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Soziale Medien

Noch vernetzt oder schon verbunden?

von Sara Alida Volkmer | Zeppelin Universität
06.07.2021
Eine häufige Netzwerknutzung in Ländern mit hohem BIP muss nicht unbedingt eine Sucht darstellen, aber sie trägt vermutlich nicht zu einer Erfüllung des Verbundenheitsbedürfnisses bei – und so kann es sein, dass die negativen Effekte von sozialen Medien dominanter werden.

Sara Alida Volkmer
Akademische Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Marketing
 
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    Zur Person
    Sara Alida Volkmer

    Sara Alida Volkmer ist Doktorandin am Lehrstuhl für Marketing an der Zeppelin Universität. Sie studierte Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München (B.Sc.) und hat einen Forschungsmaster in Psychologie mit Fokus auf Sozial- und Gesundheitspsychologie an der Universität Leiden abgeschlossen. Darauffolgend war sie ein Jahr am University College Cork am Lehrstuhl für Accounting and Finance tätig. Hierbei konzentrierte sie sich im Rahmen eines H2020 Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen-Projektes auf die soziale Akzeptanz von erneuerbaren Energien. Ihre Dissertation beschäftigt sich mit der Glaubwürdigkeit von Influencern und Influencerinnen.

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So verbreitet soziale Medien sind, so umstritten sind sie: Neben Kritik wegen Datenschutzverletzungen und radikalisierenden Algorithmen gibt es Bedenken wegen negativen Effekten, die soziale Online-Plattformen auf die menschliche Psyche haben sollen. Beispielsweise legen mehrere wissenschaftliche Studien die Vermutung nahe, dass die Nutzung von sozialen Medien mit einer geringeren Lebenszufriedenheit assoziiert ist, etwa weil Menschen ständigen negativen sozialen Vergleichen ausgesetzt sind und Fear Of Missing Out (FOMO; zu Deutsch: Die Angst, etwas zu verpassen) erleben.


Aber sollte sich jede Person auf Instagram, TikTok und Co. Sorgen um ihre mentale Gesundheit machen? Die pauschale Aussage, dass jegliche Nutzung von sozialen Medien zu einem schlechten Wohlbefinden führt, ist etwas zu kurz gedacht, denn sie kann vielseitige Ziele verfolgen wie Informationsbeschaffung, Zeitvertreib oder Aufrechterhaltung von Kontakt zu Freunden und Familie. Eine Person kann soziale Medien achtsam nutzen, um Beziehungen zu stärken, ohne dabei andere Aspekte des Lebens aus dem Blick zu verlieren. Im Vergleich dazu mag eine Person mit suchtartigen Tendenzen, die sich durch ihr häufiges aufs Handy blicken (Phubbing) von Mitmenschen isoliert, durchaus langfristige negative Konsequenzen erleben. Aus diesem Grund ist es nicht sonderlich überraschend, dass manche Studien über negative Effekte von sozialen Medien auf die Lebenszufriedenheit ihrer Nutzer, andere aber über positive Effekte berichten.


Daraus ergibt sich folgende Frage: Können Modelle vorhersagen, welche Personen eher von positiven oder negativen Effekten sozialer Medien betroffen ist? In dem kürzlich im Journal „Computers in Human Behavior Reports“ erschienenen Artikel „Are the negative effects of social networking a privilege of the rich? Social network usage and life satisfaction across European countries” haben mein Wissenschaftskollege Daragh O’Leary von der Cork University Business School und ich Daten aus 27 europäischen Ländern betrachtet, die ein interessantes Muster ergeben: Das Verhältnis zwischen sozialer Netzwerknutzung und Lebenszufriedenheit unterscheidet sich von Land zu Land. Zum Beispiel scheint das tägliche Online-Netzwerken besonders negative Effekte für Bewohnerinnen und Bewohner von Irland, Schweden und Finnland zu haben. Im Kontrast dazu erleben Einheimische Portugals, Rumäniens und Bulgariens bei täglicher Nutzung einen Boost für ihre Lebenszufriedenheit.

Ein bisschen unglücklich machen soziale Netzwerke auf jeden Fall – zumindest dann, wenn sie Angebote aus der analogen Welt ersetzen wollen. Denn nach dem Ende der Corona-Pandemie will die Mehrheit der Deutschen lieber wieder auf Videokonferenzen und -chats verzichten. Das ist das Ergebnis einer YouGov-Umfrage im Auftrag von Web.de und GMX. Weniger als ein Drittel der Befragten will demnach weiter regelmäßig Videotelefonie-Dienste nutzen. Geht es ausschließlich um Beratung, egal ob für Versicherungen oder rund um die Ernährung, so wollen sogar mehr als 90 Prozent der Befragten Videoangebote in Zukunft lieber links liegen lassen. Auch Fort- und Weiterbildungen will die überwältigende Mehrheit lieber wieder in der analogen Welt besuchen. Insgesamt zeigt sich in der Umfrage, dass Videochats und Co. für Menschen in Deutschland weiter einen eher geringen Stellenwert bei der Kommunikation einnehmen. Auf die Frage, welche Dienste in der Pandemie besonders beim Kontakthalten geholfen haben, liegen Messengerdienste und das Telefon mit je etwa zwei Drittel an Zustimmung auf den vorderen Plätzen. Videotelefonie und soziale Netzwerke haben dagegen den Angaben zufolge nur jedem Dritten bei der Kontaktpflege geholfen.
Ein bisschen unglücklich machen soziale Netzwerke auf jeden Fall – zumindest dann, wenn sie Angebote aus der analogen Welt ersetzen wollen. Denn nach dem Ende der Corona-Pandemie will die Mehrheit der Deutschen lieber wieder auf Videokonferenzen und -chats verzichten. Das ist das Ergebnis einer YouGov-Umfrage im Auftrag von Web.de und GMX. Weniger als ein Drittel der Befragten will demnach weiter regelmäßig Videotelefonie-Dienste nutzen. Geht es ausschließlich um Beratung, egal ob für Versicherungen oder rund um die Ernährung, so wollen sogar mehr als 90 Prozent der Befragten Videoangebote in Zukunft lieber links liegen lassen. Auch Fort- und Weiterbildungen will die überwältigende Mehrheit lieber wieder in der analogen Welt besuchen. Insgesamt zeigt sich in der Umfrage, dass Videochats und Co. für Menschen in Deutschland weiter einen eher geringen Stellenwert bei der Kommunikation einnehmen. Auf die Frage, welche Dienste in der Pandemie besonders beim Kontakthalten geholfen haben, liegen Messengerdienste und das Telefon mit je etwa zwei Drittel an Zustimmung auf den vorderen Plätzen. Videotelefonie und soziale Netzwerke haben dagegen den Angaben zufolge nur jedem Dritten bei der Kontaktpflege geholfen.

