Zukunft der Mobilität

Motor mit Maulkorb?

Angesichts der derzeit zu beobachtenden Realitäten – begrenzte Reichweite von Elektrofahrzeugen, hohe Batteriekosten, mangelnde Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur –, der langen Lebensdauer der aktuell im Markt befindlichen Pkw sowie der anzunehmenden Technologie- und Produktionszyklen scheint es aber reichlich blauäugig und vermessen, per Dekret die Abschaffung des konventionellen Pkw-Antriebes für das Jahr 2030 zu verordnen.

Prof. Dr. Alexander Eisenkopf
ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- & Verkehrspolitik
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Alexander Eisenkopf

    Alexander Eisenkopf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion über Just in Time-orientierte Fertigungs- und Logistikstrategien arbeitete und lehrte Eisenkopf in Gießen und Frankfurt.
    Seit 2003 ist Eisenkopf Professor an der Zeppelin Universität und Gastdozent an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Mobilität und Transportunternehmen. 

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Die Grünen sind in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017 mit der Forderung vorgeprescht, dass ab 2030 nur noch abgasfreie Autos neu zugelassen werden sollen: „Das Zeitalter der fossilen Verbrennungsmotoren ist dann zu Ende.“ Eine ähnlich drastische wirtschafts- und verkehrspolitische Weichenstellung enthielt bereits im vergangenen Jahr der Entwurf für den Klimaschutzplan 2050 des Bundesumweltministeriums. In dem später vom Kabinett verabschiedeten Dokument wurden die Formulierungen dann entschärft, und es wird nur noch eine signifikante Absenkung der Emissionen von Pkw angestrebt, wobei die Elektromobilität einen wichtigen Stellenwert einnehmen soll. Hintergrund dieser Diskussion ist, dass die Bundesregierung im Einklang mit früheren Zielen und den Ergebnissen der Klimaschutzkonferenz von Paris bis 2050 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen in Deutschland um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 erreichen will. Hinzu kommt die aktuelle Diskussion um Stickoxid- und Feinstaubemissionen insbesondere von Diesel-Pkw.

Wie alltagstauglich sind Elektroautos? Diese Frage stellt sich vor allem bei der Fahrt zur Stromzapfsäule. Denn erst für viele Scheine gibt es auch viel Strecke. Schlappe 24.000 Euro werden für den Renault Zoe fällig – dafür schafft es der französische Kleinwagen immerhin rund 400 Kilometer. Erst wer richtig in die Tasche greift und einen Tesla der Serie S sein Eigen nennt, der kommt mit einer Stromspritze bis zu 600 Kilometer weit. Doch der Luxushersteller bittet seine Kunden kräftig zur Kasse: Mindestens 70.000 Euro werden für das Einstiegsmodell fällig. Immerhin: Bis Ende diesen Jahres soll das Netz der Zapfsäulen entlang der deutschen Autobahnen fertig ausgebaut sein: Elektrotankstellen sollen dann durchschnittlich alle 30 Kilometer an den Autobahnen stehen.
Wie alltagstauglich sind Elektroautos? Diese Frage stellt sich vor allem bei der Fahrt zur Stromzapfsäule. Denn erst für viele Scheine gibt es auch viel Strecke. Schlappe 24.000 Euro werden für den Renault Zoe fällig – dafür schafft es der französische Kleinwagen immerhin rund 400 Kilometer. Erst wer richtig in die Tasche greift und einen Tesla der Serie S sein Eigen nennt, der kommt mit einer Stromspritze bis zu 600 Kilometer weit. Doch der Luxushersteller bittet seine Kunden kräftig zur Kasse: Mindestens 70.000 Euro werden für das Einstiegsmodell fällig. Immerhin: Bis Ende diesen Jahres soll das Netz der Zapfsäulen entlang der deutschen Autobahnen fertig ausgebaut sein: Elektrotankstellen sollen dann durchschnittlich alle 30 Kilometer an den Autobahnen stehen.

