiedlich verstehen und b) dass viele KMU noch erheblichen Nachholbedarf im Bereich der Digitalisierung haben. Die Digitale Statusampel (siehe Abbildung) verdeutlicht, dass sich knapp die Hälfte aller Unternehmen immer noch im roten Bereich einordnen und somit eher auf „Stopp“ stehen, anstatt zumindest den zweiten Gang eingelegt zu haben. Nur um das klar zu machen: Die Anforderungen, um den roten Bereich zu verlassen, sind neben der Verwendung von Computern, des Internets, einer Website und einer digitalen Verwaltung der Unternehmensdaten unter anderem die Verwendung von WLAN und eine zumindest teilweise stattfindende digitale Unternehmenskommunikation etwa via E-Mail.


Welche Rolle spielen dabei politische Rahmenbedingungen?

Köhler: Eine große Rolle: Die KMU selbst bewerten die Relevanz der Themen der verschiedenen politischen Rahmenbedingungen als hoch. Besonders die Bereiche Infrastruktur und der Ordnungs- und Rechtsrahmen wurden von den KMU als besonders relevant eingestuft.

Infrastruktur, Bildung, aber auch der Ordnungsrahmen, sind die Themen, die kleine und mittlere Unternehmen bei der Digitalisierung am Bodensee beschäftigen.
Infrastruktur, Bildung, aber auch der Ordnungsrahmen, sind die Themen, die kleine und mittlere Unternehmen bei der Digitalisierung am Bodensee beschäftigen.

Was macht die Politik im Bereich der Digitalisierung für die KMU?

Köhler: Hierarchische Rahmenbedingungen werden von der Politik, genauer gesagt von der Bundes- beziehungsweise Landesregierung, festgesetzt und können gar nicht oder nur schwer verändert werden. Beispielsweise soll in allen vier Ländern der Bodenseeregion der Glasfasernetzausbau zur Bereitstellung von Highspeed-Internet vorangetrieben werden. Im Bereich der marktgetriebenen Rahmenbedingungen unterstützt die Politik zum Beispiel über Fördergelder und -projekte die Digitalisierung. Zusätzlich unterstützt die Politik im Bereich von Netzwerken und Kooperationen: So fördert beispielsweise die Stadt und der Landkreis Konstanz das Kompetenznetzwerk für Digitalwirtschaft und IT „cyberLAGO“, das aus Unternehmen, Hochschulen und (öffentlichen) Institutionen besteht. „cyberLAGO“ möchte hier nicht nur den Austausch von Wissenschaft und Wirtschaft oder der Mitgliedsunternehmen untereinander stärken, sondern positioniert sich auch als Anlaufstelle für andere Branchen in allen Fragen rund um Digitalisierung, IT und IT-Sicherheit.


Interessant ist nun an dieser Stelle, was in diesen Digitalen Agenden der Länder überhaupt festgehalten ist. In welche Richtung soll es denn aus Sicht der Politik im Bereich der Digitalisierung in den nächsten Jahren gehen? Wo wird investiert und wo sieht die Politik Handlungsbedarf? Man kann in Abbildung 3 direkt erkennen, dass die am häufigsten genannten Themen (digitale) Infrastruktur, Verwaltung, Bildung, Wirtschaft sowie Ordnungs- und Rechtsrahmen sind. Es sind genau diese fünf Themen, die übergreifend in allen Digitalen Agenden von Deutschland, Österreich und der Schweiz zu finden sind. Liechtenstein als vergleichsweise kleineres Land legt seinen Fokus insbesondere auf die (digitale) Infrastruktur, Verwaltung und Bildung. Außerdem ist die Tatsache interessant, dass lediglich die Digitale Agenda Deutschlands ein eigenes Oberthema für die Förderung von KMU besitzt – und das obwohl in allen vier Ländern mehr als 99 Prozent aller Unternehmen KMU sind.

Braucht es den richtigen Rahmen, Geld oder gute Vorbilder, um die Digitalisierung voranzutreiben? Viele Unternehmen wünschen sich vor allem ein intaktes Netzwerk.
Braucht es den richtigen Rahmen, Geld oder gute Vorbilder, um die Digitalisierung voranzutreiben? Viele Unternehmen wünschen sich vor allem ein intaktes Netzwerk.

Was wünschen sich umgekehrt die KMU der Bodenseeregion von der Politik im Bereich der Digitalisierung?


Köhler: Im Rahmen der Umfragen haben wir uns bei den KMU erkundigt, ob sie sich von den politischen Akteuren eher mehr allgemein verbindliche Rahmenbedingungen (etwa Gesetze und/oder Vorschriften), Fördermittel (Geld) oder verstärkt Netzwerk- und Kooperationsmöglichkeiten wünschen. Die Abbildung verdeutlicht hier eindeutig: Die meisten KMU haben in diesem Zusammenhang den Wunsch geäußert, verstärkt dabei unterstützt zu werden, sich mit verschiedenen Akteuren (zum Beispiel anderen Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Wirtschaftsförderern, IHKs) vernetzen zu können und so von diesen Akteuren zu lernen beziehungsweise mit ihnen zu kooperieren. Auch allgemein verbindliche Rahmenbedingungen ziehen die Bodensee-KMU noch einer finanziellen Unterstützung vor. Mehr Geld wünscht sich nicht einmal jedes vierte Unternehmen.

Titelbild: 

| Nordseher / Pixabay.com (CC0 Public Domain) | Link


Bild im Text: 

| Wolfgang_Vogt / Pixabay.com (CC0 Public Domain) | Link


Grafiken im Text: 

| Christopher Köhler / Zeppelin Universität (alle Rechte vorbehalten)


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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Leserbrief
Digitale Agenda Bodensee
Siegfried Breyer | 03.11.2018

Ich war am 18. Oktober schon bei der Grünbuchpräsentation dabei und habe jetzt diesen Beitrag gelesen, und auch hier glaube ich, einen Widerspruch in den Aussagen zu erkennen.

Handlungsbedarf wird gesehen in den Bereichen Infrastruktur und Rechtsrahmen, also Themen, die von den KMU weder zu verantworten noch zu ändern sind. Gleichzeitig wird aber auf der Wunschliste eine Vernetzung mit anderen KMU priorisiert, um von deren Erfahrungen zu profitieren.

Meine Conclusio ist: Das echte Problem besteht darin, dass sich alle KMU sicher sind, digitalisieren zu müssen, allein, sie wissen nicht genau, was sinnvoll wäre und was getan werden müsste. Und genau hier muss die Agenda greifen: Wie kann ich die KMU so unterstützen, dass sie die für ihr Geschäftsmodell relevanten Digitalisierungsthemen identifizieren können? Die Umsetzung sollte heute bei den meisten KMU kein Problem sein. Mag sein, dass nicht jedes KMU einen Breitbandzugang hat, aber für den Zugang zu einer Cloud, die sicher einen Breitbandzugang hat, sollte es auch mit 10 MB funktionieren.

ERGO: Wenn ich weiß, was ich will (benötige), dann kann ich die anderen Probleme lösen. Und genau da sollte die Digitale Agenda Bodensee ansetzen.


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