Was verbindet beziehungsweise unterscheidet diese Länder? Ein Faktor, der die länderspezifischen Muster erklärt, ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP): Teilt man die 27 untersuchten Staaten in drei Gruppen – hohes, mittleres und niedriges BIP –, dann zeigt sich, dass sich die häufige Nutzung sozialer Medien für Einwohnerinnen und Einwohner von Staaten mit hohem und mittlerem BIP im Durchschnitt negativ auf die Lebenszufriedenheit auswirkt; teils positive Effekte dagegen ergeben sich für Länder mit niedrigem BIP.


Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass sozioökonomische Faktoren wie eine gut funktionierende Wirtschaft den Zugang zu sozialem Kapital, also die Qualität sozialer Beziehungen einer Person, ermöglichen. Eine höhere Bildung und ein höheres Einkommen etwa erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person vertrauensvolle Beziehungen zu anderen Menschen aufbaut und pflegt. Gleichzeitig – und wenig überraschend – ist das soziale Kapital mit dem Wohlbefinden eines Menschen assoziiert. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die höheren Ressourcen in starken Wirtschaften einen positiven Einfluss auf das soziale Kapital von Einwohnerinnen und Einwohnern haben und dieses wiederum eine positive Wirkung auf deren Wohlbefinden hat.


Unterschiedliche Wirtschaftsleistungen bedingen demnach Unterschiede im sozialen Kapital – man kann also davon ausgehen, dass das Bedürfnis nach erfüllenden, sozialen Beziehungen in Ländern mit höherem BIP leichter erfüllt ist als in Ländern mit geringerem BIP. Dies könnte die unterschiedlichen nationalen Effekte von sozialen Medien erklären: Während der Durchschnitt der Bevölkerung aus wirtschaftlich starken Ländern sein Grundbedürfnis an sozialer Verbundenheit leicht befriedigt, erfüllen die Online-Plattformen für Menschen aus wirtschaftlich schwächeren Ländern Grundbedürfnisse und tragen so zu einer Verbesserung der Lebenszufriedenheit bei. Dies deckt sich mit vorhergehenden Studien: Die Nutzung von sozialen Medien zur Befriedigung von Verbundenheitsbedürfnissen bietet Vorteile für die Lebenszufriedenheit, während eine suchtartige Nutzung zu Isolation und Depressionen führen kann. Eine häufige Netzwerknutzung in Ländern mit hohem BIP muss nicht unbedingt eine Sucht darstellen, aber sie trägt vermutlich nicht zu einer Erfüllung des Verbundenheitsbedürfnisses bei – und so kann es sein, dass die negativen Effekte von sozialen Medien, wie sozialer Vergleich und FOMO, dominanter werden.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass keine pauschalen Aussagen zum Sinn und Unsinn von häufiger sozialer Mediennutzung gemacht werden können, da deren Wirkungsweisen von komplexen äußeren Faktoren abhängen. Aus diesem Grund ist es ratsam, das eigene Nutzungsverhalten zu reflektieren: Zwar kann man als Individuum die nationale Wirtschaft nicht substanziell beeinflussen, man kann sich allerdings fragen, wie und weshalb man sich mit sozialen Online-Plattformen beschäftigt. Werden diese aus Langeweile oder Gewohnheit genutzt oder helfen sie dabei, die Beziehungen zu anderen Menschen zu stärken?


Soziale Medien sind kaum noch aus unserem Alltag wegzudenken und man muss sie nicht dogmatisch ablehnen. Ein achtsamer Umgang, der Menschen ermöglicht, ihre Verbundenheitsbedürfnisse zu befriedigen, mag sogar zu einer höheren Lebenszufriedenheit beitragen. Diese Nutzungsweise kann auch Leuten aus Ländern mit höherem BIP helfen, zufriedener zu sein: Eine amerikanische Studie zeigt, dass Probandinnen und Probanden, die Fotos machten, um andere glücklich zu machen, im Laufe der Zeit ihre Beziehungen verbesserten und weniger gestresst waren.

Titelbild: 

| Prateek Katyal / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Bild im Text: 

| Alexander Shatov / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Sara Alida Volkmer

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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