Der Klimaschutzplan 2050 wird politisch als Strategie zur Modernisierung der Volkswirtschaft verstanden, die einen Paradigmenwechsel einläuten soll. Auch die Grünen konkretisieren in einer „Clean Car Roadmap“ ihre Ideen für eine „Offensive für die Autoindustrie der Zukunft“. Mit solchen Konzepten wird die Idee der aus Klimaschutzgründen erforderlichen „großen Transformation“ von Wirtschaft und Gesellschaft, die ja bereits seit längerer Zeit gedacht und verfolgt wird und mittlerweile auch bei den derzeitigen Regierungsparteien salonfähig ist, weiter konkretisiert und auf den Automobilsektor heruntergebrochen.

Angesichts dieses Diskussionsstandes verwundert es nicht, dass die Managementetagen der deutschen Automobilindustrie verunsichert sind und die Aktienkurse der börsennotierten Hersteller vor sich hindümpeln, während Tesla von Kursrekord zu Kursrekord eilt und zeitweilig sogar die Marktkapitalisierung von BMW überholte. Verunsicherung und hektische Betriebsamkeit sind berechtigt. Wenn die Politik Ernst machen und derartige Planungen tatsächlich im genannten zeitlichen Rahmen umsetzen würde, um die extrem ambitionierten Emissionsminderungsziele zu erreichen, wären angesichts der üblichen Entwicklungs- und Produktionszyklen schon Anfang des nächsten Jahrzehnts Neuentwicklungen im Bereich fossiler Mobilität obsolet, und es käme in einem Kaskadeneffekt zu einem dramatischen Wertverfall der im Bereich konventioneller Antriebe gebundenen Unternehmenswerte.

In einer Marktwirtschaft treten immer wieder solche disruptiven Entwicklungen auf. Der berühmte Ökonom Josef Alois Schumpeter spricht vom Prozess der schöpferischen Zerstörung, der aber von ihm insbesondere mit dem dynamischen Unternehmertum verknüpft wird. Zweifelsohne sind die Gründer von Google, Facebook, Uber oder Apple – aber auch viele andere erfolgreiche Start-ups – Entrepreneure solcher Art. Sie verändern dramatisch die Wirtschaft und die Art und Weise, wie wir wirtschaften. Wie der Pkw die Pferdekutsche verdrängte, Nokia vom Trend zu Smartphones überrollt wurde und wegen der digitalen Verfügbarkeit von Informationen die Auflagen der Printmedien schrumpfen, wird auch die automobile Welt des Jahres 2030 anders aussehen als heute. Es entsteht ein neues Marktgleichgewicht, bei dem Elektromobilität aller Voraussicht nach eine deutlich wichtigere Rolle als heute spielen wird.

Statt ladenhütender Elektroautos rührt Eisenkopf die Werbetrommel für ein bestehendes politisches Instrument gegen den Klimawandel: das EU-Emissionshandelssystem. Es gilt als das zentrale Klimaschutzinstrument der EU, denn so sollen die Treibhausgasemissionen der teilnehmenden Energiewirtschaft und energieintensiven Industrie reduziert werden. Im System werden die Emissionen von europaweit rund 12.000 Anlagen der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie erfasst. Das macht fast die Hälfte aller Kohlendioxidemissionen in Europa aus. Die Idee des Systems folgt dem Prinzip von „Cap“ und „Trade“. Eine Obergrenze (Cap) legt fest, wie viel Treibhausgasemissionen pro Handelsperiode ausgestoßen werden dürfen. Eine entsprechende Menge an Emissionsberechtigungen wird dann entweder kostenlos zugeteilt oder muss ersteigert werden. Die Emissionsberechtigungen können auf dem Markt frei gehandelt werden (Trade). Bis 2020 soll der Kohlendioxidausstoß so immerhin um 21 Prozent gesenkt werden.
Statt ladenhütender Elektroautos rührt Eisenkopf die Werbetrommel für ein bestehendes politisches Instrument gegen den Klimawandel: das EU-Emissionshandelssystem. Es gilt als das zentrale Klimaschutzinstrument der EU, denn so sollen die Treibhausgasemissionen der teilnehmenden Energiewirtschaft und energieintensiven Industrie reduziert werden. Im System werden die Emissionen von europaweit rund 12.000 Anlagen der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie erfasst. Das macht fast die Hälfte aller Kohlendioxidemissionen in Europa aus. Die Idee des Systems folgt dem Prinzip von „Cap“ und „Trade“. Eine Obergrenze (Cap) legt fest, wie viel Treibhausgasemissionen pro Handelsperiode ausgestoßen werden dürfen. Eine entsprechende Menge an Emissionsberechtigungen wird dann entweder kostenlos zugeteilt oder muss ersteigert werden. Die Emissionsberechtigungen können auf dem Markt frei gehandelt werden (Trade). Bis 2020 soll der Kohlendioxidausstoß so immerhin um 21 Prozent gesenkt werden.

Angesichts der derzeit zu beobachtenden Realitäten – begrenzte Reichweite von Elektrofahrzeugen, hohe Batteriekosten, mangelnde Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur –, der langen Lebensdauer der aktuell im Markt befindlichen Pkw sowie der anzunehmenden Technologie- und Produktionszyklen scheint es aber reichlich blauäugig und vermessen, per Dekret die Abschaffung des konventionellen Pkw-Antriebes für das Jahr 2030 zu verordnen. Blauäugig, weil zurzeit völlig unklar ist, wie ein solches Ziel unter Berücksichtigung der damit verknüpften wirtschaftlichen und technologischen Herausforderungen erreicht werden kann und welche gesellschaftlichen Kosten und Wohlfahrtsverluste damit einhergehen, zumal die Ökobilanz der Elektromobilität durchaus zwiespältig ausfällt. Vermessen, weil die Politik durch ein solches Verbot mit einer kaum zu überbietenden Arroganz der Macht in die Wirtschaft eingreift und Eigentums- und Freiheitsrechte aushebelt. Es braucht nur einen Restbestand an liberal-ordnungspolitischer Perspektive, um eine solche Wirtschaftspolitik als das zu entlarven, was sie ist: Kommando- und Planwirtschaft.

Mit rationaler Klimapolitik hat das alles genauso wenig zu tun. Angesichts der Tatsache, dass Elektroautos trotz attraktiver Subventionen in Deutschland nach wie vor ein Ladenhüter sind und selbst in Norwegen der Erfolg der Elektromobilität primär massiven Subventionen zu verdanken ist, sollte sich die Klimapolitik darauf besinnen, dass es durchaus ein einfacheres und kostengünstigeres Instrument gibt, den Verkehrssektor einzubinden: das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS). Würde das EU ETS gestärkt und auf den Verkehrssektor sowie den Wärmemarkt und die Landwirtschaft ausgedehnt, müsste die Politik nicht mehr Emissionsgrenzwerte für Fahrzeuge oder das Verfallsdatum von Antriebstechnologien festlegen. Mit diesen Fragen würden sich die Marktakteure aufgrund der Preissignale des EU ETS auseinandersetzen. Leider haben die Politiker das bisher nicht verstanden oder wollen es nicht verstehen. Politischer Aktionismus scheint wohl mehr Wählerstimmen zu bringen als das Vertrauen in den anonymen Marktmechanismus des EU ETS.

Titelbild: 

| Mike / Pexels.com (CC0 Public Domain) | Link


Bilder im Text: 

| ssarwas0 / Pixabay.com (CC0 Public Domain) | Link

| nikolabelopitov / Pixabay.com (CC0 Public Domain) | Link


Redaktionelle Umsetzung: CvD

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